Der Zugang von E‑Mails im unter­neh­me­ri­schen Geschäftsverkehr

In einer Zeit des „digi­tal busi­ness“ und der Kom­mu­ni­ka­ti­on via elek­tro­ni­scher Daten­über­mitt­lung hat sich nun jüngst der Bun­des­ge­richts­hof mit Urteil vom 6. Okto­ber 2022 mit der Fra­ge befasst, ob und wann eine E‑Mail im unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­ver­kehr im Rechts­sin­ne zugeht.

Zugang von Wil­lens­er­klä­run­gen und deren Bedeu­tung für den Mailverkehr

Der Zugang von Wil­lens­er­klä­run­gen hat im Rechts- und Geschäfts­ver­kehr eine wesent­li­che Bedeu­tung. Han­delt es sich um eine Wil­lens­er­klä­rung unter Abwe­sen­den, wer­den deren Rechts­fol­gen erst mit Zugang beim Emp­fän­ger wirk­sam. Nach den all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten des BGB geht eine Wil­lens­er­klä­rung zu, wenn sie so in den Bereich des Emp­fän­gers gelangt ist, dass die­ser unter nor­ma­len Ver­hält­nis­sen die Mög­lich­keit hat, vom Inhalt der Erklä­rung Kennt­nis zu neh­men. Ein Wider­ruf die­ser Wil­lens­er­klä­rung wird nur dann wirk­sam und kann die Rechts­fol­gen der Wil­lens­er­klä­rung besei­ti­gen, wenn er vor oder gleich­zei­tig mit der Wil­lens­er­klä­rung zugeht, vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB. Geht der Wider­ruf ver­spä­tet zu, ist der Absen­der der Wil­lens­er­klä­rung an die­se gebunden.

Gera­de im unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­ver­kehr erfolgt heut­zu­ta­ge ein Groß­teil der Kom­mu­ni­ka­ti­on via elek­tro­ni­sche Medi­en, ins­be­son­de­re E‑Mail. Bis­lang war umstrit­ten, wie der Zugang von E‑Mails im Geschäfts­ver­kehr kon­kret zu bewer­ten ist. Nach den all­ge­mei­nen Regeln des Zugangs von Wil­lens­er­klä­run­gen soll­ten der tat­säch­li­che Abruf einer E‑Mail sowie ihre Lek­tü­re nicht erfor­der­lich sein. In der Fach­li­te­ra­tur und von eini­gen Gerich­ten wur­de zumin­dest bis­her die Ansicht ver­tre­ten, dass ein Zugang einer E‑Mail erst dann erfolgt, wenn der Absen­der mit einer Kennt­nis­nah­me der E‑Mail nach dem übli­chen Geschäfts­ab­lauf rech­nen kann. Dar­aus folgt, dass ein Abruf der E‑Mails spä­tes­tens bis zum Ende der Geschäfts­zeit zu erwar­ten ist. Dem­ge­gen­über ste­hen jedoch auch ande­re Ansich­ten in der Fach­li­te­ra­tur und Recht­spre­chung, die von einem Zugang unmit­tel­bar dann aus­ge­hen, wenn eine E‑Mail abruf­be­reit im elek­tro­ni­schen Post­fach des Emp­fän­gers ein­ge­gan­gen ist.

Mit sei­nem Urteil hat der Bun­des­ge­richts­hof nun klar­ge­stellt: Wird eine E‑Mail im unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­ver­kehr inner­halb der übli­chen Geschäfts­zei­ten auf dem Mail­ser­ver des Emp­fän­gers abruf­be­reit zur Ver­fü­gung gestellt, ist sie dem Emp­fän­ger grund­sätz­lich in die­sem Zeit­punkt zugegangen.

Damit kommt es nicht auf eine tat­säch­li­che Kennt­nis­nah­me oder wann mit einer sol­chen zu rech­nen ist, an, son­dern wann typi­scher­wei­se die Mög­lich­keit hier­für besteht. In der Pra­xis kann die­ser Unter­schied übli­cher­wei­se meh­re­re Stun­den betra­gen. Der Bun­des­ge­richts­hof ori­en­tiert sich bei sei­ner Ent­schei­dung an den all­ge­mei­nen Regeln: Grund­sätz­lich besteht im unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­ver­kehr inner­halb der Geschäfts­zei­ten die Mög­lich­keit, E‑Mails zu prü­fen. Ob die inter­ne Orga­ni­sa­ti­on dies erst gegen Ende des Geschäfts­ta­ges vor­sieht oder nicht, ist irrelevant.

Prak­ti­sche Kon­se­quen­zen und Empfehlung

Als Kon­se­quenz die­ses Urteils ist für den Absen­der einer E‑Mail nun der Zeit­punkt des Zugangs vor­her­seh­bar und ent­spricht im Wesent­li­chen dem des Ver­sen­dens. Er kann sich, vor­be­halt­lich tech­ni­scher Pro­ble­me, auf deren Zugang ver­las­sen, ist im Gegen­zug aller­dings regel­mä­ßig unwi­der­ruf­lich an sei­ne Erklä­run­gen gebun­den. Umge­kehrt kann der Emp­fän­ger auf Erklä­run­gen, die ihn wäh­rend sei­ner Geschäfts­zei­ten errei­chen, ver­trau­en. Auch ein unmit­tel­bar im Anschluss ver­sen­de­ter Wider­ruf des Absen­ders ist grund­sätz­lich unbeachtlich.

Den­noch soll­ten elek­tro­ni­sche Post­ein­gän­ge wäh­rend der gesam­ten Geschäfts­zei­ten betreut wer­den, um den Ein­gang von Erklä­run­gen und damit ver­bun­de­ne Fris­ten im Blick zu behal­ten. Auch zu kri­ti­schen Zeit­punk­ten wie Frei­tag­aben­den ist daher auf eine per­ma­nen­te Beset­zung ent­spre­chen­der Arbeits­plät­ze zu achten.

Die Fra­ge, wie mit Erklä­run­gen umzu­ge­hen ist, die außer­halb der übli­chen Geschäfts­zeit kom­mu­ni­ziert wer­den, bei­spiels­wei­se an einem Sonn- oder Fei­er­tag, hat der Bun­des­ge­richts­hof offen­ge­las­sen. Nichts­des­to­trotz ver­schafft das Urteil zu Tei­len eine schon lan­ge benö­tig­te Rechts­klar­heit in einer Zeit, in der E‑Mails als Teil des elek­tro­ni­schen Geschäfts­ver­kehrs schon längst Stan­dard sind.

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