Umgang mit lang­fris­ti­gen Lie­fer­ver­pflich­tun­gen bei pan­de­mie­be­ding­ten Schwierigkeiten

Das Coro­na­vi­rus hat die Welt­wirt­schaft wei­ter­hin fest im Griff. Nahe­zu jedes Unter­neh­men kämpft mit den Aus­wir­kun­gen der Pan­de­mien ins­be­son­de­re Lie­fer­eng­päs­se und gestie­ge­ne Kos­ten erschwe­ren die Erfül­lung (oft lang­fris­tig ver­ein­bar­ter) Lie­fer­ver­pflich­tun­gen. Nach­ste­hend fin­den Sie – über­sichts­ar­tig zusam­men­ge­fasst – Infor­ma­tio­nen zu eini­gen der­zeit inten­siv dis­ku­tier­ten The­men nach deut­schem Recht in die­sem Kontext.

Grund­prin­zi­pi­en ver­trag­li­cher Bindungen

Ein wich­ti­ger Grund­satz lau­tet: pac­ta sunt ser­van­da – Ver­trä­ge sind ein­zu­hal­ten. Ent­wick­lun­gen, die zu Mehr­kos­ten oder gar Ver­lus­ten einer Ver­trags­par­tei füh­ren, sind nach dem gesetz­li­chen Leit­bild der deut­schen Rechts­ord­nung in der Regel hin­zu­neh­men und oft kein aus­rei­chen­der Grund für (ein­sei­ti­ge) Anpas­sun­gen jed­we­der Art.

Ein wei­te­res Prin­zip spielt der­zeit eben­falls eine wich­ti­ge Rol­le: ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen (ob in indi­vi­du­ell ver­han­del­ten Ver­trä­gen oder mit­tels Stan­dard­be­din­gun­gen fest­ge­hal­ten) gel­ten grund­sätz­lich vor­ran­gig vor dem gesetz­li­chen Leit­bild. Zwar unter­fal­len auch im b2b Bereich Stan­dard­klau­seln einer gewis­sen Wirk­sam­keits­prü­fung (spä­tes­tens im gericht­li­chen Streit­fall), den­noch soll­te man auf der Suche nach pas­sen­den Rege­lun­gen immer “von oben nach unten” suchen und prüfen.

Höhe­re Gewalt und Force Majeure

In Zei­ten unste­ter Ver­sor­gungs­la­gen, stei­gen­der Prei­se oder nicht bzw. kaum ver­füg­ba­rer Vor­ma­te­ria­li­en wird schnell nach Aus­we­gen aus der Lie­fer­ver­pflich­tung oder nach der Anpas­sung von Prei­sen geru­fen. In Abstim­mung mit den Ver­trags­part­nern ist dies immer mög­lich. Ein­sei­tig aller­dings eher sel­ten. Ob der­ar­ti­ge Mög­lich­kei­ten bestehen, rich­tet sich pri­mär nach den ver­trag­li­chen Rege­lun­gen. Hier gilt: Man muss sehr genau prü­fen, ob und wel­che Vor­aus­set­zun­gen ent­spre­chen­der Klau­seln erfüllt sind. Ein Bei­spiel hier­zu: Ist von der “Vor­her­seh­bar­keit” kras­ser Umstän­de auf­grund einer Pan­de­mie die Rede, wird man sich fra­gen müs­sen, ob (zumin­dest) nach März 2020 geschlos­se­ne Ver­trä­ge noch ohne eine sol­che Vor­her­seh­bar­keit getrof­fen wurden.

Bestehen kei­ne ver­trag­li­chen Rege­lun­gen, wird die gesetz­li­che Situa­ti­on rele­vant. Bür­ger­li­ches Gesetz­buch (BGB) und Han­dels­ge­setz­buch (HGB) sehen kei­ne aus­drück­li­chen Rege­lun­gen zu “Force Majeu­re” oder “Höhe­rer Gewalt” in die­sem Kon­text vor. Viel­mehr wer­den The­men wie “Unmög­lich­keit” im Sin­ne des § 275 BGB, die “Stö­rung der Geschäfts­grund­la­ge” nach § 313 BGB oder aber die (außer-)ordentliche Kün­di­gung von Ver­trä­gen nach § 314 oder den §§ 623, 724 BGB (ana­log) in Betracht zu zie­hen sein. Aller­dings muss hier­bei sehr genau auf Vor­aus­set­zun­gen und Kon­se­quen­zen der jewei­li­gen Rege­lun­gen geach­tet werden.

Noch­mals: Typi­sche Risi­ken des Unter­neh­mer­tums wür­digt der Gesetz­ge­ber nicht als aus­rei­chen­de Grund­la­ge für ein­sei­ti­ge Anpas­sun­gen bestehen­der Verpflichtungen.

Beschaffungspflicht/Beschaffungsrisiko

Besteht eine Beschaf­fungs­pflicht des Lie­fe­ran­ten, hat er die­ser nach­zu­kom­men, unab­hän­gig davon, ob dies einen zusätz­li­chen finan­zi­el­len Auf­wand bedeu­tet. Alle für den Lie­fe­ran­ten (zumut­ba­ren) Mög­lich­kei­ten zur Waren­be­schaf­fung müs­sen berück­sich­tigt und umge­setzt wer­den. Die­se Pflicht gilt unab­hän­gig von einem Ver­schul­den des Lie­fe­ran­ten in Bezug auf ein Lie­fer­hin­der­nis. Eine (gesetz­lich gere­gel­te) Befrei­ung von der Beschaf­fungs­pflicht unter­liegt stren­gen Anfor­de­run­gen: In Betracht kom­men bei­spiels­wei­se die bereits erwähn­ten § 275 BGB oder § 313 BGB. Vor die­sem Kon­text soll­te bei ver­bind­li­chen Mate­ri­al­vor­ga­ben bedacht wer­den, Kun­den etwa­ige Alter­na­tiv­ma­te­ria­li­en vor­zu­schla­gen und ent­spre­chen­de Frei­ga­ben zu besprechen.

Scha­dens­er­satz

Nach deut­schem Recht hängt die Pflicht zum Scha­dens­er­satz für nicht oder nicht ordent­lich erfüll­te Ver­pflich­tun­gen in der Regel an einem Ver­schul­den, wel­ches man auch als die Nicht­er­fül­lung der erwart­ba­ren Sorg­falts­pflich­ten in gehö­ri­gem Maße umschrei­ben könn­te. Im Hin­blick auf Lie­fer­ket­ten, Preis­ent­wick­lun­gen und Ver­füg­bar­kei­ten auf der einen Sei­te sowie Lie­fer­ver­pflich­tun­gen auf der ande­ren wird man vom Lie­fe­ran­ten erwar­ten kön­nen, dass er gemäß ent­spre­chen­der (Wissens-)Lage sein Supply-Chain-Management ent­spre­chend auf- und umsetzt, mit­hin also zumut­ba­re Anstren­gun­gen unter­nimmt, sei­nen Ver­pflich­tun­gen nach­zu­kom­men. Der Lie­fe­rant tut gut dar­an, die ent­spre­chen­den Maß­nah­men zu dokumentieren.

Ein­sei­ti­ge Ver­trags­an­pas­sun­gen oder außer­or­dent­li­che Kündigungen

Die nach­träg­li­che ein­sei­ti­ge Anpas­sung bestehen­der Ver­trä­ge oder deren außer­or­dent­li­cher Kün­di­gung wider­spre­chen den ein­gangs erwähn­ten Grund­prin­zi­pi­en und sind damit nur in begrenz­tem Umfang möglich.

  • Eine Anpas­sung auf­grund der sog. “Stö­rung der Geschäfts­grund­la­ge” nach § 313 BGB wird häu­fig an des­sen Vor­aus­set­zun­gen schei­tern. Ins­be­son­de­re müss­te das wei­te­re Fest­hal­ten am Ver­trag zu einem untrag­ba­ren Ergeb­nis füh­ren, das sich “mit Recht und Gerech­tig­keit schlecht­hin nicht ver­ein­ba­ren lässt”. Bis­her hat die Recht­spre­chung selbst gra­vie­ren­de Kos­ten­stei­ge­run­gen für Roh­stof­fe als typi­sches unter­neh­me­ri­sches Risi­ko des Lie­fe­ran­ten ange­se­hen und damit als “zumut­bar” erachtet.
  • Ähn­lich ver­hält es sich bei einer außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung aus wich­ti­gem Grund nach § 314 BGB. Auch die­se setzt vor­aus, dass die Fort­set­zung des Ver­trags­ver­hält­nis­ses bis zu des­sen Been­di­gung unter Berück­sich­ti­gung aller Umstän­de und unter Abwä­gung der bei­der­sei­ti­gen Inter­es­sen unzu­mut­bar ist.

Ordent­li­che Kündigung

Die ordent­li­che Kün­di­gung für Rah­men­lie­fer­ver­trä­ge ist gesetz­lich nicht aus­drück­lich gere­gelt. Sie kommt aller­dings nach aktu­el­ler Recht­spre­chung durch ana­lo­ge Anwen­dung der §§ 623, 724 BGB in Betracht. Auch hier­für sind bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen zu erfüllen:

  • Die ordent­li­che Kün­di­gung darf nicht durch eine ver­trag­li­che Rege­lung aus­ge­schlos­sen sein;
  • Bei dem Lie­fer­ver­trag muss es sich um ein Dau­er­schuld­ver­hält­nis han­deln, d. h. das Ende der Ver­trags­be­zie­hung darf nicht vor­ab bestimmt sein (weder durch ein kon­kre­tes End­da­tum noch durch ein bestimm­ba­res Ereig­nis, wie etwa eine abschlie­ßend fest­ge­leg­te Liefermenge);
  • Eine im Ein­zel­fall “ange­mes­se­ne” Kün­di­gungs­frist muss ein­ge­hal­ten wer­den. Die­se kann sich etwa an der Dau­er ori­en­tie­ren, die für eine Umstel­lung der Pro­dukt­pa­let­te erfor­der­lich ist.

Die voll­stän­di­ge Man­da­ten­in­for­ma­ti­on von Dani­el Wuhr­mann kön­nen Sie hier herunterladen.

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