Anfang April hat das Bundesministerium der Justiz den “Entwurf eines Gesetzes für den besseren Schutz hinweisgebender Personen” (kurz: HinSchG‑E) veröffentlicht.
Grundlage für diesen Entwurf war die EU-Richtlinie 2019/1937 (PDF) vom 23. Oktober 2019 “zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden”.
Die Richtlinie sah eine Umsetzungsfrist der entsprechenden Vorgaben in nationales Recht bis zum 17. Dezember 2021 vor. Da durch den Gesetzgeber keine fristgerechte Umsetzung erfolgte, wurde bereits im Februar 2022 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
I. Worum geht es?
Im Kern geht es um den Schutz von Personen (den “Hinweisgebern”), die für die Öffentlichkeit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang – insbesondere aus einem Beschäftigungsverhältnis – veröffentlichen.
Primär handelt es sich dabei um Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder sonstige Rechtsverstöße in Unternehmen oder Behörden.
Nach der aktuellen Rechtslage ist der Schutz solcher Hinweisgeber nur sehr lückenhaft geregelt.
Die aktuelle Anwendungspraxis ist in Deutschland durch die Rechtsprechung der Zivil- und Arbeitsgerichte geprägt, wobei der Interessenausgleich zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Vordergrund steht.
Die Schaffung etwaiger Schutzvorschriften soll den Hinweisgebern nun Rechtssicherheit verschaffen und gewährleisten, dass sie keinen Repressalien wie Kündigung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing ausgesetzt werden.
II. Wer ist betroffen?
Geplant ist, dass Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern – und mit mehr als 50 Mitarbeitern ab 2023 – sowie Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern betroffen sind.
Der persönliche Anwendungsbereich ist dabei weit ausgestaltet und umfasst neben Arbeitnehmer*innen – einschließlich verbeamteten Personen – beispielsweise auch Selbstständige, Anteilseigner*innen sowie Personen, die bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnisse von Verstößen erlangt haben.
III. Welche Regelungen sind vorgesehen?
Sachlich geht der vorgesehene Schutz über die Mindestanforderungen der EU-Richtlinie hinaus. So sollen nicht nur Verstöße gegen das Unionsrecht, sondern auch solche gegen nationales Recht erfasst werden. Dazu soll ein umfassendes Meldesystem zur Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen eingerichtet werden. Dieses soll zweispurig ausgestaltet sein und aus einem internen Meldekanal im Unternehmen sowie einer externen Meldestelle auf Bundesebene bestehen, wobei den Hinweisgebern diesbezüglich ein Wahlrecht zusteht.
In Unternehmen kann dies konkret durch die Einführung eines elektronischen Hinweissystems, einer Integrierung in der Compliance-Abteilung oder durch die Einschaltung einer Ombudsperson geschehen.
Die externen Meldestellen sind auf Bundesebene das Bundesamt für Justiz bzw. in speziellen Zuständigkeitsbereichen die Finanzdienstleistungsaufsicht und das Bundeskartellamt.
An die Öffentlichkeit dürfen sich die Hinweisgeber nur wenden, wenn sie innerhalb von drei Monaten keine Rückmeldung von der Meldestelle erhalten haben oder wenn hinreichender Grund für die Annahme einer “Gefährdung des öffentlichen Interesses” besteht. Dabei sind die Meldestellen grundsätzlich zum Tätigwerden verpflichtet, außer es handelt sich um anonyme Hinweise.
Ferner sind vom Anwendungsbereich solche Informationen ausgenommen, die bspw. die nationale Sicherheit, verteidigungsspezifische Aufträge oder Verschlusssachen betreffen oder der ärztlichen oder anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen.
Verstöße gegen die Vorgaben des Gesetzes sollen als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden.
Außerdem sind sowohl der Hinweisgeber als auch die Unternehmen bzw. die Behörden einer zivilrechtlichen Haftung ausgesetzt. Erleidet der Hinweisgeber Repressalien aufgrund seiner Meldung, kann er den ihm entstandenen Schaden geltend machen; umgekehrt ergibt sich für ihn bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung eine entsprechende Haftung.
IV. Ausblick
Bis zum 11. Mai 2022 können Stellungnahmen zu dem Gesetzesentwurf beim Justizministerium eingereicht werden, weshalb mit gewissen Änderungen zu rechnen ist. Es ist aber davon auszugehen, dass der Gesetzgebungsprozess nun zügig vorangetrieben wird und das Gesetz voraussichtlich im Herbst in Kraft treten wird.
Ferner ist für Unternehmen zu beachten, dass von der Richtlinie, trotz mangelnder Umsetzung, schon jetzt gewisse Rechtswirkungen ausgehen.
Zwar scheidet eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie in den Privatsektor aus, sodass die Unternehmen noch keine Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen trifft und von Repressalien betroffenen Hinweisgebern noch kein direkter Anspruch zusteht.
Dennoch könnte die Richtlinie eine mittelbare Wirkung entfalten, da die Gerichte seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist zu einer richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Rechts verpflichtet sind. Insofern ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Richter bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe an deren Schutzvorgaben orientieren werden. Betroffene Unternehmen sollten sich daher zeitnah mit der Implementierung eines Hinweisgebersystems befassen.
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