Update EU-Produktsicherheitsverordnung

Was nun auf Her­stel­ler zukommt, erfah­ren Sie hier.

Der EU-Rat hat den Vor­schlag der Kom­mis­si­on teil­wei­se ent­schärft, aber auch wei­te­re Pflich­ten auf­ge­nom­men. Bereits im Juni 2021 ver­öf­fent­lich­te die EU-Kommission ihren Vor­schlag zur Über­ar­bei­tung der Pro­dukt­si­cher­heits­richt­li­nie 2001/95/EG. Die­ser ver­folgt das Ziel, den gesetz­li­chen Rah­men für die Sicher­heit von Non-Food-Produkten für Ver­brau­cher zu aktua­li­sie­ren und den Rechts­rah­men an die spe­zi­fi­schen Her­aus­for­de­run­gen neu­er Tech­no­lo­gien und Geschäfts­mo­del­le anzu­pas­sen. Doch die­ser Wil­le nach euro­pa­wei­ter Ver­ein­heit­li­chung unab­hän­gig von etwa­igen natio­na­len Beson­der­hei­ten führt zu zwei­fel­haf­ten Ent­wick­lun­gen für das Produktsicherheitsrecht.

Der Ent­wurf des Rates hat den Kom­mis­si­ons­ent­wurf zwar in eini­gen Punk­ten entschärft:

So wur­de die Defi­ni­ti­on des „siche­ren Pro­dukts“ modi­fi­ziert, die ursprüng­lich vor­sah, dass die­se auch bei miss­bräuch­li­chem Nut­zer­ver­hal­ten sicher gestal­tet sein müss­ten. Die­se Defi­ni­ti­on wur­de gestri­chen im Ein­klang mit dem bis­her gel­ten­den Ver­ständ­nis, dass ein Her­stel­ler für die Imple­men­tie­rung der Sicher­heit sei­nes Pro­dukts „nur“ die bestim­mungs­ge­mä­ße und die ver­nünf­ti­ger­wei­se vor­her­seh­ba­re Anwen­dung, nicht jedoch die miss­bräuch­li­che Ver­wen­dung anti­zi­pie­ren und in Kon­struk­ti­on und Bau berück­sich­ti­gen muss. Die­se Strei­chung ist zu begrü­ßen, da sie zu einem kaum ein­zu­gren­zen­den Haf­tungs­ri­si­ko für Unter­neh­men hät­te füh­ren können.

Dar­über hin­aus wur­de auch die Min­dest­höchst­stra­fe von 4 Pro­zent des Jah­res­um­sat­zes bei Ver­stö­ßen vom Rat gestri­chen mit der Fol­ge, dass die Sank­ti­ons­hö­he nach wie vor im Ermes­sen der mit­glied­staat­li­chen Behör­den steht und dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit unter­wor­fen ist.

Im Übri­gen fin­den sich die nach­ste­hen­den ver­schär­fen­den Ände­run­gen, die aus unse­rer Sicht beach­tens­wert sind:

Neue Pflich­ten der Wirt­schafts­ak­teu­re bei Unfällen

Die Mel­de­pflicht für einen durch ein Pro­dukt ver­ur­sach­ten Unfall hat durch den Vor­schlag des EU-Rates einen neu­en und zu begrü­ßen­den Schwel­len­wert bekom­men. Nun besteht eine Mel­de­pflicht gegen­über den Behör­den der Markt­über­wa­chung nur, wenn „Ereig­nis­se im Zusam­men­hang mit der Ver­wen­dung eines Pro­dukts, die zum Tod einer Per­son oder zu schwer­wie­gen­den, dau­er­haf­ten oder vor­über­ge­hen­den Beein­träch­ti­gun­gen ihrer Gesund­heit und Sicher­heit geführt haben, ein­schließ­lich Ver­let­zun­gen, sons­ti­ger Schä­den am Kör­per, Krank­hei­ten und chro­ni­scher Gesund­heits­schä­den” vor­lie­gen. Eine sol­che Begren­zung gab es in dem Vor­schlag der Kom­mis­si­on nicht.

Auch die Frist für die Ein­rei­chung einer Mel­dung wur­de ent­schärft. Die im Vor­schlag der EU-Kommission vor­ge­se­he­ne Noti­fi­ka­ti­ons­pflicht von zwei Arbeits­ta­gen (!) ab Kennt­nis, und zwar völ­lig unab­hän­gig von etwa­ig noch andau­ern­den Root-Cause-Analysen, wur­de nun dahin­ge­hend abge­mil­dert, dass eine sol­che Mel­dung ohne schuld­haf­tes Zögern („wit­hout undue delay“), also ohne kon­kre­tes Zeit­li­mit, zu erfol­gen habe.

Der Vor­schlag der EU-Kommission ent­hält aller­dings eine geson­der­te Ver­pflich­tung für Betrei­ber von Online-Marktplätzen. Die­se müs­sen unver­züg­lich jeden Unfall mel­den, von dem sie Kennt­nis erlangt haben und der „zu einer ernst­haf­ten Gefähr­dung oder einem tat­säch­li­chen Scha­den für die Gesund­heit oder Sicher­heit eines Ver­brau­chers führt, der durch ein auf ihrem Markt­platz ange­bo­te­nes Pro­dukt ver­ur­sacht wird“. Anders als dies im Anwen­dungs­be­reich der Markt­über­wa­chungs­ver­ord­nung (EU) 2019/1020 der Fall ist, wird der Online-Handel also mit eige­nen Überwachungs- und Noti­fi­ka­ti­ons­pflich­ten aus­ge­stat­tet mit dem Ziel, den Han­del mit nicht­kon­for­men Pro­duk­ten auf dem Markt der EU wei­ter einzudämmen.

Ein­heit­li­che Vor­ga­ben für Produktrückrufe

Der euro­päi­sche Gesetz­ge­ber setzt sich das wei­te­re Ziel, die Teil­nah­me an Rück­ruf­maß­nah­men auch für Ver­brau­cher attrak­ti­ver zu gestal­ten, und setzt zukünf­tig auf eine stan­dar­di­sier­te Vorgehensweise.

Nach unse­rer Ein­schät­zung ver­kennt der Gesetz­ge­ber hier, dass sich für die jewei­li­gen Pro­dukt­ty­pen schon Best-Practice-Vorgehen für Rück­ru­fe eta­bliert haben. Die Stan­dar­di­sie­rung von Gefahr­ab­wen­dungs­maß­nah­men für jede Art von Pro­dukt und jede Art von Risi­ko ist jedoch nicht geeig­net, Maß­nah­men effek­tiv zu gestal­ten, son­dern im Zwei­fel mit der Kano­ne auf Spat­zen zu schie­ßen und weit über das hin­aus­zu­ge­hen, was auch ver­wal­tungs­recht­lich unter dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ver­langt wer­den kann.

Zudem sol­len Her­stel­ler bei Rück­ruf­ak­tio­nen auf gespei­cher­te Kun­den­da­ten zurück­grei­fen kön­nen und Ver­brau­cher im Zuge eines Rück­rufs auch über die­se Kanä­le benach­rich­ti­gen, und zwar eben­falls ohne schuld­haf­tes Zögern („wit­hout undue delay“). Zudem sind Her­stel­ler ver­pflich­tet, wei­te­re Kanä­le für eine War­nung oder die Mit­tei­lung eines Rück­rufs – wie zum Bei­spiel die unter­neh­mens­ei­ge­ne Web­site oder sozia­le Medi­en – zu nut­zen. Zudem soll es Her­stel­lern ver­bo­ten sein, ver­harm­lo­sen­de Begrif­fe wie „frei­wil­lig“, „vor­sorg­lich“ oder auch „in seltenen/spezifischen Fäl­len“ zu ver­wen­den, da die­se Begriff­lich­kei­ten geeig­net sei­en, den Ver­brau­cher über die Dring­lich­keit einer Maß­nah­me ins Irre zu füh­ren. Die­se Logik ist nicht neu, son­dern fin­det sich bereits einem Report der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on zu koor­di­nier­ten Akti­vi­tä­ten die Pro­dukt­si­cher­heit betref­fend (CASP) aus dem Jahr 2021 zur effek­ti­ven Gestal­tung von Rückrufen.

Fer­ner muss der Her­stel­ler den betrof­fe­nen Ver­brau­chern min­des­tens zwei wirk­sa­me, kos­ten­freie und zeit­na­he Abhil­fe­maß­nah­men anbie­ten. Wel­che Art der Abhil­fe­maß­nah­me dies zu sein hat, wird vom euro­päi­schen Gesetz­ge­ber eben­falls vor­ge­ge­ben: die Repa­ra­tur, der Ersatz des zurück­ge­ru­fe­nen Pro­dukts oder auch die Erstat­tung des Wer­tes des zurück­ge­ru­fe­nen Pro­dukts. Dabei gibt die Ver­ord­nung vor, dass der zu erstat­ten­de Betrag min­des­tens dem vom Ver­brau­cher gezahl­ten Preis ent­spre­chen soll. Die­se Vor­ga­ben, die einen Anreiz für Ver­brau­cher schaf­fen sol­len, sich an einem Rück­ruf zu betei­li­gen und zur Effek­ti­vi­tät des­sel­ben bei­zu­tra­gen, kon­kur­rie­ren jedoch ekla­tant mit natio­nal gel­ten­dem Gewähr­leis­tungs­recht und sind – jeden­falls aus Sicht natio­nal deut­scher Gesetzes- und Recht­spre­chungs­la­ge – nicht mit die­sem in Ein­klang zu bringen.

Fazit

Mit dem Vor­schlag des EU-Rats zur neu­en EU-Produktsicherheitsverordnung vom Dezem­ber 2022 ver­fes­tigt sich die Rich­tung, die das neue euro­päi­sche Pro­dukt­si­cher­heits­recht ein­schlägt. Es wird nun Zeit, dass sich Unter­neh­men über die neu­en, wohl kom­men­den Ver­pflich­tun­gen bewusst wer­den und sich ent­spre­chend vor­be­rei­ten. Im Gegen­satz zur der­zeit noch gül­ti­gen Pro­dukt­si­cher­heits­richt­li­nie (Richt­li­nie 2001/95/EG), die als sol­che eines Trans­for­ma­ti­ons­ge­set­zes in das natio­na­le Recht bedurf­te, müs­sen alle Wirt­schafts­ak­teu­re die Vor­schrif­ten der zukünf­ti­gen Pro­dukt­si­cher­heits­ver­ord­nung als gel­ten­des Recht unmit­tel­bar anwen­den. Mit einer end­gül­ti­gen und ver­ab­schie­de­ten Fas­sung durch das EU-Parlament und noch­mals durch den EU-Rat ist wohl bereits im zwei­ten Quar­tal 2023 mit einer Umset­zungs­frist für die Wirt­schafts­ak­teu­re von 18 Mona­ten zu rechnen.

Der­zeit besteht aus unse­rer Sicht noch erheb­li­cher Anpas­sungs­be­darf. Wir wer­den über die wei­te­ren Ent­wick­lun­gen berichten.

zurück

Bleiben Sie
up to date

Wir verwenden Ihre E-Mail-Adresse ausschließlich für den Versand unseres Newsletters. Sie können Ihre Einwilligung hierfür jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung.