Das Landgericht Freiburg hat einen Hersteller von Hüftprothesen in einem aktuellen Urteil vom 02.08.2019 (Az.: 1 O 460/11) wegen eines fehlerhaften Hüftprothesensystems zur Zahlung von Schmerzensgeld sowie Schadenersatz verurteilt. Es beschäftigt sich in diesem Rahmen erneut mit der Frage von Instruktionsfehlern bei mangelhaften Operationsanleitungen und setzt die Fehlerverdacht-Rechtsprechung des EuGH fort.
Sachverhalt
Die Klägerin litt an einer beidseitigen destruktiven Coxarthrose. Sie wurde deshalb im Jahr 1996 auf der rechten Seite mit einer Hüftprothese versorgt und im Jahr 2006 mit der streitgegenständlichen Prothese auf der linken Seite. Beklagte in diesem Verfahren waren zum einen die Herstellerin des Prothesensystems sowie der Einführer des Systems auf dem europäischen Binnenmarkt.
Bei dem Prothesensystem handelt es sich um eine sog. Großkopfprothese (Large Diameter Head = LDH), welche im Jahr 2003 erstmals in den Markt eingeführt wurde. Die zum Zeitpunkt der Implantation gültige, zur Verfügung gestellte Operationsanleitung enthielt unter anderem Ausführungen dazu, wie das Prothesensystem durch Fräsen des Knochens ordnungsgemäß im Gelenk versenkt werden kann. In der Folgezeit stellten sich bei der Klägerin jedoch massive Beschwerden im Bereich ihres linken Hüftgelenks ein, so dass die Indikation für eine Revisionsoperation gestellt wurde, die zu der Feststellung einer massiven Entzündung im Bereich des linksseitigen Schleimbeutels sowie zu Metallabrieb und einem Chromgehalt von 53,3 µg/l sowie einem Kobaltgehalt von 54,7 µg/l in ihren Blutwerten führte.
Entscheidung
Das Gericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 17.500,00 € sowie zum Ersatz des materiellen Schadens. Nach Überzeugung des Landgerichts stand fest, dass die bei der Klägerin verwendete Hüftprothese einen Produktfehler aufwies, da die Hüftpfanne aufgrund einer fehlerhaften Instruktion in der seinerzeit gültigen Operationsanleitung nicht ordnungsgemäß fixiert werden konnte (Instruktionsfehler). Darüber hinaus sei das streitgegenständliche Prothesensystem bereits deswegen fehlerhaft, weil es zu einer Produktserie gehöre, der eine erhöhte Ausfallswahrscheinlichkeit anhafte.
Damit schrieb das Landgericht Freiburg die Fehlerverdachts-Rechtsprechung des EuGH fort. Dieser hatte im Fall von implantierbaren Herzschrittmachern und Defibrillatoren höchstrichterlich entschieden, dass die berechtigten Sicherheitserwartungen der Nutzer bei bestimmten Produktgruppen so hoch sein können, dass bereits die erhöhte Fehlerwahrscheinlichkeit innerhalb der Serie ausreiche, um das einzelne Produkt auch ohne konkreten Fehlernachweis als fehlerhaft zu qualifizieren.
Gleichgelagerte Urteile des Landgerichts Freiburg ergingen am selben Tag zu den Aktenzeichen 1 O 223/12 und 1 O 266/12. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
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