Not­wen­dig­keit kli­ni­scher Prü­fun­gen nach MDR

Mit Gel­tungs­be­ginn der Ver­ord­nung (EU) 2017/745 (MDR) am 26. Mai 2021 sind die Anfor­de­run­gen an die Kli­ni­sche Evi­denz inner­halb des CE-Konformitätsbewertungsverfahrens von Medi­zin­pro­duk­ten wei­ter gestie­gen. Bereits in den Erwä­gungs­grün­den der MDR wird der der Fokus auf kli­ni­sche Prü­fun­gen deutlich:

“Um ein hohes Sicherheits- und Leis­tungs­ni­veau zu gewähr­leis­ten, soll­te der Nach­weis der Erfül­lung der in die­ser Ver­ord­nung [MDR] fest­ge­leg­ten grund­le­gen­den Sicherheits- und Leis­tungs­an­for­de­run­gen auf kli­ni­schen Daten beru­hen, die bei Pro­duk­ten der Klas­se III und implan­tier­ba­ren Pro­duk­ten grund­sätz­lich aus kli­ni­schen Prü­fun­gen stam­men soll­ten […]” (Erwä­gungs­grund 63). “Die Bestim­mun­gen über kli­ni­sche Prü­fun­gen soll­ten den fest eta­blier­ten inter­na­tio­na­len Leit­li­ni­en in die­sem Bereich ent­spre­chen, wie der inter­na­tio­na­len Norm ISO 14155:2011 über gute kli­ni­sche Pra­xis für die kli­ni­sche Prü­fung von Medi­zin­pro­duk­ten an Men­schen […]” (Erwä­gungs­grund 64).

Hin­zu kommt, dass als Quel­le kli­ni­scher Daten, anhand derer sich die Sicher­heit oder Leis­tung eines Pro­dukts bele­gen lässt, expli­zit auch die kli­ni­sche Nach­be­ob­ach­tung nach dem Inver­kehr­brin­gen eines Medi­zin­pro­dukts her­an­ge­zo­gen wer­den soll, so dass Her­stel­ler auch kli­ni­sche Prü­fun­gen nach dem Inver­kehr­brin­gen ihrer Pro­duk­te in Betracht zie­hen müssen.

Kli­ni­sche Prü­fun­gen im Überblick:

1.    Kli­ni­sche Prü­fung im Kon­text der Kon­for­mi­täts­be­wer­tung zur (erwei­ter­ten) CE-Kennzeichnung

Kli­ni­sche Prü­fun­gen, die gemäß Arti­kel 62 MDR Teil der kli­ni­schen Bewer­tung für Kon­for­mi­täts­be­wer­tungs­zwe­cke dar­stel­len, betref­fen Pro­duk­te, die noch nicht über eine CE-Kennzeichnung ver­fü­gen. Sie wer­den ent­spre­chend Arti­kel 62 MDR zu einem oder meh­re­ren der fol­gen­den Zwe­cke durchgeführt:

  • “a) zur Fest­stel­lung und Über­prü­fung, dass ein Pro­dukt so aus­ge­legt, her­ge­stellt und ver­packt ist, dass es unter nor­ma­len Ver­wen­dungs­be­din­gun­gen für einen oder meh­re­re der in Arti­kel 2 Num­mer 1 auf­ge­lis­te­ten spe­zi­fi­schen Zwe­cke geeig­net ist und die von sei­nem Her­stel­ler ange­ge­be­ne bezweck­te Leis­tung erbringt;
  • b) zur Fest­stel­lung und Über­prü­fung des von sei­nem Her­stel­ler ange­ge­be­nen kli­ni­schen Nut­zens eines Produkts;
  • c) zur Fest­stel­lung und Über­prü­fung der kli­ni­schen Sicher­heit des Produkts […].”

Ent­spre­chen­de kli­ni­sche Prü­fun­gen sind genehmigungspflichtig.

Die­se Geneh­mi­gungs­pflicht gilt auch für kli­ni­sche Prü­fun­gen von Pro­duk­ten, die bereits CE-gekennzeichnet sind, aber außer­halb ihrer, vom CE-Kennzeichen umfass­ten, Zweck­be­stim­mung ange­wen­det wer­den sol­len. Ein­schlä­gig ist in die­sen Fäl­len Arti­kel 74 Abs. 2 MDR: “Wird eine kli­ni­sche Prü­fung durch­ge­führt, die der Bewer­tung eines Pro­dukts, das bereits die CE-Kennzeichnung […] trägt, außer­halb sei­ner Zweck­be­stim­mung dient, so gel­ten die Arti­kel 62 bis 81 MDR.”

2.    Kli­ni­sche Prü­fun­gen nach dem Inver­kehr­brin­gen mit “zusätz­li­cher Belas­tung” für Probanden

Dient eine kli­ni­sche Prü­fung der wei­te­ren kli­ni­schen Bewer­tung eine Medi­zin­pro­dukts, das bereits CE-gekennzeichnet ist, inner­halb sei­nes vom CE-Kennzeichen defi­nier­ten Bestim­mungs­zweck, ist Arti­kel 74 Abs. 1 MDR zu beach­ten, wenn “im Rah­men die­ser Prü­fung Prü­fungs­teil­neh­mer zusätz­li­chen Ver­fah­ren zu den bei nor­ma­len Ver­wen­dungs­be­din­gun­gen des Pro­dukts durch­ge­führ­ten Ver­fah­ren unter­zo­gen [wer­den], und […] die­se zusätz­li­chen Ver­fah­ren inva­siv oder belas­tend [sind].”

Zusätz­li­che Ver­fah­ren, die belas­tend sind, kön­nen in unter­schied­lichs­ter Form auf­tre­ten und z. B. Ein­grif­fe umfas­sen, die Schmer­zen, Unbe­ha­gen, Angst, poten­zi­el­le Risi­ken oder Komplikationen/Nebenwirkungen ver­ur­sa­chen. Das Vor­han­den­sein einer “Belas­tung” bestimmt sich dabei aus der Per­spek­ti­ve der Pro­ban­den. Zu wei­te­ren inva­si­ven Ein­grif­fen gehö­ren unter ande­rem das Ein­drin­gen in den Kör­per durch die Kör­per­ober­flä­che, sowie durch die Schleim­häu­te der Körperöffnungen.

Ent­spre­chen­de kli­ni­sche Prü­fun­gen sind nicht genehmigungs‑, aber anzeigepflichtig.

3.    Kli­ni­sche Prü­fun­gen nach dem Inver­kehr­brin­gen ohne “zusätz­li­cher Belas­tung” für Probanden

Wird eine kli­ni­sche Prü­fung mit einem Pro­dukt durch­ge­führt, das bereits CE-gekennzeichnet ist, um des­sen Leis­tung bei Ver­wen­dung inner­halb der defi­nier­ten Zweck­be­stim­mung zu bewer­ten, ohne dass zusätz­li­che belas­ten­de oder inva­si­ve Ver­fah­ren ange­wen­det wer­den (müs­sen), sind die Regeln der MDR für kli­ni­sche Prü­fun­gen nicht ein­schlä­gig. Es besteht daher in die­sen Fäl­len weder eine Genehmigungs- noch eine Anzeigepflicht.

4.    Sons­ti­ge kli­ni­sche Prü­fun­gen nach Arti­kel 82 MDR

Mit Arti­kel 82 regelt die MDR auch kli­ni­sche Prü­fun­gen von Medi­zin­pro­duk­ten, die gera­de nicht vom Her­stel­ler ver­an­lasst bzw. nicht im Zusam­men­hang mit einer Kon­for­mi­täts­be­wer­tung durch­ge­führt wer­den. Auch an die­se sons­ti­gen kli­ni­schen Prü­fun­gen wer­den Min­dest­an­for­de­run­gen gestellt. So müs­sen auch die­se ins­be­son­de­re nach Arti­kel 62 Abs. 2 und 3 MDR “so kon­zi­piert und durch­ge­führt [wer­den], dass der Schutz der Rech­te, der Sicher­heit, der Wür­de und des Wohls der an der Prü­fung teil­neh­men­den Prü­fungs­teil­neh­mer gewähr­leis­tet ist und Vor­rang vor allen sons­ti­gen Inter­es­sen hat und die gewon­ne­nen kli­ni­schen Daten wis­sen­schaft­lich fun­diert, zuver­läs­sig und soli­de sind.” Auch sie wer­den “einer wis­sen­schaft­li­chen und ethi­schen Über­prü­fung unter­zo­gen.”  Die kon­kre­ten Anfor­de­run­gen an sons­ti­ge kli­ni­schen Prü­fun­gen sind ent­spre­chend Arti­kel 82 Abs. 2 MDR in § 47 des natio­nal gel­ten­den Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG) (PDF) defi­niert. Auch dort wird unter­schie­den zwi­schen “sons­ti­gen kli­ni­schen Prü­fun­gen” von Pro­duk­ten mit und ohne CE-Kennzeichnung, der Anwen­dung inner­halb oder außer­halb der bereits vom CE-Kennzeichen erfass­ten Zweck­be­stim­mung bzw. dem Ein­satz zusätz­lich inva­si­ver oder belas­ten­der Verfahren.

Hand­lungs­emp­feh­lung für Sponsoren

Kli­ni­sche Prü­fun­gen sind zeit- und kos­ten­in­ten­siv, aber essen­zi­ell, um den kli­ni­schen Nut­zen bzw. Mehr­wert eines Medi­zin­pro­dukts nach­zu­wei­sen. Im Ein­zel­fall kön­nen sich gera­de bei Prü­fun­gen mit CE-gekennzeichneten Pro­duk­ten Fra­gen nach dem Pflich­ten­kreis des Spon­sors stel­len und Abgren­zungs­pro­ble­me auf­tre­ten. Spon­so­ren soll­ten daher vor Durch­füh­rung einer ent­spre­chen­den Stu­die  genau prü­fen, wel­che Inten­ti­on ver­folgt und wel­che Rah­men­be­din­gun­gen gege­ben sind, um ihren jewei­li­gen Pflich­ten und den Anfor­de­run­gen an die im Ein­zel­fall gebo­te­ne kli­ni­sche Prü­fung nach­zu­kom­men und damit Haf­tungs­ri­si­ken zu vermeiden.

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