Die „neue“ WLTP und feh­len­de Pro­duk­ti­ons­abru­fe bei den Suppliern

Wer zahlt?

Ab Sep­tem­ber 2018 gel­ten in der EU neue Abgas­mess­re­ge­lun­gen für alle Neu­zu­las­sun­gen. Meh­re­re OEM haben hier­auf bezo­gen ange­kün­digt, bis auf wei­te­res nur ein­ge­schränkt Neu­fahr­zeu­ge anzu­bie­ten. Die Situa­ti­on bei Por­sche wur­de medi­en­wirk­sam dis­ku­tiert: auf der Web­site sind der­zeit kei­ne Fahr­zeu­ge kon­fi­gu­rier­bar, Neu­wa­gen­be­stel­lun­gen sind angeb­lich zwar bei Händ­lern noch mög­lich, aber nur sehr ein­ge­schränkt (News­room Por­sche). 

Es ist gut mög­lich, dass dies zukünf­tig zu einem (vor­über­ge­hen­den) Rück­gang der Abru­fe bei den Zulie­fe­rern führt. Was jedoch bei Unter­neh­men, die im Rah­men ihrer Kapazitäts- und Umsatz­pla­nun­gen mit der­ar­ti­gen Ein­brü­chen in der Regel nicht rech­nen, die Fra­ge auf­kom­men lässt, wel­che (recht­li­chen) Mög­lich­kei­ten Ihnen dann zustehen.

WLTP

Ab dem 1. Sep­tem­ber 2018 gel­ten die WLTP (World­wi­de Har­mo­ni­zed Light Vehic­les Test Pro­ce­du­re) und eine neue Abgas­norm in der EU. Die WLTP soll zu einer bes­se­ren Abbil­dung des tat­säch­li­chen Ver­brauchs sowie der Schadstoff- und CO2-Emissionen füh­ren. Aus die­sem Grund müs­sen Auto­mo­bil­her­stel­ler (OEM) vie­le ihrer aktu­el­len Model­le auf Otto­par­ti­kel­fil­ter umrüs­ten und für jedes Modell neue Typ­ge­neh­mi­gun­gen bean­tra­gen. Laut aktu­el­ler Por­sche Pres­se­mit­tei­lung kommt es infol­ge not­wen­di­ger und noch andau­ern­der Kon­struk­ti­ons­maß­nah­men des­halb der­zeit zu Ein­schrän­kun­gen beim Ange­bot an Neu­wa­gen. Das bleibt auch für die Lie­fe­ran­ten nicht ohne Fol­gen. Feh­len­de Bestel­lun­gen der OEM kön­nen bei­spiels­wei­se zu unge­nutz­ten Kapa­zi­tä­ten, feh­len­den Amor­ti­sa­tio­nen, Lager­kos­ten und Ver­lus­ten beim Ein­kauf von Zukauf­tei­len und sons­ti­gem Pro­duk­ti­ons­ma­te­ri­al füh­ren. Wel­che Ansprü­che die Lie­fe­ran­ten dies­be­züg­lich haben, wird sehr stark von der Gestal­tung der bestehen­den Ver­trä­ge mit den OEM Kun­den abhängen.

Gekauft ist gekauft

In der Regel fin­den auf Lie­fer­ver­trä­ge mit OEM kauf‑, dienst- oder werk­ver­trags­recht­li­che Vor­schrif­ten Anwen­dung. Basie­rend auf deut­schem Recht gilt inso­weit: wer etwas per Kauf­ver­trag (ver­bind­lich) bestellt hat, muss es auch abneh­men und bezah­len. Tut er dies nicht, kommt er in Verzug.

Ist der Käu­fer in Ver­zug, kann der Lie­fe­rant sämt­li­che (zusätz­li­chen) Kos­ten und Schä­den (juris­tisch: unfrei­wil­li­ge Ver­mö­gens­ver­lus­te), die ihm aus die­sem Umstand ent­ste­hen (etwa die für die Lage­rung), ersetzt ver­lan­gen. Hat der Kun­de noch eige­ne Zah­lungs­an­sprü­che gegen den Lie­fe­ran­ten, kann die­ser even­tu­ell sogar mit sei­nen Schä­den auf­rech­nen. Ein Anspruch auf Ersatz besteht aller­dings nur dann, wenn der Kun­de den Scha­den vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig ver­ur­sacht hat. Maß­geb­lich ist daher, ob der Kun­de bei Anwen­dung der im Ver­kehr erfor­der­li­chen Sorg­falt die Ent­ste­hung eines Scha­dens vor­aus­se­hen und ver­mei­den konn­te. Das ist etwa der Fall, wenn der Kun­de nach­wei­sen kann, dass er die Ände­rung der Geset­zes­la­ge ver­folgt und sei­ne Ent­wick­lung und Pro­duk­ti­on schnellst­mög­lich sowie mit ange­mes­se­nen Mit­teln und Auf­wand vor­an­ge­trie­ben hat, jedoch an ande­ren Punk­ten schei­tert – z.B. gerin­gen Test­ka­pa­zi­tä­ten bei den Tech­ni­schen Diens­ten (so der VDA). Ist dem so, ent­fällt man­gels Ver­schul­den auch eine Haf­tung. Die­se „Ent­schul­di­gung“ erscheint jedoch inso­weit etwas wacke­lig, als schein­bar vie­le OEM bei den meis­ten ihrer Model­le (mit unter­stellt ver­gleich­ba­ren Anpas­sungs­auf­wand) kei­ne Pro­ble­me mit der Umset­zung hatten.

Wer­den bereits pro­du­zier­te Tei­le nicht wie ver­ein­bart abge­nom­men, fin­det zudem – je nach Lie­fer­ver­ein­ba­rung – der sog. „Gefahr­über­gang“ statt. Das heißt, dass der OEM das Risi­ko einer zufäl­li­gen Ver­schlech­te­rung bis hin zur Unbrauch­bar­keit der Tei­le trägt, nicht mehr der Lieferant.

Rah­men­ver­trä­ge und Lieferabrufe

Aller­dings ist es in der Auto­mo­bil­in­dus­trie üblich, mit Rah­men­ver­trä­gen und dar­un­ter anzu­sie­deln­den ein­zel­nen Lie­fer­ab­ru­fen oder ‑plä­nen zu arbei­ten. Die Rah­men­ver­trä­ge beschrei­ben meist nur unver­bind­li­che Bedarfs­vo­lu­mi­na für län­ge­re Zeit­räu­me inner­halb der Pro­jekt­lauf­zeit. Oft wer­den die­se durch (unver­bind­li­che) Fore­casts prä­zi­siert und schließ­lich erst kurz vor einem Abruf­zeit­raum für bestimm­te, klei­ne­re Umfän­ge ver­bind­lich. Aus recht­li­cher Sicht ent­ste­hen erst durch sol­che Abru­fe Pflich­ten zur Lie­fe­rung auf Sei­ten des Lie­fe­ran­ten und eine zur Abnah­me auf der des OEM. Letz­te­re füh­ren dann im Fal­le der Nicht­ab­nah­me zu den vor­an­ste­hend beschrie­be­nen Ersatz­an­sprü­chen der Lieferanten. 

Ob ein OEM hin­ge­gen auch ohne eine aus­drück­li­che Rege­lung zur Abnah­me der im Rah­men­ver­trag geplan­ten Men­gen ver­pflich­tet ist, bestimmt sich nach dem Rechts­grund­satz von „Treu und Glau­ben“, der in § 242 BGB gere­gelt wird und unter Juris­ten oft­mals als „kann­al­le­sund­nichts­be­deu­ten“ Rege­lung gehan­delt wird.

Hier­nach gilt: eine Abnah­me der geplan­ten Men­ge kann eine Pflicht des OEM dar­stel­len, wenn dies mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te erwar­tet wer­den kann. Der Inhalt des dar­aus fol­gen­den Pflich­ten­krei­ses des Kun­den muss unter der Berück­sich­ti­gung der Umstän­de des Ein­zel­fal­les bestimmt wer­den. Dabei sind die Ver­trags­grund­la­gen sowie die Inter­es­sen der OEM und die der Lie­fe­ran­ten zu beach­ten. Gegen eine Abnah­me­pflicht des Kun­den spricht vor allem, dass die Geschäfts­be­zie­hun­gen gera­de des­halb mit­tels Rah­men­ver­trä­gen gestal­tet wer­den, um die Pro­duk­ti­on mög­lichst fle­xi­bel gestal­ten zu kön­nen. Ins­be­son­de­re wenn sich her­aus­stel­len soll­te, dass die Anpas­sung an die geän­der­te Rechts­la­ge für den Kun­den mit einem gro­ßen Entwicklungs- und Pro­duk­ti­ons­vor­lauf ver­bun­den ist, spricht dies gegen eine aus § 242 BGB resul­tie­ren­de Abnah­me­pflicht. Denn der von den OEM ange­streb­te Zweck der Rah­men­ver­trä­ge liegt gera­de dar­in, auf sol­che Ände­run­gen reagie­ren zu kön­nen. Dies spielt jeden­falls bei sol­chen Ver­trä­gen eine Rol­le, die vor Ein­tritt der Rechts­än­de­rung geschlos­sen wur­den. Ande­rer­seits muss aus Sicht der Lie­fe­ran­ten berück­sich­tigt wer­den, dass die­se bei lang­jäh­ri­ger Lie­fer­be­zie­hung und regel­mä­ßi­gen Abru­fen auf das Fort­be­stehen der Abruf­pra­xis ver­trau­en dür­fen und auch müs­sen. Hier­für spre­chen bspw. auch die Ver­ein­ba­rung von ver­bind­lich vor­zu­hal­ten­den Kapa­zi­tä­ten und von Ver­bes­se­rungs­po­ten­tia­len sowie sog. „Savings“, die im Grun­de auf hohen Stück­zah­len über bestimm­te Zeit­räu­me basie­ren. Eine Abnah­me­pflicht des Kun­den kann ein­ge­for­dert wer­den, wenn die­ser nicht alles Zumut­ba­re für eine recht­zei­ti­ge Umstel­lung getan hat oder den Lie­fe­ran­ten nicht früh­zei­tig auf die sich abzeich­nen­den Abnah­me­schwie­rig­kei­ten hin­ge­wie­sen hat. Was das Ver­schul­den in Bezug auf die aus­blei­ben­den Abru­fe und ein damit gege­be­nen­falls bestehen­der Scha­dens­er­satz­an­spruch angeht, so gilt der­sel­be Maß­stab wie für das Ver­schul­den hin­sicht­lich der Ver­let­zung der Abnah­me­pflicht (s.o.).

Die Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz erfor­dert zudem einen kon­kre­ten Scha­dens­nach­weis. Soweit Ver­lus­te auf­grund unge­nutz­ter Kapa­zi­tä­ten Gegen­stand der Scha­dens­for­de­rung sind, muss vor allem nach­ge­wie­sen wer­den, dass die Kapa­zi­tä­ten nicht ander­wei­tig ein­ge­setzt und damit die Schä­den ent­spre­chend ver­rin­gert wer­den konnten.

Es bleibt mit Span­nung abzu­war­ten, wie sich die Lage entwickelt.

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