Refe­ren­ten­ent­wurf zur Umset­zung der Digitale-Inhalte-Richtlinie veröffentlicht

Die EU-Richtlinie 2019/770 über “bestimm­te ver­trags­recht­li­che Aspek­te der Bereit­stel­lung digi­ta­ler Inhal­te und digi­ta­ler Dienst­leis­tun­gen” (kurz: Digitale-Dienste-Richtlinie) stammt vom 20. Mai 2019. Wesent­li­ches Ziel der Richt­li­nie ist es, den Zugang zu digi­ta­len Inhal­ten und Dienst­leis­tun­gen für Ver­brau­cher zu ver­bes­sern und euro­pa­weit zu ver­ein­heit­li­chen. Hier­durch soll, wie Erwä­gungs­grund 3 Digitale-Dienste-Richtlinie beschreibt, bei gleich­zei­ti­ger Gewähr­leis­tung eines hohen Ver­brau­cher­schutz­ni­veaus ein “ech­ter digi­ta­ler Bin­nen­markt” erreicht wer­den. EU-Richtlinien gel­ten jedoch nicht unmit­tel­bar, son­dern müs­sen von den Mit­glieds­staa­ten durch Umset­zungs­ak­te in das jewei­li­ge natio­na­le Recht über­führt wer­den. Für die Umset­zung der Richt­li­nie in Deutsch­land hat das zustän­di­ge BMJV am 3. Novem­ber 2020 einen ers­ten Refe­ren­ten­ent­wurf (RefE) ver­öf­fent­licht. Er sieht eine Umset­zung der Digitale-Dienste-Richtlinie durch neue Vor­schrif­ten im Bür­ger­li­chen Gesetz­buch (BGB) vor.

Brei­ter Anwendungsbereich

Die neu ein­ge­führ­ten Vor­schrif­ten gel­ten nach § 327 Abs. 1 BGB-RefE nur für Ver­brau­cher­ver­trä­ge, wel­che die Bereit­stel­lung digi­ta­ler Inhal­te oder digi­ta­ler Dienst­leis­tun­gen (sog. digi­ta­le Pro­duk­te) zum Gegen­stand haben. Digi­ta­le Inhal­te sind nach § 327 Abs. 2 S. 1 BGB-RefE Daten, die in digi­ta­ler Form erstellt und bereit­ge­stellt wer­den. Digi­ta­le Dienst­leis­tun­gen sind nach § 327 Abs. 2 S. 2 BGB-RefE zunächst Dienst­leis­tun­gen, die dem Ver­brau­cher “die Erstel­lung, die Ver­ar­bei­tung oder die Spei­che­rung von Daten in digi­ta­ler Form oder den Zugang zu sol­chen Daten” oder “die gemein­sa­me Nut­zung der vom Ver­brau­cher oder von ande­ren Nut­zern der ent­spre­chen­den Dienst­leis­tung in digi­ta­ler Form hoch­ge­la­de­nen oder erstell­ten Daten oder sons­ti­ge Inter­ak­tio­nen mit die­sen Daten” ermög­li­chen. Ein­ge­schränkt wird die­ser ver­gleichs­wei­se wei­te­re Anwen­dungs­be­reich zunächst durch § 327 Abs. 6 BGB-RefE der unter ande­rem klar­stellt, dass die neu­en Vor­schrif­ten nicht auf ande­re Dienst­leis­tungs­ver­trä­ge anwend­bar sind, selbst wenn der Unter­neh­mer die­se mit­hil­fe digi­ta­ler For­men oder Mit­tel erbringt. Eben­so aus­ge­nom­men sind wei­ter­hin auch Ver­trä­ge über elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te, Behand­lungs­ver­trä­ge, Glück­spiel­dienst­leis­tun­gen, Finanz­ver­trä­ge sowie bestimm­te Ver­trä­ge über die Bereit­stel­lung von Soft­ware, digi­ta­le Inhal­te oder Infor­ma­tio­nen, wenn bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind. Die neu­en Vor­schrif­ten gel­ten nach § 327a Abs. 1 S. 1 BGB-RefE auch für sog. Paket­ver­trä­ge, die neben der Bereit­stel­lung von digi­ta­len Pro­duk­ten wei­te­re Ver­trags­in­hal­te, etwa die Erbrin­gung nicht­di­gi­ta­ler Dienst­leis­tun­gen, zum Gegen­stand haben. In der Regel gel­ten die neu­en Vor­schrif­ten in die­sen Fäl­len jedoch nur für den digi­ta­len Teil des Vertrags.

Bereit­stel­lung in der Regel unverzüglich

Nach § 327b Abs. 2 BGB-RefE kann der Ver­brau­cher die Bereit­stel­lung des digi­ta­len Pro­dukts unver­züg­lich nach Ver­trags­schluss ver­lan­gen, wenn kei­ne abwei­chen­de Rege­lung im Ver­trag getrof­fen ist oder sich aus den Umstän­den ergibt. Der Unter­neh­mer muss in die­sem Fall sofort leis­ten. Als bereit­ge­stellt gilt ein digi­ta­ler Inhalt nach § 327b Abs. 3 BGB-RefE, sobald er „dem Ver­brau­cher unmit­tel­bar oder mit­tels einer von ihm hier­zu bestimm­ten Ein­rich­tung zur Ver­fü­gung gestellt oder zugäng­lich gemacht wor­den ist“. Hier­bei ist es aus­rei­chend, wenn der Ver­brau­cher „die geeig­ne­ten Mit­tel für den Zugang oder das Her­un­ter­la­den“ erhält. Es kommt für eine erfolg­rei­che Bereit­stel­lung folg­lich nicht dar­auf an, dass der Ver­brau­cher einen digi­ta­len Inhalt auch tat­säch­lich her­un­ter­lädt. Nicht ande­res gilt gemäß § 327b Abs. 4 BGB-RefE für digi­ta­le Dienst­leis­tun­gen, auch hier ist die Zugäng­lich­ma­chung ent­schei­dend. Ist der Unter­neh­mer durch den Ver­trag zur Bereit­stel­lung meh­re­rer ein­zel­ner digi­ta­ler Pro­duk­te ver­pflich­tet, gel­ten die Vor­schrif­ten zur Bereit­stel­lung gemäß § 327b Abs. 5 S. 1 BGB-RefE für jede ein­zel­ne Bereit­stel­lung. Hat nach dem Ver­trag eine dau­er­haf­te Bereit­stel­lung zu erfol­gen, muss die Abruf­bar­keit wäh­rend des gesam­ten Bereit­stel­lungs­zeit­raums ermög­licht wer­den (§ 327b Abs. 5 S. 2 BGB-RefE). Kommt das Unter­neh­men der Bereit­stel­lungs­ver­pflich­tung nach einer Auf­for­de­rung durch den Ver­brau­cher, die jedoch auch ent­behr­lich sein kann, nicht nach, kann der Ver­brau­cher den Ver­trag nach § 327c Abs. 1 BGB-RefE been­den. Unter­neh­men sind also gut bera­ten, ihre tech­ni­schen Kapa­zi­tä­ten so anzu­pas­sen, dass eine Bereit­stel­lung der digi­ta­len Pro­duk­te stets unein­ge­schränkt mög­lich ist. Zu den­ken ist in die­sem Kon­text ins­be­son­de­re auch an die Abfe­de­rung von Last­spit­zen oder Cyber­an­grif­fen auf die Ver­füg­bar­keit, z.B. durch Dis­tri­bu­ted Deni­al of Ser­vice (DDoS).

Män­gel bei digi­ta­len Inhal­ten und Updatepflicht

Durch § 327d BGB-RefE wird der Unter­neh­mer ver­pflich­tet, dem Ver­brau­cher das digi­ta­le Pro­dukt frei von Produkt- und Rechts­män­geln im Sin­ne der §§ 327e bis 327g BGB-RefE zu ver­schaf­fen. Digi­ta­le Pro­duk­te unter­lie­gen damit ande­ren Vor­ga­ben für Män­gel als her­kömm­li­che Pro­duk­te, deren Män­gel­be­griff in den §§ 434 ff. BGB gere­gelt ist. Ein digi­ta­les Pro­dukt ist gemäß § 327e Abs. 1 BGB-RefE frei von Pro­dukt­män­geln, wenn “es zur maß­geb­li­chen Zeit […] den sub­jek­ti­ven Anfor­de­run­gen, den objek­ti­ven Anfor­de­run­gen und den Anfor­de­run­gen an die Inte­gra­ti­on ent­spricht”. Wann dies im Ein­zel­nen der Fall ist, wird in § 327e Abs. 2 ff. BGB-RefE näher defi­niert. Unter­neh­men müs­sen sich inso­weit auf einen völ­lig neu­en Män­gel­be­griff ein­stel­len und deut­lich mehr Anfor­de­run­gen erfül­len, als dies bis­her der Fall ist. Neu ist auch, dass ein digi­ta­les Pro­dukt nach § 327f Abs. 1 für einen gewis­sen Zeit­raum mit Aktua­li­sie­run­gen, zu denen auch Sicher­heits­up­dates gehö­ren, zu ver­sor­gen ist. Der Ver­brau­cher muss über das Vor­lie­gen neu­er Updates infor­miert wer­den. Wie lan­ge die Update­pflicht besteht, rich­tet sich bei der dau­er­haf­ten Bereit­stel­lung von digi­ta­len Pro­duk­ten nach dem Bereit­stel­lungs­zeit­raum und in allen ande­ren Fäl­len nach der ver­nünf­ti­gen Erwar­tung des Ver­brau­chers. Unter­neh­men müs­sen dadurch unter Umstän­den deut­lich län­ger Updates zur Ver­fü­gung stel­len, als dies bis­her der Fall ist. Auch der Umgang mit Sicher­heits­lü­cken dürf­te sich durch die neue Vor­schrift erheb­lich ändern.

Män­gel­rech­te ver­jäh­ren nach zwei Jahren

Liegt ein Man­gel vor, hat der Ver­brau­cher nach § 327i BGB-RefE ein Recht auf Nach­er­fül­lung sowie, beim Vor­lie­gen wei­te­rer Vor­aus­set­zun­gen, ein Recht auf Ver­trags­be­en­di­gung, Min­de­rung oder Ansprü­che auf Scha­dens­er­satz. Die­se Ansprü­che ver­jäh­ren, wie die meis­ten „klas­si­schen Män­gel“, gemäß § 327j BGB-RefE inner­halb von zwei Jah­ren. Der Frist­lauf beginnt im Fall einer dau­er­haf­ten Bereit­stel­lung mit dem Ende des Bereit­stel­lungs­zeit­raums, im Übri­gen mit der Bereit­stel­lung selbst. Neue Vor­schrif­ten sieht der Refe­ren­ten­ent­wurf auch für die Beweis­last­um­kehr hin­sicht­lich des Vor­lie­gens eines Man­gels vor. So wird nach § 327k Abs. 1 BGB-RefE grund­sätz­lich ver­mu­tet, dass das digi­ta­le Pro­dukt bereits man­gel­haft war, wenn sich der Man­gel inner­halb eines Jah­res nach sei­ner Bereit­stel­lung zeigt.

Daten­schutz­recht­li­che Aus­wir­kun­gen auf den Vertrag

In § 327q Abs. 1 BGB-RefE wird klar­ge­stellt, dass daten­schutz­recht­li­che Erklä­run­gen des Ver­brau­chers oder die Aus­übung von Betrof­fe­nen­rech­ten, z.B. auf Aus­kunft nach Art. 15 DSGVO, grund­sätz­lich kei­nen Ein­fluss auf die Wirk­sam­keit des Ver­trags nach des­sen Abschluss haben. § 327q Abs. 2 BGB-RefE sieht jedoch vor, dass der Unter­neh­mer den Ver­trag mit dem Nut­zer ohne Ein­hal­tung einer Kün­di­gungs­frist kün­di­gen kann, wenn die­ser eine Ein­wil­li­gung wider­ruft oder einer wei­te­ren Ver­ar­bei­tung sei­ner per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten wider­spricht. Dies gilt jedoch nur, wenn dem Unter­neh­mer “unter Berück­sich­ti­gung des wei­ter­hin zuläs­si­gen Umfangs der Daten­ver­ar­bei­tung und unter Abwä­gung der bei­der­sei­ti­gen Inter­es­sen die Fort­set­zung des Ver­trags­ver­hält­nis­ses bis zum ver­ein­bar­ten Ver­trags­en­de oder bis zum Ablauf einer gesetz­li­chen oder ver­trag­li­chen Kün­di­gungs­frist nicht zuge­mu­tet wer­den kann”. Ersatz­an­sprü­che des Unter­neh­mers wegen der Aus­übung von Daten­schutz­rech­ten sind jedoch nach § 327q Abs. 3 BGB-RefE ausgeschlossen.

Rück­grif­fe in der Lie­fer­ket­te sind möglich

Eine Vor­schrift, die wie § 445a BGB Rück­grif­fe in der Lie­fer­ket­te ermög­licht, ent­hält § 327u BGB-RefE. So kön­nen Unter­neh­men nach § 327u Abs. 1 BGB-RefE von ihrem Ver­triebs­part­ner Ersatz von Auf­wen­dun­gen ver­lan­gen, wenn der Ver­triebs­part­ner für unter­blie­be­ne Bereit­stel­lung ver­ant­wort­lich war. Der Anspruch ver­jährt nach § 327u Abs. 2 BGB-RefE inner­halb von 6 Mona­ten. Auf Ver­ein­ba­run­gen, die hier­von zum Nach­teil des Unter­neh­mens abwei­chen, kann sich der Ver­triebs­part­ner in die­sem Fall gem. § 327u Abs. 4 BGB-RefE nicht beru­fen. Eine Umge­hung der Vor­schrift wird dar­über hin­aus für unzu­läs­sig erklärt. Selbst Unter­neh­men, die kei­ne digi­ta­len Pro­duk­te an Ver­brau­cher bereit­stel­len, son­dern ledig­lich Ver­triebs­part­ner sind, wer­den folg­lich mit­tel­bar durch die neu­en Rege­lun­gen erfasst und soll­ten sich daher mit die­sen ver­traut machen.

Neue Ver­trags­ty­pen

Mit der Umset­zung der Digitale-Inhalte-Richtlinie errei­chen auch eine gan­ze Rei­he neu­er Vor­schrif­ten das BGB. So nor­miert § 516a BGB-RefE einen Ver­brau­cher­ver­trag über die Schen­kung digi­ta­ler Pro­duk­te und in § 548a BGB-RefE wird die Mie­te digi­ta­ler Pro­duk­te gere­gelt. Eben­so neu geschaf­fen wird durch § 650 Abs. 2 BGB-RefE ein „Ver­brau­cher­ver­trag über die Her­stel­lung digi­ta­ler Pro­duk­te“, der par­al­lel zu Werk­ver­trä­gen vor­lie­gen soll, wenn ein kon­kre­ter Erfolg, etwa die Her­stel­lung eines digi­ta­len Inhalts, geschul­det ist.

Viel Arbeit für betrof­fe­ne Unternehmen

Ange­sichts des beträcht­li­chen Umfangs der neu­en Rege­lung kommt auf Unter­neh­men viel Arbeit zu. Für eine erfolg­rei­che Umset­zung ist es dabei uner­läss­lich, zunächst genau zu prü­fen, wel­che Anfor­de­run­gen die neu­en Vor­schrif­ten an das jewei­li­ge Pro­dukt stel­len und wel­che Pro­zes­se geän­dert wer­den müs­sen. Not­wen­dig und sinn­voll kann in die­sem Rah­men auch eine Prü­fung und Ände­rung der bestehen­den Ver­trä­ge bzw. deren Mus­ter sein. Eben­so soll­te mit den Ver­triebs­part­nern ein Dia­log über die neue Rege­lung und deren Vor­ga­ben initi­iert wer­den. Die not­wen­di­gen Schrit­te soll­ten Unter­neh­men wegen des Umfangs der Rege­lung nicht auf die lan­ge Bank schie­ben. So hat das Minis­te­ri­um zwar mit der Ver­öf­fent­li­chung zunächst Fach­krei­se und Ver­bän­de dazu auf­ge­ru­fen, den ver­öf­fent­lich­ten Ent­wurf (PDF) zu kom­men­tie­ren, es ist jedoch abseh­bar, dass die Digitale-Inhalte-Richtlinie in jedem Fall in deut­sches Recht über­führt wird. Folg­lich könn­ten sich zwar noch Details an den neu­en Vor­ga­ben ändern, der gro­be Rah­men steht jedoch längst fest.

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