Leitlinien für automatisiertes Fahren: Konsequenzen für Hersteller?
Am 20. Juni 2017 hat die Ethik-Kommission unter der Leitung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio ihren Bericht zum automatisierten Fahren vorgelegt. Die Kommission hatte in den vergangenen neun Monaten erste Leitlinien für das automatisierte Fahren entwickelt. Zentrale Punkte des Berichts sind 20 Thesen, welche u.a. die Bereiche Datensouveränität, unausweichliche Situationen und grundlegende Zielsetzungen für den Bereich des automatisierten Fahrens thematisieren. Gleich in der ersten These wird der Leitgedanke verdeutlicht, welchem das automatisierte Fahren folgen soll: „Teil- und vollautomatisierte Verkehrssysteme dienen zuerst der Verbesserung der Sicherheit aller Beteiligten im Straßenverkehr.“
Dem folgt dann auch die zweite These, welche diesen Gedanken dergestalt ausformt, dass das Ziel die Verringerung von Schäden sein soll, wobei letztlich die vollständige Unfallvermeidung angestrebt wird. Konkreter wird es im zweiten Satz der zweiten These, wo es heißt, dass die Zulassung von automatisierten Systemen nur vertretbar ist, „wenn sie im Vergleich zu menschlichen Fahrleistungen zumindest eine Verminderung von Schäden im Sinne einer positiven Risikobilanz verspricht“. Damit macht die Ethik-Kommission unmissverständlich klar, welche Anforderungen an die Hersteller gestellt werden sollen, wenn sie Fahrzeuge mit automatischen oder autonomen Fahrsystemen zulassen wollen: Die automatisierten Systeme müssen den durchschnittlichen Fahrer in den Belangen der Fahrsicherheit und der Unfallvermeidung übertreffen. Diese Erwartung folgt zwar konsequent der Ausrichtung an einem Sicherheitsgewinn, bringt aber auch ein zentrales Problem mit sich:
Zwar wird hervorgehoben, dass die automatisierte und vernetzte Technik so ausgelegt sein muss, dass sich bedrohliche Situationen gar nicht erst entwickeln können; erwähnt wird explizit die Dilemma-Situation, in welcher das automatisierte Fahrzeug entscheiden soll, welches von zwei „nicht abwägungsfähigen Übeln“ (Menschenleben) es verwirklichen muss; wobei der Schutz des menschlichen Lebens dem Bericht nach zudem auch in den sonstigen Abwägungssituationen stets Vorrang vor Sach- und Tierschäden hat. Jedoch bietet der Bericht gerade keine Lösung für den Fall an, dass das autonome oder automatische System tatsächlich vor einer solchen Situation steht. Die Autoren begnügen sich mit dem Hinweis, dass in jener Situation, in welcher sich die unabwägbaren Rechtsgüter des Lebens gegenüberstehen, die Entscheidung „Leben gegen Leben“ nicht zweifelsfrei programmierbar ist und demnach weiterhin dem „sittlich urteilsfähigen“ und verantwortlichen Fahrer obliegt. Eine generelle Straflosigkeit des Handelns in Dilemma-Situationen existiert dabei nicht; die Schuldhaftigkeit der Handlung des (involvierten) Einzelnen muss jeweils individuell ermittelt werden; maschinelles Agieren ist von einer derartigen Ausnahme nicht erfasst. Wenn es dem System also nicht gelingt, eine derartige Situation präventiv nahezu auszuschließen, dürfte die Umsetzung autonomer Fahrzeugsysteme mit diesem Punkt stehen und fallen.
Weiterhin wird in These elf erinnert, dass die Grundsätze der Produkthaftung für automatische Fahrsysteme „normal“ Anwendung finden. Dieser Wink an die Hersteller wird mit dem Zusatz versehen, dass diese zur fortlaufenden Optimierung und Marktbeobachtung ihrer Produkte verpflichtet sind. Hinsichtlich der Selbstbestimmung über die anfallenden Daten wird in These fünfzehn erläutert, dass der Fahrzeughalter oder der Fahrzeugnutzer selbst über die Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugdaten entscheidet. Die Freiwilligkeit der Datenweitergabe soll dabei aber auch praktisch für den Verwender möglich sein.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Bericht der Ethik-Kommission zwar keine unmittelbare Bindungswirkung entfaltet, jedoch mittelbar einen ersten Indikator für den Gesetzgeber darstellen könnte. Einen Lösungsansatz hinsichtlich des Problems der Dilemma – Situation bietet er indes nicht.
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