Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der MDR und IVDR
Erklärte Ziele der bereits 2017 in Kraft getretenen Neufassung des Rechtsrahmens für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika in Form der europäischen Medizinprodukteverordnung MDR und In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR) stellten insbesondere die Verbesserung der Patientensicherheit und die Förderung innovativer Produkte dar. Mit den deutlich strengeren Anforderungen an Wirtschaftsakteure einerseits und Produkte andererseits, der Notwendigkeit der Akkreditierung Benannter Stellen auf die neuen Verordnungen, die nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind, und dem zusätzlich geforderten Dokumentationsaufwand scheint das Gegenteil eingetreten zu sein. Insbesondere „Nischen“-Produkte, gerade auch für die Kindermedizin erforderliche, werden nicht mehr hergestellt, weil die gestiegenen Anforderungen die Fortsetzung der Produktion kleiner Stückzahlen nicht mehr rentabel machen. Bestandsprodukte können nicht weiter in Verkehr gebracht werden, weil „alte“ Zertifikate Benannter Stellen absehbar nicht (rechtzeitig) erneuert werden können. Neue, innovative Produkte scheitern an der Time-to-Market-„Distanz“, die sich aus längeren Konformitätsbewertungsverfahren und den damit verbundenen Kosten ergibt. Die Belastung der Branche im Zusammenhang mit der Corona Pandemie hat die ungünstige Gemengelage weiter negativ beeinflusst. Es bestand und besteht somit das Risiko für Engpässe bei lebensnotwendigen und neuen Medizinprodukten, wodurch weder die Patientensicherheit erhöht noch Produktinnovationen gefördert werden.
Um diesen Missständen zu begegnen, sieht der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung von MDR und IVDR daher Folgendes vor:
1. Verlängerung der Übergangsfristen
Für Medizinprodukte, für die vor dem 26. Mai 2021 eine Bescheinigung oder eine Konformitätserklärung ausgestellt wurde, wird die Übergangsfrist zu den neuen Vorschriften vom 26. Mai 2024 bis zum 31. Dezember 2027 für Produkte mit höherem Risiko (Klasse III und implantierbare Produkte der Klasse IIb mit Ausnahme bestimmter Produkte, für die die MDR Ausnahmen vorsieht) und bis zum 31. Dezember 2028 für Produkte mit mittlerem und geringerem Risiko (Produkte der Klasse IIb und Produkte der Klasse IIa, der Klassen Im, Is und Ir) verlängert. Für implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III wird eine Übergangsfrist bis zum 26. Mai 2026 eingeführt, um den Herstellern mehr Zeit für die Zertifizierung durch eine Benannte Stelle zu geben.
- Klasse III und IIb Implantate > neue Frist 31. Dezember 2027
- Klasse IIb und niedriger > neue Frist 31. Dezember 2028
- Klasse III Sonderanfertigungen > neue Frist 26. Mai 2026
Aber: Die Verlängerung ist an bestimmte Bedingungen geknüpft, sodass nur Produkte, die sicher sind und für die die Hersteller bereits Schritte zur Umstellung auf die Vorschriften der Medizinprodukteverordnung unternommen haben, von der zusätzlichen Zeit profitieren.
2. Verzicht auf „Abverkaufsdatum“
Die Kommission schlägt außerdem vor, das derzeit in Art. 120 Abs. 4 MDR und Art. 110 Abs. 4 IVDR vorgesehene „Abverkaufsdatum“ abzuschaffen. Es handelt sich hierbei um das Enddatum, nach dem Produkte, die bereits in Verkehr gebracht wurden und weiterhin zum Kauf angeboten werden, zurückgezogen werden sollten. Durch die Abschaffung dieses Stichtags soll nunmehr sichergestellt werden, dass sichere und unverzichtbare Medizinprodukte, die bereits auf dem Markt sind, den Gesundheitssystemen und den bedürftigen Patienten weiterhin zur Verfügung stehen.
Fazit
Der Vorschlag zu den Änderungen muss vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen werden. Hierzu ist ein beschleunigtes Mitentscheidungsverfahren vorgesehen.
Die vorgeschlagenen Änderungen sind sinnvoll und können zu einer „Entspannung“ für die Hersteller führen, die von längeren Fristen für die MDR-/IVDR-Compliance ihrer Produkte profitieren, sowie zur Vermeidung von Engpässen bei der Medizinprodukteversorgung beitragen. Gleichzeitig bedeuten die Änderungen keinen Freibrief! Die Hersteller müssen im Einzelfall prüfen, ob die längeren Übergangsfristen tatsächlich auf das jeweilige Produkt angewandt werden dürfen, und weiterhin daran arbeiten, schnellstmöglich MDR-/IVDR-Compliance zu erreichen.
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