Hersteller von Medizinprodukten müssen seit dem 26. Mai 2021 die Anforderungen der MDR, Hersteller von In-vitro-Diagnostika seit dem 26. Mai 2022 die Vorgaben der IVDR beachten.
Produkte höherer Risikoklassen kommen derzeit gegebenenfalls noch in den Genuss von Übergangsfristen, bis zu deren Ende sie noch in Übereinstimmung mit den vormals geltenden Richtlinien in Verkehr gebracht oder in den Handelsstufen weiter bereitgestellt werden dürfen.
Schonfrist ist vorbei
Für Produkte der niedrigen Risikoklassen, konkret Klasse-I-Medizinprodukte und IVD der Klasse A, gelten diese Übergangsregeln nicht mehr.
Diese Produkte müssen also (schon) jetzt MDR- bzw. IVDR-compliant sein!
In der Praxis zeigt sich, dass das häufig noch nicht der Fall ist. Bisher haben Marktaufsichtsbehörden und Wettbewerber darauf nicht systematisch reagiert. Dafür dürften sowohl die Coronapandemie als auch der Umstand, sich selbst einen Überblick über die “neuen” Regularien verschaffen zu müssen bzw. im Falle der Hersteller, auch die eigenen Produkte und Produktion Regularien konform aufzustellen, ausschlaggebend gewesen sein. Diese Rahmenbedingungen ändern sich gerade.
Abmahnwelle rollt an
Fakt ist, dass immer mehr Unternehmen – gerade auch nichteuropäische Hersteller – die Anforderungen der MDR und IVDR nicht nur kennen, sondern auch ihre Produkte entsprechend den neuen gesetzlichen Vorgaben produzieren und in Verkehr bringen können. Sie haben Zeit und Kosten aufgewandt, um dieses Ziel zu erreichen, und sehen sich gegenüber Wettbewerbern, die diese Anstrengungen bislang nicht unternommen haben, zu Recht benachteiligt. Diese Hersteller werden zunehmend aktiv und begnügen sich nicht mehr damit, ihre eigenen Produkte als CE-gekennzeichnete Medizinprodukte zu vermarkten. Stattdessen greifen sie außerdem mit Abmahnungen, einstweiligen Verfügungsverfahren und Hinweisen an Marktaufsichtsbehörden Konkurrenzprodukte und Wettbewerber gezielt an.
Überwachungsbehörden untersagen Inverkehrbringen
Gleichzeitig ist auch die Mehrzahl der zuständigen Überwachungsbehörden in der MDR-Realität angekommen und nicht mehr überwiegend mit der Konformitätsprüfung von medizinischen Masken oder persönlicher Schutzausrüstung befasst. Auch sie “schießen” sich zunehmend auf die Prüfung der MDR-Konformität von Klasse-I-Produkten ein: Pflaster, Tapes, Wärmekissen, Bandagen etc. sind ebenso im Fokus wie Faszienrollen, ergonomische Sitzkissen oder Kompressionskleidung. Die Liste ist unendlich.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen für Hersteller, aber auch Händler dieser Produkte sind mindestens schmerzhaft, in einigen Fällen gar existenzbedrohend: der Vertrieb nicht konformer Produkte wird behördlich untersagt, bis ihre MDR-Compliance hergestellt und nachgewiesen ist.
Fazit
Hersteller von Klasse-I-Medizinprodukten und IVD der Klasse A sollten sich – sofern noch nicht geschehen – umgehend mit den regulatorischen Anforderungen an ihre Produkte befassen und deren Konformität sicherstellen, bevor sie von Wettbewerbern und/oder Marktaufsichtsbehörden dazu gezwungen werden. Sind Konkurrenz und Behörden erst einmal hinsichtlich einer fehlenden Konformität sensibilisiert, ist häufig nur noch Schadensbegrenzung, aber kein selbstbestimmtes Vorgehen mehr möglich.
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