Konsequenzen der James-Elliott-Rechtsprechung für die Errungenschaften des New Approach
In unserem Newsletter aus Juli 2017, in welchem wir über das Inkrafttreten des FuAG berichteten, wiesen wir auch auf die für Hersteller von Funkanlagen prekäre Situation hin, dass die Liste der harmonisierten Normen zur Radio Equipment Directive (RED) zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vollständig veröffentlicht war. Vertreter aus Wirtschaft und Politik befürchteten daher den faktischen Vertriebsstopp von Funkanlagen und den Zusammenbruch des „WLAN-Marktes“, da die Produkte ohne harmonisierte Normen nicht rechtssicher und richtlinienkonform hergestellt werden konnten. Eines wurde in dieser Situation sehr deutlich: das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes hängt ganz wesentlich von der rechtzeitigen Erarbeitung und Veröffentlichung von harmonisierten Normen ab.
Angestoßen durch das James-Elliott-Urteil des Europäischen Gerichtshofes EuGH vom 27.10.2016 (Az.: C‑613/14, reuschlaw Newsletter zu dem Thema) und dessen Interpretation durch die Europäische Kommission zeichnet sich aktuell jedoch ein Wandel ab, der das Gegenteil hiervon bewirken könnte: Aktuell etabliert die Europäische Kommission formale, mehrstufige und hierarchische Prozesse zur Nachkontrolle erarbeiteter harmonisierter Normen. Ziel ist es sicherzustellen, dass die erarbeiteten Normen mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen der jeweiligen Richtlinien übereinstimmen, bevor sie veröffentlicht werden.
Aus diesem Grund sollen die von den europäischen Normungsorganisationen vorgelegten Normen zukünftig auf ihre Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Normungsauftrag geprüft und bewertet werden. Für die notwendige Expertise zur Normenbewertung etabliert die Kommission sogenannte HAS Consultants, die die Normungsergebnisse nachträglich bewerten sollen. Weder sollen diese Berater bei der Erarbeitung und Abstimmung innerhalb des Normenentstehungsprozesses beteiligt werden, noch möchte die EU-Kommission an ihr Urteil gebunden sein.
Darüber hinaus macht die Kommission die Fundstellenveröffentlichung im Amtsblatt von einer eigenen Prüfung und Bewertung abhängig, an deren Ende eine formale Kommissionsentscheidung stehen soll. Diese Entscheidung soll als Durchführungsbeschluss im Amtsblatt der EU in der L‑Reihe (Rechtsvorschriften) veröffentlicht werden, wodurch den harmonisierten Normen formelle Rechtsqualität zugesprochen und Rechtswirkung beigemessen würde.
Ausblick
Die aktuelle Entwicklung trifft auf Bedenken.
Zwar würde dem Umstand Rechnung getragen, dass harmonisierten Normen – formell betrachtet – keine Rechtswirkung beigemessen werden kann, da sie nicht im Rahmen europäischer Gesetzgebungsprozesse erarbeitet und – anders als andere europäische Rechtsakte – nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.
Auf der anderen Seite steht zu befürchten, dass das funktionierende und im Rahmen des New Approach entwickelte Normierungssystem, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem –EU-Gesetzgeber und den europäischen Normungsgesellschaften basiert, durch die Implementierung zusätzlicher Bewertungs- und Prüfungsprozesse durch HAS Consultants und durch die Europäische Kommission konterkariert würde. Den Zielen des New Approach zur technischen Harmonisierung und dem Abbau von Handelshemmnissen innerhalb des Europäischen Binnenmarktes zuwider ist mit deutlich längeren Bearbeitungs- und Veröffentlichungszeiten zu rechnen.
Wir werden über die weiteren Entwicklungen auf europäischer Ebene berichten.
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