Mit seinem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vom 15.08.2019 ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) auf dem Weg, ein Novum in Deutschland zu schaffen: ein Unternehmensstrafrecht in Form des Verbandssanktionengesetzes.
Hintergrund des Referentenentwurfs ist, dass Straftaten von Verbänden (juristische Personen und Personenvereinigungen) nach geltendem Recht lediglich mit einer Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro geahndet werden können. Ein Bußgeld von zehn Millionen Euro ist zwar für kleine und mittelständische Unternehmen abschreckend, lässt mit Blick auf finanzstarke multinationale Konzerne jedoch keinen Spielraum für empfindliche Sanktionen.
Darüber hinaus legt das geltende Ordnungswidrigkeitenrecht die Verfolgung selbst schwerster Unternehmenskriminalität allein in das Ermessen der zuständigen Behörden, was im Ergebnis zu einer uneinheitlichen und unzureichenden Ahndung gegenüber Verbänden geführt hat.
Vor diesem Hintergrund umfasst der nun vorgelegte Referentenentwurf sechs Kernbereiche, deren wesentliche Inhalte wir im Folgenden kurz darstellen:
1. Neuordnung des verbandsbezogenen Sanktionsrechts
Durch die Kodifizierung der Verbandssanktion in einem neuen Stammgesetz wird die Bedeutung dieser Sanktionen verdeutlicht. Vorhandene Elemente der Verbandsgeldbuße (§ 30 OWiG) werden diesbezüglich aufgegriffen und weiterentwickelt.
2. Erweiterung des Sanktionsspektrums
Neben der Verbandsgeldsanktion und der Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt sieht der Entwurf auch die Verbandsauflösung vor. Eine Kombination der Sanktionsarten miteinander ist möglich.
3. Berücksichtigung von verbandsinternen Untersuchungen
Seitens des Verbandes getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Verbandsstraftaten werden bei der Bemessung der Verbandssanktion berücksichtigt, wodurch laut Begründung Anreize zur Etablierung von wirksamen Compliance-Management-Systemen geschaffen werden sollen.
4. Rechtsnachfolge und Ausfallhaftung
Zur Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten durch Herbeiführen einer partiellen oder gesamten Rechtsnachfolge ist vorgesehen, dass die Sanktionen auch gegen den oder die Rechtsnachfolger verhängt werden können.
5. Legalitätsprinzip
Das Verbandssanktionengesetz unterwirft die Verfolgung von Verbandsstraftaten dem sog. Legalitätsprinzip: Beim Vorliegen eines Anfangsverdachtes besteht für die Behörden ein Verfolgungszwang. Dieser ist zwar nicht ausnahmslos, stellt jedoch eine gleichmäßige und regelmäßige Rechtsanwendung sicher.
6. Verbandssanktionenregister
Angelehnt an das Bundeszentral- und das Gewerbezentralregister wird beim Bundesamt für Justiz ein Verbandssanktionenregister eingeführt. Eingetragen werden neben rechtskräftigen Entscheidungen über die Verhängung von Verbandssanktionen auch Bußgeldentscheidungen nach § 30 OWiG. Die regelmäßige Tilgungsfrist der Einträge beträgt zehn Jahre.
Hinweise für die Praxis
Auch wenn es sich lediglich um einen Referentenentwurf handelt, sollten sich Unternehmen frühzeitig mit seinem Inhalt auseinandersetzen. Dies nicht zuletzt deshalb, da die Etablierung von internen Kontrollen bspw. durch wirksame Compliance-Management-Systeme regelmäßig ein zeitintensives Unterfangen ist und mit Blick auf den nun vorliegenden Referentenwurf sowie internationale Tendenzen die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland primär eine Frage des „Wie“ und weniger des „Ob“ zu sein scheint.
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