Ob Stromversorgung, Trinkwasser, Fernwärme oder öffentlicher Personennahverkehr – Stadtwerke sind tragende Säulen der öffentlichen Daseinsvorsorge in Deutschland. Zentrale Tätigkeitsbereiche der Stadtwerke sind bereits reguliert und unterliegen insbesondere den Anforderungen an KRITIS-Betreiber nach dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG).
Mit der NIS-2-Richtlinie kommen nun neue Pflichten auf Stadtwerke und kommunale Unternehmen zu – auch für bislang nicht regulierte Bereiche. Ziel der europäischen Richtlinie ist es, die Cybersicherheit in insgesamt 18 Wirtschaftssektoren zu stärken. Der Anwendungsbereich wurde dabei deutlich ausgeweitet: Schon einzelne Nebentätigkeiten können ausreichen, um von den Vorgaben erfasst zu werden. Für Stadtwerke mit komplexen Konzernstrukturen und einem breit gefächerten Portfolio an Diensten und Tätigkeiten stellt die systematische Betroffenheitsanalyse daher häufig eine erste Hürde bei der Umsetzung der Vorgaben dar. Für jede Gesellschaft ist einzeln zu prüfen, ob sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Nachfolgend erläutern wir fünf typische Fallstricke, auf die im Rahmen der Betroffenheitsanalyse von Stadtwerken besonders zu achten ist.
1) Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
Viele Stadtwerke betreiben den regionalen ÖPNV. Der reine Busbetrieb fällt nicht unter die NIS-2-Richtlinie. Anders sieht es jedoch aus, wenn digitale Komponenten wie Fahrgastinformationen in Echtzeit, Flottenmanagement oder Geofencing zum Einsatz kommen. In diesen Fällen kann die betroffene Gesellschaft als Betreiber eines intelligenten Verkehrssystems gelten – und damit in den Anwendungsbereich fallen.
2) Betreiberrollen bei Fernwärme & Co.
Die NIS-2-Richtlinie stellt vielfach auf die Rolle des Betreibers bestimmter Infrastrukturen ab – etwa im Bereich der Fernwärmeversorgung. Eine gesetzlich eindeutige Definition, wann eine Gesellschaft als Betreiber gilt, fehlt jedoch. In der Praxis liegen Eigentum, Betrieb, Abrechnung und Kundenverträge oft bei verschiedenen Gesellschaften. Welche Rolle maßgeblich ist, lässt sich nur im Einzelfall klären. Eine präzise rechtliche Einordnung ist essenziell.
3) Konzerninterne IT-Dienstleistungen
Die NIS-2-Richtlinie erfasst auch IT-Dienstleistungen, wenn diese in Form von Rechenzentren, Cloud-Services oder Managed Services für andere Gesellschaften innerhalb des Konzerns erbracht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Haupt- oder Nebentätigkeit handelt. Die zentrale Konzern-IT ist deshalb ein häufiger, aber oft übersehener Auslöser für die Anwendung der NIS-2-Richtlinie. Eine genaue Prüfung konzerninterner IT-Leistungen ist daher unerlässlich.
4) Smart-City-Projekte
Stadtwerke engagieren sich zunehmend in Smart-City-Initiativen und übernehmen eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung urbaner Infrastrukturen. Ein häufiges Tätigkeitsfeld ist der Aufbau und Betrieb von Funknetzen wie LoRaWAN, etwa zur Anbindung von IoT-Sensoren für Anwendungen in den Bereichen Verkehr, Umwelt, Energie oder Abfallwirtschaft. Was technologisch innovativ ist, kann jedoch auch regulatorisch relevant sein: Der Betrieb solcher Netze kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Betroffenheit nach der NIS-2-Richtlinie auslösen. Auch Pilotprojekte oder öffentlich-private Kooperationen sollten frühzeitig auf mögliche Betroffenheit hin geprüft werden.
5) Unterschätzte Nebentätigkeiten
Im Gegensatz zur bisherigen KRITIS-Regulierung sieht die NIS-2-Richtlinie keine festen Schwellenwerte für die Erfassung von erbrachten Leistungen oder Diensten vor. Maßgeblich ist allein, ob eine Gesellschaft als mittleres Unternehmen im Sinne der KMU-Definition gilt und eine regulierte Tätigkeit ausübt. Das hat weitreichende Folgen: Bereits vermeintlich untergeordnete Tätigkeiten wie der Betrieb einzelner Photovoltaikanlagen oder Ladesäulen für E‑Fahrzeuge können ausreichen, um den Anwendungsbereich der Richtlinie zu eröffnen.
Fazit
Die Betroffenheitsanalyse nach der NIS-2-Richtlinie ist für Stadtwerke aufgrund komplexer Konzernstrukturen und vielfältiger Tätigkeitsbereiche anspruchsvoll – mit der richtigen Herangehensweise aber gut umsetzbar. Entscheidend ist ein systematisches Vorgehen: Ausgangspunkt sollte stets das vollständige Organigramm der Unternehmensgruppe sein. Auf dieser Basis sind Beteiligungen zu erfassen, Schwellenwerte korrekt zu berechnen, sämtliche Gesellschaften zu prüfen und alle Ergebnisse nachvollziehbar zu dokumentieren. Wer dabei auch scheinbar nebensächliche Tätigkeiten und typische Fallstricke im Blick behält, schafft die Grundlage für eine rechtssichere und effiziente Umsetzung der neuen Vorgaben.
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