Der Singapur High Court hat in einem Urteil vom 08. Juli 2024 zu einigen spannenden Fragen betreffend die Auslegung, Geltung und Änderung internationaler Wirtschaftsverträge mit Blick auf Rechtswahl- und Schriftformklauseln Stellung genommen.
Zum Sachverhalt
Zwischen einem kanadischen Bergbauunternehmen und einem in Singapur ansässigen Finanzberater bestand eine Art Finanzmaklervertrag, den die Parteien als „Mandate Letter“ bezeichneten. Gegenstand dieses Vertrages war die Unterstützung des Finanzberaters beim Abschluss von Darlehensverträgen für den Goldabbau in der Mongolei zwischen dem Bergbauunternehmen und potenziellen Investoren. Auf den Mandate Letter war singapurisches Recht anwendbar, während eine später geschlossene Verlängerungsvereinbarung englischem Recht unterlag.
Als die mongolische Regierung dem Bergbauunternehmen einen Kredit in Höhe von 65 Mio US-Dollar gewährte, verlangte der Finanzberater ein Erfolgshonorar („Success Fee“) in Höhe von 2,5 % des gewährten Kreditbetrages auf Grundlage des Mandate Letters. Das Unternehmen berief sich unter anderem darauf, dass es den Kredit ohne jegliches Zutun des Finanzberaters von der Regierung erhalten habe und dem Finanzberater schon deshalb kein Anspruch auf das Erfolgshonorar zustehen könne. Überdies stützte es sich darauf, dass dieses Geschäft zeitgleich mit Abschluss der Verlängerungsvereinbarung durch mündliche Vereinbarung vom Anwendungsbereich des zugrundeliegenden Mandate Letters ausgeschlossen worden war.
Die Entscheidung
Das Gericht setzte sich zunächst mit der Frage nach der Anwendbarkeit des Rechtsinstituts des „effective cause“ (zu dt.: effektiver Grund) auseinander. Danach müsste das Handeln des Finanzberaters ursächlich für das Zustandekommen des Darlehensvertrages gewesen sein. Das Gericht stellte jedoch fest, dass es sich bei dem Mandate Letter nicht um einen provisionsbasierten Vermittlungsvertrag handelte. Da das Vertragsverhältnis nicht auf der Vermittlertätigkeit, sondern auf der beratenden Funktion des Finanzberaters und der (Ab-) Sicherung von Transaktionen beruhe, liege kein typischer Handelsvertretervertrag vor, auf den die Doktrin des „effective cause“ anwendbar wäre.
Weiter klärte das Gericht die Frage, ob die streitgegenständliche Transaktion über 65 Mio. US-Dollar durch eine mündliche Vereinbarung aus dem Anwendungsbereich des Mandate Letters ausgeschlossen worden sein könnte, so dass ein Anspruch auf das Erfolgshonorar entfiele. Der klagende Finanzberater stützte seine Argumentation gegen die Wirksamkeit der mündlichen Abrede auf eine Schriftformklausel im Mandate Letter, wonach Änderungen des Vertrages nur in Schriftform möglich waren. Das Gericht wies darauf hin, dass es – ähnlich wie im deutschen Recht – nach singapurischem Recht durchaus möglich ist, eine Schriftformklausel durch eine nachträgliche mündliche Vereinbarung aufzuheben. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Parteien den Abschluss der mündlichen Vereinbarung beweisen können. Diesen Beweis sah der zuständige Richter zum einen in der E‑Mail-Korrespondenz zwischen den Parteien, in der die telefonisch getroffene Vereinbarung und deren Inhalt wiedergegeben wurde. Zum anderen sah er auch das Verhalten der Parteien im Anschluss an die Vereinbarung als zulässigen Beweis an, zumal der Finanzberater dem Bergbauunternehmen das Erfolgshonorar für den Abschluss der Transaktion zunächst nicht in Rechnung gestellt hatte.
Der Fall wäre vermutlich anders beurteilt worden, wenn englisches Recht auf den Vertrag angewendet worden wäre. Nach englischem Recht kann eine Schriftformklausel grundsätzlich nicht überwunden werden. Da sich trotz der Rechtswahl in der Änderungsvereinbarung keine der Parteien auf die Anwendung englischen Rechts berief, wandte das singapurische Gericht singapurisches Recht an. Damit fiel das Urteil für den klagenden Finanzberater zumindest hinsichtlich des Bestehens des Erfolgshonoraranspruchs ungünstig aus.
Fazit
Nicht nur eine gute und durchdachte Vertragsgestaltung sind unerlässlich im (internationalen) Wirtschaftsverkehr, sondern auch die Durchsetzung solcher zum Teil sehr komplexer Vertragswerke erfordert ein hohes Maß an Präzision und Weitsicht – vor allem auch in einzelnen Klauseln und der dabei verwendeten Sprache.
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