Neue Anforderungen für Produkte und Dienstleistungen
Am 20. Mai 2021 hat der Bundestag den Entwurf über das Barrierefreiheitsgesetz beschlossen. Das Gesetz stellt die Umsetzung der EU-Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (PDF) aus dem Jahr 2019 in deutsches Recht dar. Zweck des Gesetzes ist es, das Recht auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von Menschen mit Behinderungen zu stärken und der Harmonisierung des Binnenmarktes Rechnung zu tragen (§ 1 Abs. 1 BFSG).
Für wen und was gilt das BFSG?
Das Gesetz gilt für ausgewählte Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28.06.2025 in den Verkehr gebracht werden. Erfasste Produkte sind insbesondere Betriebssysteme, Zahlungs- und Selbstbedienungsterminals, Smartphones, Tablets und E‑Book-Reader (§ 1 Abs. 2). Erfasste Dienstleistungen sind insb. Telekommunikationsdienste (etwa Messenger-Dienste), Bankdienstleistungen für Verbraucher und – über den Begriff der Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr – der gesamte Online-Handel. Kleinstunternehmen sind vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen (§ 3 Abs. 3).
Produkte wie Dienstleistungen müssen fortan barrierefrei sein, was dann der Fall ist, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind (§ 1 Abs. 3), womit die Definition aus § 4 BGG übernommen wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung muss das Zwei-Sinne-Prinzip beachtet werden, wonach der Informationszugang immer über zwei der drei Sinne Hören, Sehen, Tasten ermöglicht werden muss. Die Ausfüllung dieser Begriffe obliegt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das durch Rechtsverordnung die genauen Anforderungen festlegt. Dabei muss das BMAS seinerseits die Vorgaben gem. Anhang I (PDF) der Richtlinie beachten. Diesen Anhang kann die Kommission um weitere Präzisierungen im Rahmen delegierter Rechtsakte ergänzen. Ein erster VO-Entwurf (PDF) ist bereits veröffentlicht, der sich vor allem am Stand der Technik orientiert.
Pflichten, Überwachung und Sanktionen
Auf Hersteller kommen diverse Pflichten analog dem New Legislative Framework (NLF) zu: Das Inverkehrbringen setzt eine technische Dokumentation, ein Konformitätsbewertungsverfahren, eine Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung voraus. Dasselbe gilt für die Einfuhr. Der Hersteller kann sich eines bevollmächtigten Dritten zur Erfüllung seiner Pflichten bedienen. Der Dienstleister muss die Barrierefreiheit sicherstellen. Es gibt Ausnahmen für unverhältnismäßige Belastungen; auch darf die Einhaltung nicht dazu führen, dass sie die grundlegenden Wesensmerkmale von Produkt oder Dienstleistung verändern. Verbraucher können die Marktüberwachungsbehörden informieren und damit ein Kontrollverfahren auslösen. Außerdem besteht ein Verbandsklagerecht i.S.d. § 15 BGG. Verstöße sind außerdem als Ordnungswidrigkeiten sanktionierbar. Barrierefreiheit wird ab 2025 demnach integraler Bestandteil der Product Compliance sein. Die Unternehmen sollten zeitnah damit beginnen, ihre Produkte entsprechend zu bewerten und die Voraussetzungen für die Produktkonformität ab 2025, auch in der Lieferkette, zu schaffen.
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