Welche Apps sind im DVG gemeint?
Apps zur Unterstützung eines gesunden Lebensstils erfreuen sich großer Beliebtheit. Das Angebot reicht von Wellness- über LifestyleApps bis hin zu Gesundheits- oder MedicalApps. Letztere zeichnen sich durch ihre besondere Zweckbestimmung aus: sie erfüllen therapeutische oder diagnostische Zwecke. Sie sind aus diesem Grund als Medizinprodukte, ggf. In-vitro-Diagnostika im Sinne des Medizinprodukterechts und müssen daher auch den gesetzlichen Anforderungen an Medizinprodukte Medical Device Regulation (MDR) und/oder In-vitro Diagnostic Regulation (IVDR)) entsprechen. Ist von „Apps auf Rezept“ die Rede, sind grundsätzlich nur MedicalApps, also Medizinprodukte gemeint, die MDR oder ICDR compliant und CE-gekennzeichnet sind.
Wie erfolgt die Aufnahme ins „Erstattungsverzeichnis“?
In Zukunft sollen solche Gesundheits-Apps ärztlich verordnet, ihre Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden können. Der Vorschlag „Gesundheits-Apps auf Rezept“ ist Teil des Gesetzentwurfs zum Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) (PDF) des Bundesgesundheitsministeriums.
Der Entwurf für das DVG sieht vor, dass das BfArM ein Verzeichnis der digitalen Gesundheitsanwendungen (Gesundheits-Apps) führt, die den im Gesetz festgelegten Anforderungen entsprechen und somit erstattungsfähig sind. Das Verzeichnis soll im Bundesanzeiger bekannt gemacht und im Internet veröffentlicht werden. Hersteller von Gesundheits-Apps können einen Antrag auf Aufnahme in das Verzeichnis stellen, über den innerhalb von 3 Monaten nach Eingang der vollständigen Unterlagen entschieden wird. Das BfArM soll Hersteller von Gesundheits-Apps zu den Antrags- und Anzeigeverfahren sowie zu den Aufnahmevoraussetzungen beraten und einen Leitfaden dazu im Internet veröffentlichen. Das nähere Verfahren und die Festlegung der für die Aufnahme in das Verzeichnis erforderlichen Nachweise und Kriterien werden detailliert erst in einer ergänzenden Rechtsverordnung zum DVG geregelt, für die momentan noch kein Entwurf vorliegt. Kann der Hersteller positive Versorgungseffekte zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht nachweisen, kann er beantragen, bis zu 12 Monate vorläufig in das Verzeichnis aufgenommen zu werden, so dass auch in diesem Zeitraum die Verschreibung der App durch den Arzt möglich ist. Dafür muss der Hersteller plausibel begründen, dass seine App einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung leisten kann. Hierzu muss er ein von einer unabhängigen Institution erstelltes wissenschaftliches Evaluationskonzept zum Nachweis positiver Versorgungseffekte beifügen.
Nach Ablauf der 12-Monats-Frist erfolgt die endgültige Entscheidung über die dauerhafte Aufnahme in das Verzeichnis. Sind positive Versorgungseffekte nicht hinreichend belegt, besteht aber aufgrund der vorgelegten Erprobungsergebnisse eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer späteren Nachweisführung, kann das BfArM den Zeitraum der vorläufigen Aufnahme in das Verzeichnis um bis zu zwölf Monate verlängern. Sind positive Versorgungseffekte innerhalb der Probephase nicht nachweisbar, erfolgt eine Streichung aus dem Verzeichnis. Eine wiederholte vorläufige Aufnahme in das Verzeichnis zur Erprobung ist nicht zulässig.
Welche Risikoklassen von Gesundheits-Apps sind erfasst?
Vom Gesetzesentwurf und somit künftig von der Verschreibungsfähigkeit erfasst werden grundsätzlich nur solche Gesundheits-Apps, die als Medizinprodukte den Risikoklassen I und IIa nach der MDR zugeordnet und bereits in den Verkehr gebracht sind. Nicht erfasst vom Entwurf werden hingegen „Wellness-“ und „Lifestyle-Apps“, die keine Medizinprodukte sind.
MDR und IVDR stellen strengere Anforderungen an klinische Bewertungen bzw. klinische Prüfungen von Medizinprodukten einschließlich Gesundheits-Apps, als dies noch unter Geltung der europäischen Richtlinien der Fall war. Sie beinhalten höhere Anforderungen an Qualitäts- und Risikomanagement, die technische Dokumentation, sowie die Produktüberwachung nach dem Inverkehrbringen. Hinzu kommt, dass die Neugestaltung der Klassifizierungsregeln mit MDR/IVDR dazu führen kann, dass Gesundheits-Apps in einer höheren Risikoklasse zuzuordnen sind, als das bisher unter Geltung der Richtlinien noch möglich war. Die höhere Risikoklassifizierung und das damit verbundene Konformitätsbewertungsverfahren, das ab Risikoklasse IIa von den Benannten Stellen begleitet werden muss, können dabei den Herstellungsprozess deutlich verkomplizieren und die Time-to-Market-Phase erheblich verlängern. Dies sollten Hersteller schon jetzt bei der zeitlichen Planung berücksichtigen.
Worin besteht Nachbesserungsbedarf?
Die Risikoklassifizierung digitaler Gesundheitsanwendungen orientiert sich regelmäßig an der Risikoklasse des „Hauptprodukts“. Daher sind eine Vielzahl der angebotenen digitalen Gesundheitsanwendungen Medizinprodukten höherer Klassen zuzuordnen. Dies betrifft insbesondere Software oder Apps, mittels derer die Informationen eines anderen Medizinprodukts aufbereitet und an den Arzt oder die Patienten kommuniziert werden. Solche Apps können auch den höheren Risikoklassen I und IIa zuzuordnen sein. Entsprechend des DVG-Entwurfes können sie nicht verordnet werden – obwohl durch sie die Möglichkeit besteht Komplikationen in der Versorgung aufzudecken. Im Hinblick auf Planungssicherheit und Entwicklung zukünftiger Innovationen wäre es für die Hersteller wünschenswert, dass bereits jetzt ein verbindlicher Zeitrahmen zur Öffnung von digitalen Medizinprodukten höherer Risikoklassen festgelegt wird.
Fazit
Mit dem Vorschlag „Apps auf Rezept“ geht das DVG einen weiteren Schritt in Richtung der Verbesserung der Patientenversorgung durch Digitalisierung. Für Hersteller von Gesundheits-Apps bietet das DVG die Chance, das eigene Produkt aus der Vielzahl von Angeboten herauszulösen und durch die Aufnahme im Verzeichnis der verschreibungsfähigen Apps einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenzprodukten zu erreichen. Die Aufnahme ins Verzeichnis besagt gleichzeitig, dass die App das Konformitätsbewertungsverfahren nach den Regularien erfolgreich durchlaufen haben muss und den mit der MDR/IVDR einhergehenden strengeren regulatorischen Rahmenbedingung für analoge wie digitale Medizinprodukte entspricht. Für Hersteller und Entwickler von Gesundheits-Apps empfiehlt es sich daher mit dem DVG erst recht, ihre Produkte MDR-/IVDR-konform aufzustellen, um die sich durch die Aufnahme ihrer App im Verzeichnis verschreibungsfähiger Apps bietenden Chancen zu nutzen und bei Verabschiedung des Gesetzes von der neuen Möglichkeit der „Verschreibungsfähigkeit“ profitieren zu können.
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