Die Einstufung von mHealth-Anwendungen als Medizinprodukt richtet sich in erster Linie nach der Zweckbestimmung des Herstellers. Fehlt es an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung, stehen für die Einordnung von Software als Medizinprodukt oder Nichtmedizinprodukt verschiedene Auslegungshilfen zur Verfügung (BfArM Abgrenzung MedicalApps, BfArM Abgrenzung Medizinprodukte). Es gilt der Grundsatz, dass eine Software eine medizinische Funktionalität aufweisen muss (zu unserem Newsletterbeitrag Software als Medizinprodukt).
Als Medizinprodukt gelten aufgrund des mit ihnen eindeutig therapeutisch oder diagnostisch verfolgten Zwecks etwa Medikationsdosierungssysteme, Programme zur Wiederherstellung kognitiver Fähigkeiten (z.B. interaktive Spiele und Übungen) oder Alarmsysteme basierend auf der Überwachung und Analyse von Patienten. Keine Medizinprodukte sind z.B. Apps, die nur zu Fitnesszwecken Herzfrequenz, BMI etc. ermitteln; Apps, die hochgeladene Dateien zur Begutachtung an Fachpersonal übermitteln, ohne diese zu analysieren; Apps zur Buchung von Terminen, zur virtuellen Konsultation oder sonstigen administrativen Zwecken.
Liegt ein Medizinprodukt vor, so hat dies u.a. zur Folge, dass Werbung den Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) entsprechen muss. Zwar wurde das HWG für „klassische“ Arzneimittel und Medizinprodukte entworfen; sein Anwendungsbereich ist jedoch entsprechend auf Software als Medizinprodukt zu übertragen.
Anwendungs- und Regelungsbereiche des HWG
Grundsätzlich umfasst Werbung im Sinne des § 1 HWG alle produkt- und leistungsbezogenen Aussagen, die darauf angelegt sind, den Absatz des beworbenen Produkts zu fördern.
Nach der zentralen Vorschrift des § 3 HWG ist irreführende Werbung generell unzulässig. Irreführend im Sinne der Norm ist die Werbung für Software in Form einer mHealth Anwendung dann, wenn ihr eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht hat. Außerdem wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ihre Anwendung mit Sicherheit zum Eintritt eines erwarteten Erfolges führen wird. Auch unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Beschaffenheit von Software oder über die Art und Weise der Verfahren von Behandlungen sind nach § 3 HWG irreführend und daher zu unterlassen. Es muss berücksichtigt werden, dass die Rechtsprechung strenge Maßstäbe an Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen stellt.
Im Bereich mHealth ist überdies das Werbeverbot aus § 9 HWG von Bedeutung. Danach ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, (…), die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht, unzulässig (Fernbehandlung). Eine „Fernbehandlung“ setzt voraus, dass der Patient Fragen an den Werbenden stellen kann, die das Ziel eines Behandlungsvorschlags oder der Diagnose haben sollen. Wesentlicher Aspekt der Fernbehandlung ist weiter, dass der Behandelnde sich konkret und individuell zu der zu behandelnden Person äußert und dass diese Äußerung nicht auf einer eigenen Wahrnehmung des Arztes beruht. Übertragen auf mHealth-Produkte bedeutet dies, dass keine Werbung für eine Medizinprodukte-Software betrieben werden darf, die einen individuellen, nutzerbezogenen Prozess durchführt (Achtung: die Funktion der Software an sich ist zulässig). Dieses Verbot kann nicht durch den Hinweis umgangen werden, dass die Informationen der Software keine persönliche ärztliche Beratung und Behandlung ersetzen.
Darüber hinaus unterliegt nach § 6 HWG die Werbung mit Zeugnissen, Gutachten und sonstigen Veröffentlichungen bestimmten Bedingungen. So darf insbesondere nur mit Gutachten und Zeugnissen geworben werden, die aus Fachkreisen stammen und den Namen der verantwortlichen Person angeben.
Ein generelles Werbeverbot gilt nach § 12 HWG außerdem für mHealth-Produkte im Zusammenhang mit Suchtkrankheiten (ausgenommen Nikotinabhängigkeit), krankhaften Komplikationen der Schwangerschaft, der Entbindung und des Wochenbetts sowie im Zusammenhang mit meldepflichtigen Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz.
Schließlich ist zu beachten, dass das HWG keine Pflichtangaben bei der Werbung für Software vorsieht. Werbetreibende müssen in erster Linie die Verbote berücksichtigen. Ausdrücklichen Mindestangaben sind sie bisher nicht ausgesetzt.
Folge von Verstößen
Verstöße gegen das Verbot irreführender Werbung nach § 3 HWG können mit Freiheits- oder Geldstrafe sanktioniert werden. Andere Verstöße gegen das HWG stellen eine Ordnungswidrigkeit dar. Überdies kann eine Missachtung auch wettbewerbsrechtliche Folgen haben. Sie gilt in der Regel als unlautere Handlung im Sinne des UWG und kann Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz begründen.
Handlungsempfehlung
Hersteller von mHealth Anwendungen / Software als Medizinprodukten sollten sich bei der Bewerbung ihrer Produkte der Anforderungen des Heilmittelwerbegesetzes im Besonderen und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Allgemeinen stets bewusst sein und ihre Marketing- und Werbemaßnahmen HWG / UWG konform ausgestalten bzw. auf entsprechende Konformität juristisch prüfen lassen. Verstöße gegen die genannten Vorschriften sind Einfallstor für von Wettbewerbern initiierter zeit- und kostenintensiver Abmahn- und Unterlassungsverfahren.
zurück