Coro­na: Update zu wirt­schafts­re­le­van­ten Gerichtsentscheidungen

In den ver­gan­ge­nen Wochen haben alle Bun­des­län­der mit All­ge­mein­ver­fü­gun­gen oder Ver­ord­nun­gen auch gegen­über der Wirt­schaft umfas­sen­de Regeln zur Ein­däm­mung des Corona-Virus erlas­sen. Wie unser Über­blick über wesent­li­che Gerichts­ent­schei­dun­gen in den ver­gan­ge­nen Wochen zeigt, ist damit nicht jedes Unter­neh­men ein­ver­stan­den, teil­wei­se bestehen aber auch Unklarheiten.

Die Zahl an Neu­in­fek­tio­nen mit dem Corona-Virus zu mini­mie­ren, um unser Gesund­heits­sys­tem vor einer Über­las­tung zu schüt­zen, hat poli­tisch der­zeit höchs­te Prio­ri­tät. Um die­sen „Flat­ten the curve“-Effekt zu errei­chen, ist nach Ansicht von medi­zi­ni­schen Exper­ten eine Mini­mie­rung der sozia­len Kon­tak­te not­wen­dig. Die­se wird aktu­ell mit einer Viel­zahl von All­ge­mein­ver­fü­gun­gen und Ver­ord­nun­gen von den Bun­des­län­dern durch­ge­setzt. Betrof­fen davon ist nicht nur das Pri­vat­le­ben aller Bür­ger, son­dern auch die Wirt­schaft. Hier trifft es neben dem Ein­zel­han­del vor allem auch die Gas­tro­no­mie auf­grund von Betriebs­un­ter­sa­gun­gen beson­ders hart. Doch auch dar­über hin­aus sind Unter­neh­men, etwa mit Blick auf Haupt­ver­samm­lun­gen, betroffen.

In der ers­ten Ent­schei­dung unse­rer Über­sicht hat das Ver­wal­tungs­ge­richt (VG) Min­den mit Beschluss vom 27. März 2020 (Az. 7 L 246/20) fest­ge­stellt, dass die Anord­nung zur Schlie­ßung eines Eis­ca­fés zwar über die in NRW gel­ten­de Corona-Verordnung hin­aus­geht, aber den­noch – zumin­dest bei sum­ma­ri­scher Prü­fung im Eil­ver­fah­ren – recht­mä­ßig ist. Als wesent­li­che Argu­men­te führt das VG an, dass es, selbst bei einem The­ken­ver­kauf, zu einer durch das früh­lings­haf­te Wet­ter beding­ten Ansamm­lung vor dem Eis­ca­fé kom­men kön­ne, die einer Ver­hin­de­rung von Neu­in­fek­tio­nen zuwi­der­lau­fe. Dar­über hin­aus sei­en Eis­krea­tio­nen und Kaf­fee­spe­zia­li­tä­ten „ver­zicht­ba­re Genuss­mit­tel“. Daher lie­ge auch kein Ver­stoß gegen das Gleich­be­hand­lungs­ver­bot im Ver­gleich zu ande­ren Gas­tro­no­mie­be­trie­ben vor.

In eine ähn­li­che Rich­tung argu­men­tiert auch der baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof (VHG) in einem Beschluss vom 30. März 2020 (Az. 20 CS 20.611). In die­sem Fall hat­te sich ein Inha­ber des Ein­zel­han­dels­ge­schäfts unter ande­rem auf eine Ungleich­be­hand­lung im Ver­gleich zu ande­ren Betrie­ben, die nicht im Ein­zel­han­del tätig sind, beru­fen. Der VGH Bay­ern sieht hier­in jedoch kei­ne Ungleich­be­hand­lung, da es dem Antrag­stel­ler unbe­nom­men ist, sein Laden­ge­schäft auch ohne Kun­den­kon­takt bei­spiels­wei­se durch eine Umstel­lung auf den Online­han­del oder die Aus­lie­fe­rung tele­fo­ni­scher Bestel­lun­gen zu nut­zen. Eine Nut­zung der Geschäfts­räu­me für inter­ne Arbeits­ab­läu­fe sei zulässig.

Zur Schlie­ßung von Fitness‑, Sport- und Frei­zeit­stät­ten hat das VG Ham­burg mit Beschluss vom 27.03.2020 (Az. 14 E 1428/20) ent­schie­den. Antrag­stel­le­rin im Wege des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes war die Betrei­be­rin eines Tram­po­lin­parks. Sie hat­te unter ande­rem gel­tend gemacht, dass eine Redu­zie­rung der Kun­den­zahl sowie ver­stärk­te Hygie­ne­maß­nah­men zur Abwehr der Gefah­ren durch das Corona-Virus aus­rei­chend sei­en und es einer Betriebs­un­ter­sa­gung nicht bedür­fe. Das Gericht teilt die­se Argu­men­ta­ti­on nicht, son­dern stellt dar­auf ab, dass die Öff­nung des Tram­po­lin­parks – unab­hän­gig von der Besu­cher­zahl – dazu füh­re, dass sich Men­schen in der Öffent­lich­keit bewe­gen, und die getrof­fe­nen Maß­nah­men der Antrag­stel­le­rin nicht die glei­che Schutz­wir­kung ent­fal­ten dürf­ten wie eine Schließung.

Eine Absa­ge erteilt das VG Frank­furt mit Beschluss vom 26. März 2020 (Az. 5 L 744/20.F) dem Ansin­nen eines Antrag­stel­lers, eine für den 20. Mai 2020 ange­setz­te Haupt­ver­samm­lung durch eine ord­nungs­be­hörd­li­che Ver­fü­gung zu unter­sa­gen. Der Antrag­stel­ler hat­te sich dar­auf beru­fen, dass die Haupt­ver­samm­lung wegen der Corona-Pandemie nicht durch­führ­bar sei. Das Gericht ver­weist jedoch dar­auf, dass schon nicht glaub­haft vor­ge­tra­gen sei, dass die Akti­en­ge­sell­schaft an die­sem Ter­min fest­hal­ten wol­le. Dar­über hin­aus lie­ge ein Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vor, der wesent­li­che Erleich­te­run­gen bei der Durch­füh­rung der Haupt­ver­samm­lung, z. B. im Wege einer Online-Versammlung, vor­se­he (Hin­weis der Ver­fas­ser: Der Ent­wurf wur­de zwi­schen­zeit­lich ver­ab­schie­det).

Mit Beschluss vom 20. März 2020 (Az. M 26 S 20.1222) hat das VG Mün­chen eben­falls zur Schlie­ßung von Ein­zel­han­dels­be­trie­ben ent­schie­den. Antrag­stel­ler war der Betrei­ber eines Juwe­lier­ge­schäfts. Er mach­te unter ande­rem gel­tend, dass er der­zeit jeweils nur einen Kun­den in sei­nen Laden las­se und in sei­nem Laden allein tätig sei. Eine Ansamm­lung von Men­schen kön­ne daher nicht ent­ste­hen und der Schutz vor einer Infek­ti­on sei sicher­ge­stellt. Das Gericht erkennt im Vor­schlag des Antrags­stel­lers zu den Schutz­maß­nah­men zunächst immer­hin geeig­ne­te Maß­nah­men, um eine unkon­trol­lier­te Ver­brei­tung der Infek­ti­on unter Kun­den zu ver­hin­dern. Sodann ver­weist es aber dar­auf, dass die Poli­zei die Ein­hal­tung der­ar­ti­ger Maß­nah­men im flä­chen­de­cken­den Voll­zug kaum über­wa­chen kön­ne und gera­de bei grö­ße­ren Geschäf­ten die Gefahr bestehe, dass es vor der Tür zu einer Men­schen­an­samm­lung käme. Im Ergeb­nis lehnt das Gericht den Antrag daher ab.

Eben­falls am 20. März 2020 ent­schied das VG Mün­chen durch Beschluss (Az. M 26 E 20.1209) auch in einer ande­ren Sache. In die­sem Fall hat­te der Betrei­ber drei­er Laden­ge­schäf­te für Schu­he, Tex­ti­li­en und Geschenk­ar­ti­kel unter ande­rem gel­tend gemacht, dass Ein­zel­händ­ler im Hin­blick auf ande­re Bran­chen, bei­spiels­wei­se Hand­wer­ker oder den Online- und Ver­sand­han­del, benach­tei­ligt sei­en, obwohl dort die Infek­ti­ons­ge­fahr gleich oder sogar grö­ßer sei. Das VG Mün­chen teilt die­se Argu­men­ta­ti­on nicht und stellt in sei­ner Ent­schei­dung zunächst dar­auf ab, dass ins­be­son­de­re im Ein­zel­han­del Men­schen typi­scher­wei­se per­sön­lich zusam­men­kom­men und daher grund­sätz­lich eine Gefahr bestehe. Die Emp­feh­lung zur Ein­hal­tung von Hygie­ne­maß­nah­men sei zwar mög­li­cher­wei­se eben­falls geeig­net, das Virus ein­zu­däm­men, sei aber kaum zu kon­trol­lie­ren. Schließ­lich hält das VG Mün­chen auch die Dif­fe­ren­zie­rung des Gesetz­ge­bers zwi­schen den ein­zel­nen Betrie­ben für recht­mä­ßig. Dienst­leis­tun­gen sei­en auf­grund der Viel­fäl­tig­keit ihrer Art und Zweck­weck­be­stim­mung und damit auch ihres Risi­ko­po­ten­zi­als bezüg­lich einer Infek­ti­on zu unter­schied­lich, als dass eine Rege­lung mit­tels All­ge­mein­ver­fü­gung konkret-generell mög­lich sei. Im Online­han­del lie­ge schon das vom Antrag­stel­ler behaup­te­te ver­gleich­ba­re Risi­ko nicht vor.

Über Rechts­mit­tel, die sich gegen Betriebs­un­ter­sa­gun­gen direkt rich­ten, zeigt der Beschluss des VG Bre­men vom 3. April 2020 (Az. 5 V 604/20), dass auf­grund der vie­len neu­en Rege­lun­gen auch für die Wirt­schaft Unklar­hei­ten bestehen. Hier hat­te ein Fach­markt für Flie­sen, dem der Betrieb vom Ord­nungs­amt unter Beru­fung auf eine All­ge­mein­ver­fü­gung unter­sagt wor­den war, Rechts­mit­tel ein­ge­legt. Der Flie­sen­markt mach­te dabei gel­tend, dass er als „Bau­markt“ unter eine ent­spre­chen­de Aus­nah­me der All­ge­mein­ver­fü­gung fal­le. Die­ser Argu­men­ta­ti­on folg­te das VG Bre­men jedoch nicht. Ein Bau­markt unter­schei­de sich von einem Fach­händ­ler dadurch, dass er mit einer Sor­ti­ments­brei­te zur Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung wesent­lich bei­tra­ge. Die Ungleich­be­hand­lung von Bau- und Fach­märk­ten sei dem­nach zuläs­sig, da Bau­märk­te zwin­gend not­wen­dig sind, um „anfal­len­de, unauf­schieb­ba­re Repa­ra­tu­ren“ vor­neh­men zu können.

Ins­ge­samt lässt sich anhand der vor­ge­stell­ten Ent­schei­dun­gen able­sen, dass recht­li­che Schrit­te gegen die Maß­nah­men bis­her wenig Erfolg ver­spre­chen. Die Gerich­te ver­wei­sen im Rah­men der bei Eil­ent­schei­dun­gen not­wen­di­gen Inter­es­sen­ab­wä­gung in der Regel auf die über­ra­gen­de Gefähr­lich­keit des Corona-Virus und über­las­sen eine etwa­ige Klä­rung wei­te­rer Rechts­fra­gen dem Haupt­sa­che­ver­fah­ren. Gleich­zei­tig zeigt sich auch, dass die bestehen­den recht­li­chen Rege­lun­gen oft unklar sind oder erheb­li­che Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­räu­me zulas­sen, die geschlos­sen wer­den müs­sen. Gera­de in Grenz­fäl­len, wie z. B. der Fra­ge, ob ein Fach­markt oder ein Bau­markt vor­liegt, kann hier neben einer Nach­fra­ge bei den zustän­di­gen Behör­den die Hin­zu­zie­hung anwalt­li­cher Bera­tung sinn­voll sein.

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