Insol­ven­zen in der Lie­fer­ket­te: Was gilt es zu tun?

Aus­wir­kun­gen einer Insol­venz in der Lie­fer­ket­te und wie Risi­ken mini­miert werden

Ein unlieb­sa­mes, aber immer häu­fi­ger rea­les Sze­na­rio: Der Geschäfts­part­ner – ob Kun­de oder Lie­fe­rant – wird insol­vent. Wie wirkt sich dies auf die Geschäfts­be­zie­hung aus und was kann man tun, um wirt­schaft­li­che Risi­ken sowohl reak­tiv als auch prä­ven­tiv für das eige­ne Unter­neh­men zu minimieren?

Fol­gen einer Insolvenz

Mit Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ver­liert der Schuld­ner die (allei­ni­ge) Ver­fü­gungs­ge­walt über sein Ver­mö­gen. Die­se geht auf den Insol­venz­ver­wal­ter über, der in die Rechts­stel­lung des Schuld­ners eintritt.

Offe­ne For­de­run­gen, die zum Zeit­punkt der Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens bereits begrün­det waren, wer­den grund­sätz­lich zu sog. Insol­venz­for­de­run­gen. Der Gläu­bi­ger muss sie zur Insol­venz­ta­bel­le anmel­den, um am Ende des Insol­venz­ver­fah­rens aus der Insol­venz­mas­se antei­lig befrie­digt zu wer­den. Ver­bind­lich­kei­ten, die nach Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ent­ste­hen, sind sog. Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten, die vor­ab und in vol­ler Höhe aus der Insol­venz­mas­se befrie­digt werden.

In der Zulie­fe­rer­kon­stel­la­ti­on einer Lie­fer­ket­te ist das Ver­trags­ver­hält­nis typi­scher­wei­se durch gegen­sei­ti­ge Ver­trä­ge aus­ge­stal­tet (häu­fig eine Art Rah­men­ver­trag und dar­auf basie­rend ein­zel­ne Lie­fer­ver­trä­ge). Sind die­se (bei­der­sei­tig) noch nicht voll­stän­dig erfüllt, kann der Insol­venz­ver­wal­ter wäh­len, ob er den Ver­trag fort­set­zen will oder nicht (§ 103 InsO). Wählt er die Erfül­lung, wird die For­de­rung zu einer Mas­se­ver­bind­lich­keit. Lehnt er die Erfül­lung ab bzw. ist der Gläu­bi­ger ins­ge­samt oder bezüg­lich ein­zel­ner Bestel­lun­gen in Vor­leis­tung getre­ten, kön­nen etwa­ige (Schadensersatz-)Forderungen nur zur Insol­venz­ta­bel­le ange­mel­det wer­den. Bis zur Aus­übung des Wahl­rechts blei­ben Bestand und Inhalt des Ver­tra­ges zwar unver­än­dert, die bei­der­sei­ti­gen Leis­tungs­pflich­ten sind aber vor­erst nicht durch­setz­bar (§ 320 BGB).

Kon­kret heißt das:

  • im Fal­le der Insol­venz des eige­nen Kun­den muss die­ser offe­ne Rech­nun­gen also nur bezah­len, wenn sie – infol­ge der Erfül­lungs­wahl oder durch Auf­ga­be neu­er Bestel­lun­gen durch den Insol­venz­ver­wal­ter – Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten sind. Gleich­zei­tig kann es auf­grund der ver­trag­li­chen Situa­ti­on sein, dass der Lie­fe­rant trotz offe­ner und fäl­li­ger Rech­nun­gen zur Wei­ter­be­lie­fe­rung ver­pflich­tet ist.
  • im Fal­le der Insol­venz des Lie­fe­ran­ten hängt auch des­sen Lie­fer­pflicht von der Ein­ord­nung als Mas­se­ver­bind­lich­keit ab. Ent­schei­det sich der Ver­wal­ter gegen die Fort­füh­rung des Ver­trags und die Wei­ter­be­lie­fe­rung, bleibt nur die Mög­lich­keit, etwa­ige (Ersatz-) For­de­run­gen zur Tabel­le anzumelden.

Gene­rell gilt daher: Der Insol­venz­ver­wal­ter soll­te früh­zei­tig kon­tak­tiert wer­den, um das wei­te­re Vor­ge­hen abzu­stim­men. Von einem wei­te­ren Leis­tungs­aus­tausch soll­te bis dahin abge­se­hen wer­den. Der Insol­venz­ver­wal­ter kann auch zur Erfül­lungs­wahl auf­ge­for­dert wer­den, um den Schwe­be­zu­stand zu beenden.

Dro­hen­de Insol­venz des Kunden

Aus den genann­ten Grün­den ist der Hand­lungs­spiel­raum begrenzt, sobald die Insol­venz erst ein­mal ein­ge­tre­ten ist. Der Insol­venz­ver­wal­ter wird sei­ne Ent­schei­dun­gen aus­schließ­lich am Vor­teil für die Insol­venz­mas­se aus­rich­ten. Erken­nen Sie Anzei­chen einer dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit ihres Kun­den, kön­nen Sie jedoch auch bereits vor Insol­venz­er­öff­nung durch fol­gen­de Maß­nah­men ver­su­chen, die wirt­schaft­li­chen Fol­gen gering zu halten:

  • Umstel­lung der Zah­lungs­kon­di­tio­nen (Vor­kas­se vereinbaren);
  • Die Leis­tung bzgl. aus­ste­hen­der Lie­fe­run­gen ver­wei­gern (sog. Unsi­cher­heits­ein­re­de, § 321 BGB);
  • Siche­rungs­mit­tel ver­ein­ba­ren (z.B. Garantie/Bürgschaft, Eigen­tums­vor­be­halt, Sicherungsübereignung).

Die Zuläs­sig­keit der ein­zel­nen Maß­nah­men muss dabei im Ein­zel­fall geprüft werden.

Doch Vor­sicht: Nach Insol­venz­er­öff­nung kann der Insol­venz­ver­wal­ter sol­che Ver­ein­ba­run­gen, die die Insol­venz­mas­se zum Nach­teil der Gläu­bi­ger­ge­samt­heit ver­rin­gert haben, unter den Vor­aus­set­zun­gen der §§ 129 ff. InsO ggf. rück­gän­gig machen – ins­be­son­de­re, wenn sie in den letz­ten 3 Mona­ten vor Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens getrof­fen wur­den (sog. Insol­venz­an­fech­tung). In zeit­li­cher Hin­sicht ist das Risi­ko der Anfecht­bar­keit also umso höher, je näher die Ver­ein­ba­rung an der Insol­venz­er­öff­nung liegt.

Dro­hen­de Insol­venz des Lieferanten

Bei Anzei­chen der Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Lie­fe­ran­ten ste­hen eben­falls die bereits auf­ge­zeig­ten Maß­nah­men zur Ver­fü­gung. Steht die Wei­ter­be­lie­fe­rung ernst­haft in Fra­ge, soll­te auch der früh­zei­ti­ge Auf­bau und Wech­sel zu einem Alter­na­tiv­lie­fe­ran­ten erwo­gen wer­den. Unter Berück­sich­ti­gung not­wen­di­ger Frei­ga­be soll­te dazu auch der Kun­de früh ein­ge­bun­den werden.

Aktio­nen zur Unter­stüt­zung des Lie­fe­ran­ten (z.B. durch Abkauf von Werk­zeu­gen, vor­zei­ti­ge Amor­ti­sa­ti­on oder durch Bereit­stel­lung von Mate­ri­al) soll­ten dage­gen gründ­lich abge­wo­gen wer­den. Neben dem Risi­ko der Unwirk­sam­keit wegen Insol­venz­an­fech­tung besteht die Gefahr, dass etwa­ige Rück-/Ersatzforderungen ver­lo­ren sind, weil sie nur antei­lig als Insol­venz­for­de­rung gel­tend gemacht wer­den kön­nen. Hier hel­fen bei­spiels­wei­se wei­te­re Absi­che­run­gen wie Patro­nats­er­klä­run­gen (noch) sol­ven­ter Kon­zern­ge­sell­schaf­ten des Lieferanten.

Prä­ven­ti­on

Steht die Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Geschäfts­part­ners (erkenn­bar) unmit­tel­bar bevor oder ist die Insol­venz bereits ein­ge­tre­ten, sind die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten aus o.g. Grün­den (Insol­venz­an­fech­tung, Ent­schei­dungs­ge­walt des Insol­venz­ver­wal­ters) begrenzt.

Daher emp­feh­len wir, sol­che Situa­tio­nen schon vor­ab – durch vor­aus­schau­en­de Ver­trags­ge­stal­tung – prä­ven­tiv abzu­si­chern. Das kann ins­be­son­de­re durch früh­zei­ti­ge Ver­an­ke­rung von Sicher­hei­ten erfol­gen. Vor­teil: bestehen­de Sicher­hei­ten unter­lie­gen, anders als nach­träg­lich ver­ein­bar­te, nicht der Insol­venz­an­fech­tung und Gläu­bi­ger wer­den im Insol­venz­fall bevor­zugt und in vol­ler Höhe befrie­digt (sog. Aussonderungs- bzw. Abson­de­rungs­recht, je nach Art der Sicher­heit). Sie erleich­tern außer­dem den Wech­sel zu Ersatzlieferanten.

Zu mög­li­chen prä­ven­ti­ven Sicher­heits­me­cha­nis­men zählen:

  • Regel­mä­ßi­ges Moni­to­ring der Finanz­si­tua­ti­on mei­ner Geschäftspartner;
  • Ver­ein­ba­rung von Eigen­tums­vor­be­hal­ten bzw. gene­rell Über­tra­gung von fer­ti­gungs­re­le­van­tem Equip­ment (z.B. Lie­fer­ge­gen­stän­den, Werk­zeu­gen, Mate­ri­al, Anla­gen, etc.);
  • Über­tra­gung von Schutz­rech­ten (z.B. Paten­te, Design), Lizen­zen und Know-how;
  • Ver­ein­ba­rung von Optio­nen zum Erwerb von Fertigungsequipment;
  • Bei Soft­ware: Hin­ter­le­gung von Quell­codes mit Zugriffs­mög­lich­keit im Insolvenzfall;
  • Ver­hand­lung von Zahlungs-/Lieferkonditionen: Vor­leis­tun­gen ver­mei­den, soweit dies mög­lich ist;
  • Kün­di­gungs­rech­te ver­ein­ba­ren, um die Ver­trags­be­zie­hung fle­xi­bel been­den zu kön­nen. Aber Vor­sicht: In AGB for­mu­lier­te Kün­di­gungs­rech­te auf­grund einer Insol­venz sind nach stän­di­ger Recht­spre­chung höchst­wahr­schein­lich unwirksam.
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