Hintergrund
Die Akteure der deutschen Eisenbahnindustrie durchleben aktuell – zumindest auf der gesetzgeberischen Ebene – unruhige Zeiten. Denn mit der kürzlich veröffentlichten „Eisenbahn-Inbetriebnahmegenehmigungsverordnung“ (EIGV), welche die bisherige „Transeuropäische-Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung“ (TEIV) abgelöst hat, und mit der neuen Europäischen Zulassungsverordnung (EU) 2018/545 bereits um die Ecke, besteht für den Bahnsektor nur wenig Planungs- und Rechtssicherheit darüber, was in den nächsten Jahren in Deutschland eigentlich gelten wird. Vor diesem Hintergrund hat sich das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) entschlossen, eine Übersicht zu den laufenden und anstehenden Gesetzgebungs- und Verordnungsvorhaben des Bundes für den deutschen Eisenbahnsektor zu erstellen.
BMVI-Rechtssetzungsvorhaben
Die Übersicht beinhaltet insgesamt sechs anstehende oder bereits laufende Rechtssetzungsvorhaben, mit denen sich das BMVI aktuell für den Bereich Eisenbahn beschäftigt.
1. Zweite Verordnung zur Änderung der Anhänge F und G des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF):
Die Änderungen der Anhänge F und G sollen den Neufassungen der europäischen Interoperabilitätsrichtlinie (EU) 2016/797 und der Eisenbahn-Sicherheitsrichtlinie (EU) 2016/798 Rechnung tragen. Aufgrund des Beitritts der EU zum COTIF und weil alle EU-Mitgliedstaaten mit einem Eisenbahnnetz auch Mitgliedstaaten der OTIF sind, ist die Anpassung und Harmonisierung der deutschen Rechtslage erforderlich. Die Umsetzung hat bis zum 1. März 2019 zu erfolgen, so dass in Kürze mit der Länder- und Verbändeanhörung zu rechnen ist.
2. Fünftes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (5. AEG-Änderungsgesetz):
Mit dem Gesetz soll das Vertragsverletzungsverfahren bezüglich der Richtlinien 2004/49/EG und 2008/57/EG (zum Punkt Ausnahmemöglichkeit für Regionalbahnen) beendet werden. Es war ursprünglich als 10. Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften geplant und lag bereits in 2017 vor. Aufgrund der Bundestagswahl und der anschließenden Regierungsbildung hatte sich das Vorhaben aber verzögert. Mit dem Inkrafttreten ist nunmehr Anfang 2019 zu rechnen.
3. Vierzehnte Verordnung zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften (14. ERÄV):
Mit dem Vorhaben wird zum einen die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsverordnung (EUV) geändert und zum anderen wird im Vorgriff auf die umfassende Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/798 eine Änderung in der Eisenbahn-Sicherheitsverordnung (ESiV) vorgenommen. Darüber hinaus werden weitere gesetzliche Änderungen zur Erledigung eines Vertragsverletzungsverfahrens mit der Europäischen Union angegangen. Der Gesetzentwurf hat die interne Abstimmung bereits durchlaufen, so dass derzeit die Länder- und Verbändeanhörung abgehalten wird.
4. Verordnung zur Anerkennung und zum Einsatz von Prüfsachverständigen:
Der Entwurf enthält die Eisenbahn-Prüfsachverständigenverordnung (EPSV), mit der die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung und Überwachung von Prüfsachverständigen geschaffen werden, und die Eisenbahn-Prüfsachverständigen-Prüfungsverordnung, die Regelungen zur Prüfung von Prüfsachverständigen als Teil des Anerkennungsverfahrens enthält. Die entsprechende Länder- und Verbändeanhörung ist für Herbst 2018 angesetzt.
5. Neufassung der Eisenbahnsignalordnung (ESO):
Die ESO wird zur Harmonisierung grundlegend überarbeitet. Die bekannte Struktur der ESO wird geändert, so dass sie künftig einen Regelungsteil und eine Anlage mit den technischen Beschreibungen enthält. Der Entwurf wird derzeit in verschiedenen Arbeitsgruppen und Gremien beraten.
6. Umsetzung der technischen Säule zum 4. Eisenbahnpaket:
Die Umsetzung der technischen Säule bedeutet vor allem die Umsetzung der neuen Interoperabilitäts-Richtlinie (EU) 2016/797 und der neuen Eisenbahnsicherheits-Richtlinie (EU) 2016/798. Hierfür ist die Anpassung der EIGV erforderlich, da der Fahrzeugteil in der neuen europäischen Zulassungsverordnung (EU) 2018/545 geregelt ist. Die Arbeiten am Referentenentwurf laufen bereits, denn die Umsetzung muss bis zum Juni 2019 abgeschlossen sein, sofern Deutschland diese nicht bis 2020 aussetzt.
Wichtig für Anwender
Um keine bösen Überraschungen und damit erhebliche Zusatzkosten zu erfahren, ist es für alle betroffenen Akteure wichtig und notwendig, sich frühzeitig über die kommenden gesetzlichen Änderungen einen Überblick zu verschaffen und diese im Rahmen von Vertragsverhandlungen und Projektplanung ausreichend zu berücksichtigen.
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