Der Wechsel von der Richtlinie über IVD 98/79/EG (IVDD) (PDF) zur Verordnung 2017/746 (IVDR) (PDF) bedeutet für Hersteller unter anderem, dass eine Vielzahl ihrer Produkte neuen Klassifizierungsregeln unterliegen. Dies macht es bei ca. 80 % der Produkte erforderlich, eine Benannte Stelle ins Konformitätsbewertungsverfahren mit einzubeziehen. Unter Geltung der IVDD war dies nur für ca. 15 % der In-vitro Diagnostika (IVD) der Fall. Gleichzeitig ist die Anzahl der Benannten Stellen, die eine Akkreditierung für IVD aufweisen können, gesunken. Stand 5. Januar 2022 sind exakt 6 Benannte Stellen auf Nando gelistet.
Damit liegt auf der Hand, dass zum Geltungsbeginn der IVDR am 26. Mai 2022 ein Großteil von IVD mangels ausreichender Kapazitäten Benannter Stellen nicht IVDR konform in Verkehr gebracht werden kann. Faktisch war es einer Vielzahl von Herstellern bislang nicht möglich, für ihre Produkt ein den Anforderungen der IVDR entsprechendes Konformitätsbewertungsverfahren unter Einbezug einer Benannten Stelle durchzuführen. Es droht ein Versorgungsengpass mit IVD, der nicht zuletzt auch SARS-CoV-2-Tests betreffen kann.
Neue Übergangsfristen – Vorschlag der Kommission
Angesichts dieser Gemengelage hat die EU-Kommission noch im Oktober 2021 einen Verordnungsvorschlag (PDF) für eine Änderung der IVDR veröffentlicht, der die Verlängerung der Übergangsfristen von IVDD zu IVDR zum Gegenstand hatte und der inzwischen von EU-Parlament und Rat angenommen wurde. Danach sollen die nach den bisherigen Regeln der IVDD in Verkehr gebrachten und zertifizierten IVD weiterhin in Verkehr gebracht und abverkauft werden können. In Abhängigkeit der Risikoklasse enden die neuen Übergangsfristen für das Inverkehrbringen der Produkte am 26. Mai 2025, 2026 oder 2027. Die Abverkaufsregel lässt im Anschluss an das jeweilige Übergangsfristende noch ein weiteres Jahr den Verkauf bereits in Verkehr gebrachter Produkte zu.
Die neuen Regeln betreffen Bestandsprodukte,
1. für die bereits vor dem 26. Mai 2022 Konformität nach IVDD erklärt wurde und
2. die unter die Klassen D, C, B oder A (steril) nach IVDR fallen.
Neue Fristen gelten nicht für alle IVD
Umgekehrt gelten die neuen Regeln nicht für Produkte, die
1. für die erst ab dem 26. Mai 2022 eine Konformitätserklärung ausgestellt wird oder
2. die unter die Klasse A (nicht steril) nach IVDR fallen.
Damit steht fest:
Für Hersteller von nicht sterilen IVD, die nach IVDR der Klasse A unterliegen, ist der Stichtag 26. Mai 2022 in Stein gemeißelt. Ihre Produkte müssen zwingend zum Stichtag IVDR compliant sein. Da für die Konformitätsbewertung dieser Produkte der Einbezug einer Benannten Stelle nicht vorgesehen ist, hängt die zeitgerechte und ordnungsgemäße Durchführung eines entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahrens auch nicht davon ab, ob es den Herstellern gelingt, eine der wenigen akkreditierten Benannten Stellen zur Unterstützung zu gewinnen. Sie kommen – insofern folgerichtig – auch nicht in den Genuss einer verlängerten Übergangsfrist. Gleiches gilt für neue IVD, deren Konformität bisher noch nicht nach den Regeln der IVDD erklärt wurde. Auch für diese “Nicht-Bestandsprodukte” ist der Geltungsbeginn der IVDR am 26. Mai 2022 bindend und nicht mehr “aufzuschieben”.
Geltungsbeginn der IVDR bleibt unberührt
Wichtig ist es zu betonen, dass sich trotz der neuen Übergangsregeln am grundsätzlichen Geltungsbeginn der IVDR zum 26. Mai 2022 nichts ändert. Dies wirkt sich aus auf die Pflichten der Hersteller zu Produktüberwachung und Vigilanz, aber auch die Überwachung durch die zuständigen Behörden: Es gelten hierfür die Regeln der IVDR, und zwar für alle Produkte, unabhängig davon, ob diese noch IVDD-konform und entsprechend den neuen Übergangsfristen in Verkehr gebracht wurden oder nicht.
Außerdem dürfen – insofern vergleichbar mit den Regeln der MDR – innerhalb der Übergangsfrist keine wesentlichen Änderungen mehr an den Produkten selbst oder deren Zweckbestimmung vorgenommen werden. Ist dies der Fall, sind Hersteller verpflichtet, die Produkte in Gänze IVDR-konform aufzustellen.
Handlungsempfehlung
Mit den verlängerten Übergangsfristen ist die Anforderung, IVD konform mit den Regeln der IVDR in Verkehr zu bringen, nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Zudem gelten die Übergangsfristen einerseits nicht für alle Produkte und andererseits nicht für alle Regelungsinhalte der IVDR. Hersteller sollten sich also – sofern nicht bereits geschehen – über die Geltung von Übergangsfristen bezogen auf ihr Produktportfolio einen Überblick verschaffen und auch unabhängig von der Klassifizierung ihrer IVD alles daran setzten, die Anforderungen der IVDR schnellstmöglich umzusetzen.
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