Bei Kaufverträgen hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben und das Eigentum zu verschaffen. Verletzt die Sache das Patent eines Dritten, ist darin grundsätzlich ein Rechtsmangel zu sehen. In der Folge kann der Käufer gegebenenfalls Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer geltend machen. Nichts anderes gilt dem Grundsatz nach auch bei Werkverträgen (z.B. Entwicklungsaufträgen), für die die nachstehenden Ausführungen ebenfalls zutreffen.
Abhängig von der Branche und der Art der Produkte kann der technische Fortschritt so rasch voranschreiten, dass kurzfristig neue Patentanmeldungen von Wettbewerbern nicht auszuschließen sind. In solchen Fällen besteht das Risiko, dass das eigene Produkt in der Zukunft ein Patent verletzt, dessen Anmeldung zum Zeitpunkt der Lieferung des eigenen Produkts zwar schon vorlag, aber für den Verkäufer trotz Patentrecherche nicht einsehbar war. In der Praxis kann es dadurch dazu kommen, dass der Verkäufer und der Käufer sich über die Verantwortung und Haftung streiten, wenn es anschließend zu der Erteilung eines Patents für einen Dritten kommt und dieses Patent verletzt wird.
Hintergrund
Wenn ein Patent beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldet wird, bleibt diese Anmeldung zunächst geheim. Dies gilt so lange, bis entweder das Patent erteilt und veröffentlicht wird oder aber 18 Monate seit dem Anmeldetag vergangen sind (vgl. Art. 93 Abs. 1 EPÜ bzw. § 31 Abs. 2 PatG). In letzterem Fall wird die Patentanmeldung nach Ablauf der 18 Monate veröffentlicht und ist für jedermann frei einsehbar. In der Zeit zwischen der Patentanmeldung und deren Veröffentlichung kann ein Verkäufer eines Produkts selbst bei einer ausführlichen Patentrecherche keine Kenntnis über eine Patentanmeldung und deren Inhalt erlangen. Es ist für den Verkäufer daher nur schwer möglich, sein Produkt so zu gestalten, dass dieses nicht auch gegen noch unveröffentlichte Patentanmeldungen verstößt.
Stellt die Verletzung unveröffentlichter Patentanmeldungen einen Rechtsmangel dar?
In Rechtsprechung und Literatur ist bislang nicht geklärt, ob die Verletzung von unveröffentlichten Patentanmeldungen, die später zur Patenterteilung führen, einen Rechtsmangel darstellt.
Gegen die Annahme eines Rechtsmangels spricht, dass bei einer noch unveröffentlichten Patentanmeldung weder die Schutzwirkungen des Patentes noch ein Entschädigungsanspruch des Patentanmelders bestehen und der Verkäufer bis zum Gefahrenübergang auch keine Kenntnis über eine Verletzung haben kann.
Allerdings existiert Rechtsprechung zum Kaufvertragsrecht, wonach ein Rechtsmangel durch nach Gefahrenübergang wirksam werdende Rechte Dritter besteht, wenn diese in Sachverhalten wurzeln, die bereits bei Gefahrenübergang vorhanden waren (u.a. BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15). Bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vorliegende Patentanmeldungen können als solcher Sachverhalt eingestuft werden. Wenn es in der Folge zu einer Patentanmeldung kommt, spricht hierdurch einiges dafür, dass die Verletzung eines im Anschluss erteilten Patents einen Rechtsmangel darstellt.
Das bürdet dem Verkäufer ein erhebliches Risiko auf, das sich zumindest damit erklären lässt, dass der Verkäufer im Gegensatz zum Käufer die eigenen Produkte und Wettbewerber besser einschätzen kann und gegebenenfalls selbst die Möglichkeit hat, ein Patent anzumelden oder zumindest die Voraussetzungen für ein Vorbenutzungsrecht zu schaffen (§ 12 Abs. 1 PatG).
Konsequenzen
Die mit einem solchen Risiko drohenden Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche können zumindest gegenüber dem Käufer vermieden werden, indem die Verteilung der Verantwortung und Haftung für die Verletzung von unveröffentlichten Patentanmeldungen vertraglich geregelt wird. Geht es im Übrigen um eine Verletzung von unveröffentlichten Patentanmeldungen, die auf Vorgaben des Käufers beruhen (z.B. nach der Spezifikation des Käufers gefertigte Produkte), so gilt zumindest bei Werkverträgen, dass hierfür die Haftung des Verkäufers gemäß § 645 BGB ausgeschlossen sein kann. Nach der Rechtsprechung des LG Stuttgart kann dieser Grundsatz auch auf Kauf- und Werklieferungsverträge übertragen werden.
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