Die aktuelle Lage aus anwaltlicher Sicht
Die IT-Sicherheitslage verschärft sich seit Jahren und die Schäden durch Cyber-Angriffe nehmen stetig zu. Für Unternehmen birgt diese Situation große Risiken. Die Absicherung durch eine Cyberversicherung ist daher für viele Unternehmen unumgänglich geworden. Mit der Zunahme der Cyberbedrohungen steigen aber auch die Anforderungen an Cyberversicherungen.
Immer strengere Vorgaben der Cyberversicherungen
Cyberversicherungen bieten Unternehmen die Möglichkeit, sich gegen Cyberangriffe und daraus resultierende Schäden abzusichern. Voraussetzung für den Abschluss einer Cyberversicherung ist in der Regel die Durchführung einer Sicherheitsprüfung durch den Versicherer anhand eines Risikofragenkatalogs. Durch die Zunahme der Cyberkriminalität und das professionelle Vorgehen der Angreifer sind die Anforderungen an Cyberversicherungen, die sich am Sicherheitsniveau der zu schützenden Systeme orientieren, jedoch deutlich gestiegen. Die Zahl der Fälle, die als nicht versicherbar eingestuft werden, nimmt zu. Bereits der Abschluss einer Cyberversicherung kann für ein Unternehmen deshalb eine erhebliche Hürde darstellen.
Doch selbst wenn die Hürde des Vertragsabschlusses genommen wurde, ist eine Schadensregulierung nicht garantiert. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Versicherer bei Deckungszusagen zunehmend zurückhaltend reagieren und die Regulierung von Schäden zu einem Kraftakt wird. Typische Einwände, die mitunter in einem monatelangen Frage- und Antwortspiel vorgebracht werden, sind das Nichtzustandekommen eines wirksamen Versicherungsvertrags , die Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten und Obliegenheiten sowie Leistungskürzungen wegen nachträglicher Gefahrerhöhungen. Die Liste der möglichen Ausschlussgründe der Versicherer ist meist lang, so dass eine aufwendige Prüfung der einschlägigen Vertragsunterlagen sowie der Umstände des konkreten Einzelfalls erforderlich ist.
Erste Fälle landen vor Gericht
Die veränderte Situation bei Cyberversicherungen führt auch dazu, dass Streitigkeiten zunehmend vor Gericht ausgetragen werden müssen. Ein aktuelles Urteil des LG Tübingen (4 O 193/21) zeigt jedoch, dass die Einwände der Versicherer nicht in jedem Fall erfolgreich sind. Das Gericht entschied, dass der Versicherer bei einem erfolgreichen Phishing-Angriff mit anschließender Verschlüsselung der IT-Systeme den entstandenen Schaden zu ersetzen hat, obwohl die Systeme teilweise nicht mit aktuellen Sicherheitsupdates ausgestattet waren. Die Einwände des Versicherers, es läge eine arglistige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht hinsichtlich des Sicherheitsniveaus der Systeme und eine nachträgliche Gefahrerhöhung durch das Unterlassen des Einspielens von Sicherheitsupdates vor, griffen nach Ansicht des Gerichts nicht durch. Es fehlte an der erforderlichen Kausalität, da der Versicherungsnehmer nachweisen konnte, dass die vorgetragenen Umstände keinen Einfluss auf den Eintritt des IT-Sicherheitsvorfalls hatten (sog. Kausalitätsgegenbeweis). Auch der Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls hatte keinen Erfolg, da die Gefahrenlage hinsichtlich der Sicherheitsupdates bereits bei Vertragsschluss bestand und Grundlage der Risikoprüfung des Versicherers hätte sein müssen. Eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Verbesserung der Gefahrenlage habe gerade nicht bestanden.
Tipps für die Praxis
Die strengen Anforderungen der Cyberversicherungen stellen Unternehmen sowohl bei Versicherungsabschluss als auch im Schadensfall zunehmend vor Herausforderungen. Unternehmen sollten sich davon jedoch nicht abschrecken lassen, sondern sich im Einzelfall mit den Anforderungen und etwaigen Einwänden der Versicherer auseinandersetzen. Unsere Erfahrung zeigt, dass insbesondere bei einer verzögerten oder gar verweigerten Schadensregulierung eine Konfrontation des Versicherers mit einer juristischen Bewertung des Sachverhalts das Blatt wenden kann. Unternehmen sollten einen Maßnahmenplan für die Kommunikation mit ihrem Versicherer bereithalten, der insbesondere folgende Aspekte beinhalten sollte:
- Dokumentation des Sachverhalts und der ergriffenen Maßnahmen
- Rechtliche Bewertung (insbesondere bei Lösegeldzahlungen)
- Kommunikation und Abstimmung mit dem Versicherungsmakler
- Erstellung der notwendigen Compliance-Dokumente