Am 31.01.2020 schied das Vereinigte Königreich im vierten offiziellen Austrittstermin aus der EU aus. Der gefürchtete Brexit ist damit vollzogen. Ein als “harter” oder auch als “No-Deal-Brexit” bezeichneter Austritt konnte zunächst abgewendet werden. Das zwischen EU und dem Vereinigten Königreich geschlossene Austrittsabkommen regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den Akteuren zumindest vorläufig bis zum Ablauf einer Übergangszeit von vorerst 11 Monaten bis zum 31.12.2020.
Dieser Zeitraum kann einmalig um höchstens zwei Jahre, längstens also bis zum 31.12.2022 verlängert werden. Innerhalb der Übergangsfrist ergeben sich für die Medizinproduktebranche keine radikalen Veränderungen, sodass bis zum Fristablauf das Vereinigte Königreich weiterhin wie ein Mitgliedsstaat der EU behandelt wird. Das bedeutet, dass das EU-Recht weiterhin anwendbar ist und das Vereinigte Königreich weiterhin alle Rechte und Pflichten eines Mitgliedsstaates treffen.
Hervorzuheben ist aber dennoch, dass das Austrittsabkommen u.a. Regelungen zur Warenverkehrsfreiheit beinhaltet, die auch für die Medizinproduktebranche von Bedeutung sind. So definiert das Abkommen etwa den Austausch von Informationen der Benannten Stellen der EU und des Vereinigten Königreichs. Benannte Stellen im Sinne des Abkommens sind dabei sogenannte “Konformitätsbewertungsstellen”. Es handelt sich dabei nicht nur um die zahlenmäßig begrenzten, etablierten Benannten Stellen für Medizinprodukte, sondern generell um Institutionen, die im Sinne des Unionsrechts zur Durchführung von Konformitätsbewertungen ermächtigt sind.
Für Hersteller wesentlich ist weiter, dass das Austrittsabkommen explizit auch die fortgesetzte Verkehrsfähigkeit derjenigen Produkte auch über die Übergangsphase hinaus gewährleistet, die vor Ablauf des Übergangszeitraums ordnungsmäßig in Verkehr gebracht werden. Das bedeutet für Medizinproduktehersteller und ‑händler, dass Medizinprodukte dementsprechend weiter in Verkehr bleiben und sowohl auf dem Unionsmarkt als auch im Vereinigten Königreich angeboten werden dürfen.
Wie sich der Brexit nach Ablauf der Übergangsphase weiter auswirken wird, ist noch unklar. Bisher liegt lediglich die sogenannte “Politische Erklärung” der EU und des Vereinigten Königreichs vor, mit der die Rahmenbedingungen der zukünftigen Kooperation grob abgesteckt wurden. Die Erklärung lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass die regulatorischen Anforderungen unterworfenen Branchen wie die Medizinprodukteindustrie in den Blick genommen wurden und in Folgeabkommen umfassend verhandelt werden.
Sollte zum Ablauf der Übergangszeit stattdessen anstelle tragfähiger Abkommen erneut das “No-Deal-Brexit-Szenario” wiederaufleben, müsste das Vereinigte Königreich als Drittstaat behandelt werden, was sich für die Medizinproduktebranche u.a. nachteilig auf die Wirksamkeit bestehender CE-Zertifikate auswirken könnte.
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