Wann gilt was für wen?
Die aktuell noch geltende Industrieemissionsrichtlinie 2010/75/EU reguliert die Luft‑, Boden- und Wasserverschmutzung durch Industrieanlagen. Sie enthält Kriterien zur Festlegung von einzuhaltenden Emissionsgrenzwerten und zu entsprechenden Überprüfungsverfahren sowie andere genehmigungsrelevante Inhalte. Im Zuge des europäischen Green Deal befindet sich die Richtlinie aktuell in Überarbeitung. Durch die überarbeitete Version der Richtlinie (auch „IED 2.0“ genannt) sollen durch die Förderung von Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung die Klimaschutzziele der EU bis 2050 erreicht werden.
Dazu wird mit der Überarbeitung insbesondere der sachliche Anwendungsbereich der IED erheblich erweitert, sodass viele Industrieanlagen erstmals einer Genehmigungspflicht nach der IED 2.0 unterliegen werden. Dies betrifft beispielsweise Schmiedeunternehmen, Kaltwalzenbetriebe und große Tierhaltungsbetriebe sowie weitere Unternehmen aus der mineralgewinnenden Industrie und der Batterieherstellung. Aber auch Betreiber von Anlagen, die bereits in den bisherigen Anwendungsbereich der Richtlinie 2010/75/EU fielen, müssen sich zum Teil mit gänzlich neuen Anforderungen vertraut machen.
Neue und strengere Anforderungen für Anlagenbetreiber
Die IED 2.0 wird erstmals die Einführung und Umsetzung eines Umweltmanagementsystems fordern, wovon maßgebliche Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Solche Inhalte sind beispielsweise eigene umweltpolitische Ziele für die fortlaufende Verbesserung von Umweltleistung und Anlagensicherheit, ein Chemikalienverzeichnis sowie der neu eingeführte sog. Transformationsplan zur neutralen Kreislaufwirtschaft. Verstöße gegen diese und andere Pflichten sollen mit hohen Geldstrafen sanktioniert werden.
In Bezug auf die Ermittlung und Überwachung der Einhaltung von zulässigen Umweltleistungs- und Emissionsgrenzwerten wird ein strengerer Maßstab angelegt, wie sich aus Art. 14, 15 und 16 der IED 2.0 ergibt. Zukünftig werden Anlagenbetreiber darauf achten müssen, dass die niedrigsten zu erreichenden Grenzwerte eingehalten werden. Ein Spielraum innerhalb einer Spanne von Emissionswerten wird nicht mehr gewährt.
Welche Grenzwerte für welche Art von Anlagen gelten und mit welchen Verfahren diese zu messen sind (sog. „beste verfügbare Techniken“ – kurz „BVT“), ist den sog. BVT-Merkblättern bzw. den dazugehörigen BVT-Schlussfolgerungen zu entnehmen. Letztere sind Rechtsakte mit technischen Inhalten, die von der EU-Kommission unter Hinzuziehung eines Expertenrates für die verschiedenen Industriebereiche erlassen werden. Sie dienen als Referenzdokumente für die Festlegung der Genehmigungsauflagen für einzelne Industrieanlagen.
Inkrafttreten oder: Ab wann gilt was für wen?
Nachdem der Europäische Rat die Novelle der Industrieemissionsrichtlinie im April 2024 angenommen hat, wird die Veröffentlichung des Gesetzestextes im Amtsblatt der EU in den kommenden Wochen erwartet. Die Richtlinie tritt am 20. Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Spätestens nach 22 Monaten müssen die Regelungen von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt sein.
Die IED 2.0 sieht in Art. 3 jedoch eine Vielzahl von Übergangsbestimmungen für die Anwendung bestimmter Vorschriften aus Art. 14, 15 und 16 vor. Diese kommen erst mit einem entsprechenden zeitlichen Versatz zur Anwendung. Das betrifft insbesondere Anforderungen an (i) einzuhaltende Umweltleistungs- und Emissionsgrenzwerte und (ii) die entsprechende Überwachung der Einhaltung dieser Grenzwerte sowie (iii) die Überwachung des Ressourceneinsatzes und (iv) die Festlegung von für normale Betriebsbedingungen verbindlichen Spannen (Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. aa, bb und h, Art. 15 Abs. 4 und Abs. 6 IED 2.0).
Die Übergangszeiträume sind zu großen Teilen an die Veröffentlichung neuer BVT-Schlussfolgerungen geknüpft. Grundsätzlich sollen die neuen Anforderungen zunächst nur in Verbindung mit neuen BVT-Schlussfolgerungen Anwendung finden, die nach einem Zeitraum von 22 Monaten nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Betreiber von betroffenen Anlagen sollen ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen bis zu vier weitere Jahre Zeit haben, die neuen Anforderungen umzusetzen. Für Anlagen, für die noch „alte“ BVT-Schlussfolgerungen gelten, gilt vorerst weiterhin das bisherige Recht. Spätestens nach zwölf Jahren müssen die Anforderungen dann auch in Bezug auf die neuen BVT-Schlussfolgerungen eingehalten werden. Hierdurch soll der Bestandsschutz für bestehende Anlagen gewahrt werden. Betreiber bestehender Anlagen sollten sich dennoch alsbald mit den neuen Anforderungen vertraut machen, da diese bei einer Genehmigungsaktualisierung im Rahmen von Art. 20 Abs. 2 bzw. Art. 21 Abs. 5 ohne Übergangsfrist zugrunde gelegt werden.
Auch für Anlagen, die erstmals in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen werden, gelten Besonderheiten. Sie müssen innerhalb von vier Jahren nach der Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen alle nach der IED 2.0 erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften einhalten. Davon ausgenommen sind die neuen, strengeren Anforderungen aus Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. aa, bb und h, Art. 15 Abs. 4 und Abs. 6 IED 2.0. Damit soll die Genehmigung langfristig geplanter Projekte erleichtert werden. Werden keine neuen BVT-Schlussfolgerungen erlassen, haben die Betreiber insgesamt zehn Jahre Zeit für die Umsetzung.
Lediglich Anlagen, für die nach Veröffentlichung neuer BVT-Schlussfolgerungen nach einem Übergangszeitraum von 22 Monaten nach Inkrafttreten der IED 2.0 erstmals eine Genehmigung erteilt wird, müssen die Anforderungen bereits ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der neuen BVT-Schlussfolgerungen einhalten.
Fazit
Die neue Industrieemissionsrichtlinie stellt nicht zuletzt durch die Erweiterung ihres Anwendungsbereichs viele Unternehmen vor neue Herausforderungen. Auch die Einhaltung der teilweise neuen Pflichten wird sich zeitintensiv und komplex gestalten.
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