KI-basierte Medi­zin­pro­duk­te: MDR ver­sus KI-VO

Die Inte­gra­ti­on künst­li­cher Intel­li­genz (KI) ist bei einem brei­ten Spek­trum von Medi­zin­pro­duk­ten inzwi­schen ein Must-have. KI unter­stützt bei der Dia­gnos­tik und bie­tet medi­zi­ni­schen Fach­kreis­zu­ge­hö­ri­gen Ent­schei­dungs­hil­fen für The­ra­pien und Medi­ka­men­ta­ti­on an. Medi­zi­ni­sche Apps erlan­gen oft­mals erst durch den Ein­satz von KI vol­le Funktionalität.

Für die Her­stel­ler von KI-basierten Medi­zin­pro­duk­ten stellt sich die Fra­ge, wel­chen regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen ihre Medi­zin­pro­duk­te ent­spre­chen müs­sen, wenn sie KI ein­set­zen möch­ten, und wie die Regel­wer­ke Ver­ord­nung (EU) 2017/745 über Medi­zin­pro­duk­te (MDR) und Ver­ord­nung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) in Ver­bin­dung mit der künf­ti­gen euro­päi­sche Ver­ord­nung zur Fest­le­gung har­mo­ni­sier­ter Vor­schrif­ten für künst­li­che Intel­li­genz (KI-VO), der­zeit vor­lie­gend als fina­ler Ent­wurf (KI-VO‑E), anzu­wen­den sind.

Kei­ne kla­re Definition

Weder MDR noch IVDR beinhal­ten eine Defi­ni­ti­on des Begriffs „künst­li­che Intel­li­genz“ bzw „KI“. Auch eine kla­re Defi­ni­ti­on des Begriffs „Soft­ware“ fin­det sich nicht. Grund­sätz­lich stellt Soft­ware gemäß MDR und IVDR aber ein Medi­zin­pro­dukt oder IVD dar, wenn sie vom Her­stel­ler dazu bestimmt ist, einen spe­zi­fi­schen medi­zi­ni­schen Zweck zu erfüllen.

Der KI-VO‑E defi­niert dage­gen den Begriff des „Sys­tems der künst­li­chen Intel­li­genz“, kurz „KI-System“, als „eine Soft­ware, die mit einer oder meh­re­ren der in Anhang I [des KI-VO‑E ] auf­ge­führ­ten Tech­ni­ken und Kon­zep­te ent­wi­ckelt wor­den ist und im Hin­blick auf eine Rei­he von Zie­len, die vom Men­schen fest­ge­legt wer­den, Ergeb­nis­se wie Inhal­te, Vor­her­sa­gen, Emp­feh­lun­gen oder Ent­schei­dun­gen her­vor­brin­gen kann, die das Umfeld beein­flus­sen, mit dem sie inter­agie­ren“. Anhang I des KI-VO‑E beschreibt wie­der­um Tech­ni­ken und Kon­zep­te der KI, ins­be­son­de­re Kon­zep­te des maschi­nel­len Ler­nens ein­schließ­lich des Deep Lear­nings, logik- und wis­sens­ge­stütz­te Kon­zep­te sowie sta­tis­ti­sche Ansät­ze und Schätz‑, Such- und Optimierungsmethoden

Schnitt­men­ge: KI-basierte Medi­zin­pro­duk­te als Hochrisiko-KI-Systeme

Über­schnei­dun­gen der Regel­wer­ke erge­ben sich bei Vor­lie­gen KI-basierter Medi­zin­pro­duk­te, also für Soft­ware, die nach der Bestim­mung des Her­stel­lers der Erfül­lung eines medi­zi­ni­schen Zwecks dient und mit einem der in Anhang I des KI-VO‑E bezeich­ne­ten Kon­zep­te und Tech­ni­ken ent­wi­ckelt wur­de, um bestimm­te Ergeb­nis­se zu erzie­len. Im Hin­blick auf KI-basierte Medi­zin­pro­duk­te sind grund­sätz­lich sowohl MDR bzw. IVDR und KI-VO von Rele­vanz, zumal eine Viel­zahl KI-basierter Medi­zin­pro­duk­te im Sin­ne der MDR/IVDR gleich­zei­tig als soge­nann­te „Hochrisiko-KI-Systeme“ im Sin­ne der KI-VO zu qua­li­fi­zie­ren sein werden:

Als  „Hochrisiko-KI-Systeme“ gel­ten nach Art. 6 Abs. 1 KI-VO‑E KI-Systeme, die selbst als Pro­dukt unter eine im Anhang II der KI-VO auf­ge­führ­te Har­mo­ni­sie­rungs­rechts­vor­schrift fal­len oder die eine „Sicher­heits­kom­po­nen­te“ eines Pro­dukts dar­stel­len, das sei­ner­seits unter den Gel­tungs­be­reich eines in Anhang II genann­ten Regel­wer­kes fällt. Vor­aus­set­zung ist zudem, dass im jewei­li­gen Fall nach den dort genann­ten Vor­schrif­ten eine „Kon­for­mi­täts­be­wer­tung durch Drit­te“ vor­ge­ge­ben ist. MDR und IVDR sind von Anhang II erfass­te Har­mo­ni­sie­rungs­rechts­vor­schrif­ten. Han­delt es sich also um ein KI-basiertes Medi­zin­pro­dukt, das nach Regel 11 der Risi­koklas­se IIa oder höher zuzu­ord­nen ist, und ist der Ein­be­zug einer Benann­ten Stel­le ins Kon­for­mi­täts­be­wer­tungs­ver­fah­ren zwin­gend, stellt das KI-basierte Medi­zin­pro­dukt bzw. die Soft­ware als Medi­zin­pro­dukt gleich­zei­tig auch ein Hochrisiko-KI-System im Sin­ne des KI-VO‑E dar.

Beson­de­re regu­la­to­ri­sche Anfor­de­run­gen an Hochrisiko-KI-Systeme

Der KI-VO‑E beschreibt eine Fül­le regu­la­to­ri­scher Anfor­de­run­gen, die sowohl von Her­stel­lern KI-basierter Medi­zin­pro­duk­te als auch Anbie­tern und Nut­zern sowie Ein­füh­rern, Händ­lern und Bevoll­mäch­tig­ten zu erfül­len sein wer­den. So beinhal­tet Kapi­tel 2 des KI-VO‑E unter ande­rem wesent­li­che Vor­aus­set­zun­gen hinsichtlich

  • Risi­ko­ma­nage­ment,
  • Daten-Governance,
  • tech­ni­scher Doku­men­ta­ti­on und Aufzeichnungspflichten,
  • Trans­pa­renz und Bereit­stel­lung von Infor­ma­tio­nen für die Nutzer,
  • Genau­ig­keit, Robust­heit und Cyber­si­cher­heit für Hochrisiko-KI-Systeme.

Auf­fäl­lig ist dabei, dass auch MDR und IVDR bereits detail­lier­te Anfor­de­run­gen zu den meis­ten die­ser Aspek­te vor­se­hen. Das Auf­recht­erhal­ten einer Tech­ni­schen Doku­men­ta­ti­on oder die Imple­men­tie­rung eines Qualitäts- bzw. Risi­ko­ma­nage­ment­sys­tems sind nicht neu. Jedoch gilt es, um als Her­stel­ler eines KI-basierten Medi­zin­pro­dukts auch den Anfor­de­run­gen der künf­ti­gen KI-VO zu ent­spre­chen, die beson­de­ren Aspek­te zur Qua­li­täts­si­che­rung der KI-Komponente oder zur Eva­lua­ti­on des spe­zi­fi­schen Risi­ko­po­ten­zi­als im Rah­men der Kon­for­mi­täts­be­wer­tung „mit­zu­den­ken“ und von der Ent­wick­lung über die Her­stel­lung und Produkt-/Nutzerinformation bis zur Pro­dukt­be­ob­ach­tung einzubeziehen.

Hand­lungs­emp­feh­lung für Her­stel­ler KI-basierter Medizinprodukte

  • Stel­len Sie sicher, dass die ver­wen­de­te KI-Technologie den Anfor­de­run­gen von MDR bzw. IVDR an Soft­ware entspricht.
  • Infor­mie­ren Sie sich über die Anfor­de­run­gen der KI-VO an Hochrisiko-KI-Systeme, die über die Anfor­de­run­gen von MDR und IVDR hinausgehen.
  • Füh­ren Sie umfas­sen­de Risi­ko­ana­ly­sen durch, um sicher­zu­stel­len, dass die Ver­wen­dung von KI in Ihren Medi­zin­pro­duk­ten sicher ist und kei­ne uner­wünsch­ten Aus­wir­kun­gen hat.
  • Ergän­zen Sie die tech­ni­sche Doku­men­ta­ti­on um Aus­füh­run­gen zur Ver­wen­dung von KI in Ihren Medi­zin­pro­duk­ten, ein­schließ­lich der genau­en Art der ver­wen­de­ten Tech­no­lo­gie und ihrer Leistungsmerkmale.
  • Arbei­ten Sie eng mit akkre­di­tier­ten Benann­ten bzw. noti­fi­zier­ten Stel­len zusam­men, die über die Exper­ti­se ver­fü­gen, die Kon­for­mi­täts­be­wer­tung KI-basierter Medi­zin­pro­duk­te zu begleiten.
  • Blei­ben Sie auf dem Lau­fen­den über die neu­es­ten Ent­wick­lun­gen in Bezug auf KI und Medi­zin­pro­duk­te – ins­be­son­de­re auch hin­sicht­lich der Ent­wick­lung des Haf­tungs­re­gimes – und pas­sen Sie Ihre Pro­duk­te und Pro­zes­se ent­spre­chend an.
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