Mehr Rechtssicherheit in Sachen Rechtswahl und AGB
Der BGH bestätigt in einer Entscheidung aus Januar 2025, dass der Ausschluss deutschen AGB-Rechts in einer Schiedsvereinbarung zulässig sein kann.
Neue Nahrung für eine lange währende Diskussion: Ist es im unternehmerischen Verkehr zulässig, deutsches Recht unter Ausschluss des AGB-Rechts (§§ 305–310 BGB) zu wählen – und wenn ja, wie? Eine Entscheidung des BGH aus diesem Jahr (BGH, Beschluss vom 9.1.2025 – I ZB 48/24) bringt neuen Schwung in die Debatte.
Ausgangslage
Die deutschen AGB-Vorschriften werden – etwa mit Blick auf Haftungsbegrenzungen oder Preisanpassungsklauseln – als unternehmerfeindlich, unflexibel und zu restriktiv empfunden. Über die Generalklausel des § 307 BGB sind die Wertungen der strengen Klauselverbote in §§ 308 und 309 BGB auch in die Inhaltskontrolle zwischen Unternehmern einzubeziehen. Das hat zur Folge, dass selbst im B2B-Bereich ein hohes Risiko besteht, dass in AGB enthaltene Klauseln unwirksam sind.
Um dem zu entgehen, werden in der Praxis überwiegend zwei Ansätze verfolgt: Die Wahl einer Rechtsordnung, die keine/eine mildere AGB-Kontrolle zulässt (z.B. Schweizer Recht) oder die Wahl deutschen Rechts unter Ausschluss des AGB-Rechts. Ob letzteres aus juristischer Perspektive jedoch zulässig ist, ist umstritten. Dass ein solcher Ausschluss im Rahmen der Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zulässig sein kann, wurde durch den BGH nun bestätigt.
Ordentliche Gerichtsbarkeit vs. Schiedsgerichtsbarkeit
Einigkeit besteht darüber, dass ein Ausschluss des zwingenden, nicht dispositiven AGB-Rechts bei gleichzeitiger Zuständigkeit staatlicher Gerichte unwirksam ist. Die Anwendung der AGB-Vorschriften kann nur „umgangen“ werden, indem die Vertragsklauseln individuell nach Maßgabe des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelt werden. Hieran stellt die Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen, die in der Praxis selten und allenfalls unter hohem (Verhandlungs-)Aufwand erfüllt werden.
Entscheidet man sich jedoch für die Vereinbarung der Zuständigkeit von Schiedsgerichten ist der Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Rechtswahl größer. Nach § 1051 Abs. 1 ZPO können die Parteien die anwendbaren Rechtsvorschriften in diesem Fall nahezu frei bestimmen – etwa durch den Ausschluss bestimmter gesetzlicher Vorschriften oder der Wahl nicht-staatlicher Rechtsregeln. Nach überwiegender Ansicht in der Rechtsliteratur spielt es dabei auch keine Rolle, ob ein Sachverhalt mit Auslandsbezug oder ein reiner Inlandssachverhalt vorliegt.
Auch diese Rechtswahl ist jedoch nicht schrankenlos. Begrenzt wird sie, wie auch der BGH ausführt, durch den sog. „Ordre Public“, dessen Einhaltung durch staatliche Gerichte im Rahmen des Vollstreckbarerklärungs- oder Aufhebungsverfahrens überprüft wird (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO). Würde die Entscheidung eines Schiedsgerichts, das eine beschränkte Rechtswahl für wirksam hält, im Ergebnis der öffentlichen Ordnung in Deutschland widersprechen (= Verstoß gegen Ordre Public), steht dies einer Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs im Wege. Solange das Schiedsgericht seine Entscheidung aber an diesen Grenzen ausrichtet und einen Ordre-Public-Verstoß auch ohne die Anwendung des deutschen AGB-Rechts vermeidet, steht einer Durchsetzbarkeit nichts im Wege.
Folgen für die Praxis
Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des BGH mehr Rechtssicherheit hinsichtlich einer Schiedsvereinbarung, die den Ausschluss deutschen AGB-Rechts vorsieht.
Zwar hat der BGH die Frage der Wirksamkeit der beschränkten Rechtswahl (deutsches Recht ohne AGB-Recht) nicht unmittelbar beantwortet. Das Gericht hat jedoch klargestellt, dass ein Ordre-Public-Verstoß fernliegt, solange der Grundsatz vertraglicher Selbstbestimmung hinreichend gewahrt bleibt. Mittelbar hat er damit die Zulässigkeit der Abwahl des AGB-Rechts bei gleichzeitiger Anwendung einer Schiedsgerichtsvereinbarung bestätigt.
Wird das AGB-Recht zulässig abgewählt, erfolgt eine Inhaltskontrolle von AGB im Wesentlichen „nur“ noch anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und dem oben benannten „Ordre Public“. Diese Grundsätze haben weniger strenge Anforderungen als die von der (staatlichen) Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur unangemessenen Benachteiligung im AGB-Recht nach § 307 ff. BGB.
Konkret heißt das, dass bei Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts und gleichzeitiger Abwahl des AGB-Rechts die in AGB enthaltenen Klauseln erheblicher weniger Gefahr laufen unwirksam zu sein.
Einerseits ist das zur flexibleren Gestaltung von AGB und Verträgen im Unternehmensverkehr von Vorteil. Andererseits gibt es jedoch auch im Unternehmensverkehr Vertragsparteien, die aufgrund ihrer Marktposition in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem jeweiligen Geschäftspartner stehen und dessen AGB oft nur schwer verhandeln oder gar ablehnen können. Für diese Unternehmen ist der „Rückzug“ auf einen Verstoß gegen das AGB-Recht und die damit folgende Unwirksamkeit von Klauseln oftmals ein notwendiges „Schutznetz“. Davon betroffene Unternehmen sollten daher bei der Wahl und Gestaltung von Schiedsklauseln mit Bedacht vorgehen.
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