Die Änderungsverordnung (EU) 2024/1860 vom 13. Juni 2024 ist seit dem 10. Januar 2025 in Kraft. Mit ihr haben die MDR (Verordnung (EU) 2017/745) und die IVDR (Verordnung (EU) 2017/746) einen wortgleichen Art. 10a erhalten.
Art. 10a verpflichtet Hersteller von Medizinprodukten und Hersteller von In-Vitro-Diagnostika (Devices Klasse A bis D, sowie Legacy Devices) gleichermaßen, bei erwartbaren Lieferunterbrechungen oder bei Beendigung der Lieferung eines ihrer Produkte, Meldung bei der zuständigen Behörde im Mitgliedsstaat zu erstatten, in dem der Hersteller oder sein Bevollmächtigter niedergelassen ist. Ebenso muss der Hersteller Wirtschaftsakteure, Gesundheitseinrichtungen und Angehörige der Gesundheitsberufe, an die er das Produkt direkt liefert, informieren. Die Meldung hat spätestens 6 Monate vor Eintritt des der Meldung auslösenden Ereignisses elektronisch in maschinenlesebarer Form mithilfe eines von der zuständigen Bundesoberbehörde auf ihrer Internetseite bereitgestellten Formulars zu erfolgen (vgl. § 7a MPDG).
Die Meldepflicht von Nichtverfügbarkeiten setzt zweierlei Voraussetzungen kumulativ voraus:
- Die etwaige Nichtverfügbarkeit muss bei Patienten entweder einen schweren gesundheitlichen Schaden, eine erhebliche Verschlechterung des pathologischen Zustandes oder eine Todesgefahr hervorrufen. Der Beurteilung hat aufgrund einer vernünftigen Ermessensentscheidung zu erfolgen, bei der nur dem Hersteller schon vorher bekannte Umstände einfließen sollen.
- Auf dem Markt gibt es für betroffene Patienten und behandelnde Mediziner keine vergleichbar geeignete Behandlungsalternative.
Praxishinweise und Handlungsempfehlung
Kenntnis um Existenz und Inhalt des Art. 10a ist der Schlüssel zur Einhaltung etwaiger Informationspflicht. Empfehlenswert ist die Erstellung einer internen Matrix für infrage kommende Produkte, basierend auf den Voraussetzungen des Art. 10a, dem erforderlichen Formular und den zu informierenden Wirtschaftsakteuren:
- Monitoring der (Nicht-)Verfügbarkeit in den nächsten 6 Monaten
- Führt die Nichtverfügbarkeit zu schweren Nachteilen?
- Gibt es gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten am Markt?
Art. 10a steht im Lichte des europäisch tradierten Verbraucherschutzes und knüpft an die Wertungen der im Oktober 2024 in nationales Recht umgesetzten NIS-2-Richtlinie an. Die Gesundheitsbranche ist kritische Infrastruktur und Medizinproduktehersteller sind wesentliche oder wichtige Einrichtungen. Ziel der Änderung ist eine bessere Planbarkeit bei den zuständigen Behörden sowie der Akteure im Gesundheitsbereich, um Mangellagen in der Versorgung zu vermeiden. Knapp vier Jahre Pandemie haben die Anfälligkeit und Vulnerabilität der Lieferketten und der daraus bedingten Verfügbarkeit von notwendigen Medizinprodukten und In-Vitro-Diagnostika aufgezeigt. Ob es dafür eine bußgeldbewehrte Meldepflicht braucht, oder ob der etablierte Best Practice Ansatz ausreichend war, wird sich zeigen. Der Anwendungsbereich ist aufgrund der Voraussetzungen des Art. 10a MDR/IVDR eng. Ebenso überschaubar werden wohl auch die Anzahl der Meldungen.
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