Die “Gebrauchsanweisung” bezeichnet vom Hersteller zur Verfügung gestellte Informationen, in denen der Anwender über die Zweckbestimmung und korrekte Verwendung eines Produkts sowie über eventuell zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen unterrichtet wird; Art. 2 Nr. 14 VO (EU) 2017/745 für Medizinprodukte (MDR) (PDF). Insbesondere bei der Kennzeichnung und den Gebrauchsanweisungen von Produkten ist es untersagt, Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen zu verwenden, die den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können; Art. 7 MDR. Die Gebrauchsanweisung wird zusammen mit dem Produkt bereitgestellt.
Entbehrlichkeit der Gebrauchsinformation
Gemäß Anhang I MDR (PDF) (grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen), Kapitel III (Anforderungen an die mit dem Produkt gelieferten Informationen) Ziffer 23.1 (d) ist eine Gebrauchsanweisung “für Produkte der Klassen I und IIa ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine sichere Anwendung dieser Produkte ohne Gebrauchsanweisung gewährleistet ist und sofern an anderer Stelle der MDR nichts anderes angegeben ist”.
Somit gilt:
- Grundsätzlich ist eine Gebrauchsinformation erforderlich.
- Die Möglichkeit, auf eine Gebrauchsanweisung zu verzichten, stellt eine Ausnahme dar.
- Diese Ausnahme kann per se nur für Produkte der Risikoklassen I bis IIa gelten.
- Für Produkte höherer Risikoklassen ist eine Gebrauchsanweisung zwingend erforderlich.
Wenn sich der Hersteller auf die Entbehrlichkeit einer Gebrauchsanweisung, also einen Ausnahmetatbestand, berufen möchte, muss er nachweisen, dass dies im Einzelfall möglich ist, ohne dass die Sicherheit von Anwendern, Patienten oder Dritten gefährdet wird, weil eine sichere Produktanwendung auch ohne Gebrauchsanweisung gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass auf eine Gebrauchsinformation immer nur dann verzichtet werden darf, wenn das jeweilige Produkt ausschließlich von Personen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit und im Rahmen einer professionellen Gesundheitsdienstleistung verwendet wird. Mit einer Verwendung durch andere Personen darf nach vernünftigem Ermessen nicht gerechnet werden.
Die Frage der Entbehrlichkeit der Gebrauchsanweisung ist innerhalb des Risikomanagements zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit dem Fehlen einer Gebrauchsinformation einhergehen können, sind einzuschätzen und zu beurteilen. Die Entscheidung, auf die Gebrauchsinformation zu verzichten, ist zu begründen.
Digitale Gebrauchsinformation
Artikel 3 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 207/2012 (PDF) für elektronische Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte (“Verordnung”) benennt die Produkte, für die eine elektronische Gebrauchsanweisung ausreicht, abschließend.
Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Produkte:
- aktive und inaktive implantierbare Medizinprodukte und Zubehör, das ausschließlich zur Implantation oder Programmierung eines bestimmten aktiven implantierbaren Medizinproduktes bestimmt ist;
- fest installierte Medizinprodukte;
- Medizinprodukte und Zubehör, in die ein System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung eingebaut ist;
- eigenständige Software.
Sind andere als die vorstehend genannten Medizinprodukte betroffen, bedarf es weiterhin einer Gebrauchsanweisung in analoger Form – außer wenn auf eine Gebrauchsanweisung völlig verzichtet werden kann.
Hinzu kommen weitere Bedingungen für die Zurverfügungstellung elektronischer Gebrauchsanweisungen anstelle von Gebrauchsanweisungen in Papierform. So muss etwa die Risikobewertung ergeben, dass das Sicherheitsniveau bei der Bereitstellung elektronischer Gebrauchsanweisungen mindestens genauso hoch ist wie bei der Bereitstellung von Gebrauchsanweisungen in Papierform. Zudem muss der Hersteller über ein System verfügen, das es ihm ermöglicht, die Gebrauchsanweisungen dem Nutzer auf Anfrage kostenfrei und zeitnah in Papierform zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig werden zusätzliche Anforderungen an Änderungsmanagement und die Zeitschiene für das Vorhalten der digitalen Gebrauchsanweisung gestellt.
Fazit und Handlungsempfehlung
Für den Hersteller von Klasse-I- und Klasse-IIa-Produkten kann die Möglichkeit bestehen, auf eine Gebrauchsanweisung zu verzichten. Die Risiken eines solchen Verzichts sind gründlich abzuwägen; der Verzicht selbst ist innerhalb des Risikomanagements zu begründen. Für potenzielle Schädigungen von Anwendern oder Patienten, die aus dem Verzicht auf eine Gebrauchsinformation resultieren, haftet der Hersteller.
Das Vorhalten einer elektronischen Gebrauchsanweisung anstatt einer Gebrauchsanweisung in Papierform ist nur in einer abschließend definierten Anzahl von Fällen möglich. Entscheidet sich ein Hersteller dazu, die Gebrauchsanweisung nur in digitaler Form bereitzustellen, sind zusätzliche besondere Anforderungen zu beachten.
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