Legal Inci­dent Respon­se: Cyber­an­grif­fe aus recht­li­cher Sicht

Auch im Jahr 2021 müs­sen sich Unter­neh­men zahl­rei­chen Gefah­ren für die eige­ne Cyber­si­cher­heit stel­len, die sich aus der fort­schrei­ten­den Digi­ta­li­sie­rung der Wirt­schaft erge­ben. Neben der Prä­ven­ti­on gewinnt dabei zuneh­mend auch die Detek­ti­on und vor allem die Reak­ti­on auf Cyber­an­grif­fe an Bedeu­tung. Im Gegen­satz zu prä­ven­ti­ven Maß­nah­men, die in dem Blu­men­strauß an gesetz­li­chen Vor­ga­ben zur Cyber­si­cher­heit eher vage gehal­ten sind und eine indi­vi­du­el­le Ana­ly­se erfor­dern, exis­tie­ren bei Cyber­an­grif­fen teils sehr kla­re Rege­lun­gen. Ein Bei­spiel hier­für sind Daten­schutz­ver­let­zun­gen, die im Fol­gen­den als Bei­spiel die­nen sollen.

Unter einem Cyber­an­griff kann man aus tech­ni­scher Sicht einen IT-Sicherheitsvorfall, also die Beein­träch­ti­gung der Schutz­zie­le der IT-Sicherheit (Ver­trau­lich­keit, Inte­gri­tät und Ver­füg­bar­keit), durch einen bewusst han­deln­den Angrei­fer ver­ste­hen. Es han­delt sich aller­dings nicht um eine fest­ste­hen­de Defi­ni­ti­on oder gar einen juris­ti­schen Ter­mi­nus. Für die Betrach­tung der Rechts­fol­gen von Cyber­an­grif­fen ist es folg­lich erfor­der­lich, den unter dem Begriff “Cyber­an­griff” zusam­men­ge­fass­ten Lebens­sach­ver­halt im Ein­zel­fall unter die jewei­li­gen gesetz­li­chen Vor­ga­ben zu sub­su­mie­ren. Im Fall des Daten­schutz­rechts ist dies Art. 4 Nr. 12 DSGVO, der eine Legal­de­fi­ni­ti­on für den Begriff der Daten­schutz­ver­let­zung enthält.

Eine sol­che liegt dem­nach vor, wenn eine Ver­let­zung der Sicher­heit “zur Ver­nich­tung, zum Ver­lust oder zur Ver­än­de­rung, ob unbe­ab­sich­tigt oder unrecht­mä­ßig, oder zur unbe­fug­ten Offen­le­gung von bezie­hungs­wei­se zum unbe­fug­ten Zugang zu per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten führt”. Ein beson­ders rele­van­ter Aspekt der Defi­ni­ti­on ist, dass sich die Ver­let­zung der Sicher­heit auf per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten bezie­hen muss. Hat ein Cyber­an­griff kei­ne Aus­wir­kun­gen auf die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten, liegt folg­lich kei­ne Daten­schutz­ver­let­zung vor und die stren­gen Vor­ga­ben der DSGVO müs­sen nicht beach­tet wer­den. Umge­kehrt kann jedoch auch eine Daten­schutz­ver­let­zung vor­lie­gen, wenn der Cyber­an­griff gar nicht das eige­ne Unter­neh­men tan­giert, son­dern z.B. einen Auftragsverarbeiter.

Dar­über hin­aus kön­nen Daten­schutz­ver­let­zun­gen auch völ­lig unab­hän­gig von Cyber­an­grif­fen vor­lie­gen, z.B. bei abhan­den­ge­kom­me­nen Daten­trä­gern. Bei der Fra­ge, ob eine Daten­schutz­ver­let­zung vor­liegt, kann es – auch im Kon­text ande­rer gesetz­li­cher Vor­ga­ben – auf recht­li­che Fein­hei­ten ankom­men. Die­se machen es erfor­der­lich, Cyber­an­grif­fe stets auch einer genau­en recht­li­chen Ana­ly­se zu unterziehen.

Stellt ein Cyber­an­griff eine Daten­schutz­ver­let­zung dar, ist unab­hän­gig vom Risi­ko min­des­tens eine Doku­men­ta­ti­on nach Art. 33 Abs. 5 DSGVO erfor­der­lich. Die­se muss so umfas­send sein, dass mit ihr der Nach­weis mög­lich ist, dass die Daten­schutz­ver­let­zung nicht zu einem Risi­ko für die Rech­te und Frei­hei­ten natür­li­cher Per­so­nen geführt hat. Vor dem Hin­ter­grund, dass es zu einem spä­te­ren Zeit­punkt strei­tig sein kann, ob durch einen Cyber­an­griff eine Daten­schutz­ver­let­zung ein­ge­tre­ten ist, soll­ten daher auch Vor­fäl­le doku­men­tiert wer­den, bei denen ein Per­so­nen­be­zug aus­ge­schlos­sen wer­den kann.

Sind per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten betrof­fen und ein Risi­ko kann nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, muss nach Art. 33 Abs. 1 DSGVO eine Mel­dung an die jeweils zustän­di­ge Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­de erfol­gen. Die Mel­dung muss nach dem Zeit­punkt der Kennt­nis von der Daten­schutz­ver­let­zung durch den Ver­ant­wort­li­chen unver­züg­lich und mög­lichst bin­nen 72 Stun­den erfol­gen. Erfolgt eine Mel­dung spä­ter, ist hier­für eine Begrün­dung erfor­der­lich. Im Zwei­fels­fall soll­te eine Mel­dung daher eher früh­zei­tig erfol­gen und im Nach­gang ggfs. ergänzt wer­den, wenn neue Erkennt­nis­se zuta­ge tre­ten. Resul­tiert aus der Daten­schutz­ver­let­zung ein hohes Risi­ko, ist dar­über hin­aus der Betrof­fe­ne nach Art. 34 Abs. 1 DSGVO zu benachrichtigen.

Ver­stö­ße gegen die Dokumentations‑, Melde- und Benach­rich­ti­gungs­pflich­ten sind nach Art. 83 Abs. 4 Buch­sta­be a) DSGVO buß­geld­be­wehrt. Ist die Daten­schutz­ver­let­zung auf unzu­rei­chen­de tech­ni­sche oder orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men zurück­zu­füh­ren, kann auch ein Ver­stoß gegen Art. 32 Abs. 1 DSGVO vor­lie­gen, der eben­falls zu einem Buß­geld nach Art. 83 Abs. 4 Buch­sta­be a) DSGVO füh­ren kann. Dar­über hin­aus kön­nen Ver­stö­ße gegen die DSGVO nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus­lö­sen, wobei die Vor­aus­set­zun­gen im Ein­zel­nen und auch die Höhe des Scha­dens­er­sat­zes bis­her nicht abschlie­ßend geklärt sind. Gera­de bei hohen Buß­gel­dern oder Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen ist Ver­ant­wort­li­chen daher zu einer anwalt­li­chen Über­prü­fung zu raten. Eine Ent­schei­dung des LG Bonn vom 11.11.2020 (Az. 29 OWi 1/20), mit der das Gericht das Buß­geld des Bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten gegen die 1&1 AG von ca. 9,5 Mil­lio­nen Euro auf 900.000 redu­zier­te, zeigt exem­pla­risch, wie effek­tiv ein Vor­ge­hen gegen Buß­gel­der sein kein.

Gesetz­li­che Vor­ga­ben zum Umgang mit Cyber­an­grif­fen müs­sen bereits im Incident-Response-Prozess berück­sich­tigt wer­den. Wie am Bei­spiel des Daten­schutz­rechts ver­deut­licht, ist es erfor­der­lich, dass auf tech­ni­scher Ebe­ne die wesent­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für eine Doku­men­ta­ti­on der Daten­schutz­ver­let­zung geschaf­fen wer­den. Ins­be­son­de­re bei Incident-Response-Maßnahmen, die Spu­ren ver­nich­ten, ist daher Vor­sicht gebo­ten. Dar­über hin­aus muss in den IIncident-Response-Prozess die not­wen­di­ge Exper­ti­se zur Beur­tei­lung einer Melde- bzw. Benach­rich­ti­gungs­pflicht ein­flie­ßen. Da auch Detek­ti­ons­maß­nah­men, wie z.B. die Durch­sicht der E‑Mailpostfächer von Arbeit­neh­mern oder Zugrif­fe auf frem­de Sys­te­me, eine (datenschutz-)rechtliche Rele­vanz haben kön­nen, ist auch inso­weit eine juris­ti­sche Beur­tei­lung notwendig.

Unab­hän­gig von den recht­li­chen Anfor­de­run­gen an Inci­dent Respon­se kön­nen recht­li­che Maß­nah­men auch zur Gewähr­leis­tung bzw. Absi­che­rung der Pro­zes­se zur Bewäl­ti­gung von Cyber­an­grif­fen die­nen (Legal Inci­dent Respon­se). Mög­li­che Maß­nah­men kön­nen bei­spiels­wei­se in der Ertei­lung von schrift­li­chen Wei­sun­gen zum Not­fall­plan an die Mit­ar­bei­ter oder in der Sicher­stel­lung von Detek­ti­ons­mög­lich­kei­ten, z.B. durch ver­bind­li­che Rege­lun­gen zur pri­va­ten Nut­zung des unter­neh­mens­in­ter­nen Inter­net­zu­gangs oder von betrieb­li­chen E‑Mailpostfächern, bestehen. Auch der unter tech­ni­schen Gesichts­punk­ten beson­ders her­aus­for­dern­den Situa­ti­on, in der eine Daten­schutz­ver­let­zung nicht beim ver­ant­wort­li­chen Unter­neh­men selbst, son­dern bei einem Auf­trags­ver­ar­bei­ter ein­tritt, kann mit recht­li­chen Maß­nah­men begeg­net werden.

In Betracht kommt hier bei­spiels­wei­se eine Klau­sel zur Ein­be­zie­hung von exter­nen Exper­ten in die Auf­ar­bei­tung von Daten­schutz­ver­let­zun­gen, ver­trag­li­che Ver­pflich­tun­gen zur Beweis­si­che­rung oder auch die aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­gen und Mel­de­pro­zes­sen bei Vor­fäl­len. Durch letz­te­re kann ins­be­son­de­re auch dem pra­xis­re­le­van­ten Pro­blem, dass Auf­trags­ver­ar­bei­ter am Ver­ant­wort­li­chen vor­bei die Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­de infor­mie­ren, begeg­net wer­den.

Abschlie­ßend ist fest­zu­hal­ten, dass die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen für Cyber­si­cher­heit zuneh­men und, wie hier am Bei­spiel des Daten­schutz­rechts gezeigt, eine Kom­ple­xi­tät auf­wei­sen, die juris­ti­sche Fach­kennt­nis­se erfor­der­lich macht. Glei­ches gilt für den Auf­bau eines Manage­ment­sys­tems für die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen. Dar­über hin­aus soll­ten Unter­neh­men neben der Berück­sich­ti­gung der recht­li­chen Anfor­de­run­gen im Rah­men des Inci­dent Respon­se ver­stärkt auch eine Absi­che­rung der Pro­zes­se zur Bewäl­ti­gung von Cyber­an­grif­fen durch recht­li­che Maß­nah­men in Erwä­gung ziehen.

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