Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich und die neue Verpackungsverordnung
Die Europäische Kommission hat am 15.2.23 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich eingeleitet und das Land aufgefordert, seine nationalen Kennzeichnungsvorschriften für die Abfalltrennung zu ändern. Nach Auffassung der Kommission ist das französische Abfallgesetz nicht mit den Grundsätzen des EU-Binnenmarktes vereinbar. Denn das Gesetz sieht die obligatorische Verwendung eines Sortierlogos, des TRIMAN-Logos und des Info-tri-Logos vor, das in anderen Mitgliedstaaten nicht verpflichtend ist. Mit der geplanten Verpackungsverordnung will die EU-Kommission nationale Alleingänge deutlich einschränken.

Verpackungsrecht in der EU
Trotz untergeordneter Relevanz in der Wertschöpfungskette haben sich international agierende Unternehmen in den letzten zwei Jahren mit keinem Thema mehr beschäftigt als mit den in Frankreich geltenden Kennzeichnungsvorschriften für Verpackungen, insbesondere dem TRIMAN-Logo und den Angaben zu den Sortierverfahren (Info-tri), die seit 01.01.2021 für Haushaltsprodukte einschließlich Elektrogeräten gelten und zum System der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility – EPR) gehören. Die derzeit geltende EU-Verpackungsrichtlinie, die durch das Verpackungsgesetz in das deutsche Recht umgesetzt wurde, enthält keine entsprechenden Regelungen zur Kennzeichnung der Abfalltrennung auf dem Produkt. Dennoch haben neben Frankreich auch andere Mitgliedstaaten wie Belgien, Italien und Spanien eigene nationale Kennzeichnungsregelungen erlassen, die zunehmend zu einer Zersplitterung der Kennzeichnungslandschaft führen und ein harmonisiertes Kennzeichnungssystem in weite Ferne rücken lassen.
Vertragsverletzungsverfahren in der EU
Die EU-Kommission hat am 23.02.2023 nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich eingeleitet, das in letzter Instanz durch den EuGH entschieden werden könnte und in Folge dessen finanzielle Sanktionen auferlegt werden könnten. In diesem Verfahren argumentiert die Kommission derzeit, dass die französische TRIMAN-Regelung eine Behinderung des Binnenmarktes und des Grundsatzes des freien Warenverkehrs darstelle, da die zusätzliche Kennzeichnung zu einem erhöhten Materialbedarf und damit zu mehr Abfall führe. Darüber hinaus habe Frankreich gegen die eigene Notifizierungspflicht verstoßen, da das Gesetz grenzüberschreitende Auswirkungen habe, über die die Kommission bereits im Entwurfsstadium hätte informiert werden müssen. Trotz dieses Verfahrens bleibt jedoch zu beachten, dass die Verpflichtung zur Anbringung des TRIMAN-Logos so lange bestehen bleibt, wie der nationale französische Gesetzgeber die Regelung nicht aufhebt. Daher werden die französischen Behörden der Marktüberwachung die Einhaltung der TRIMAN-Vorschriften auch weiterhin kontrollieren und Verstöße notwendigenfalls ahnden.
Ausblick: Die neue Verpackungsverordnung
Derzeit läuft in der EU das Gesetzgebungsverfahren für den Erlass einer neuen Verpackungsverordnung, die dieser zunehmenden Zersplitterung durch nationale Regelungen durch einheitliche Kennzeichnungsvorschriften entgegenwirken und die fast 30 Jahre alte Verpackungsrichtlinie ablösen soll. Vorrangig geht es bei der Kennzeichnungspflicht um die stoffliche Zusammensetzung von Verpackungen und um Angaben zu deren Wiederverwendbarkeit. Darüber hinaus müssen Hersteller und Importeure künftig ihren Namen und ihre Kontaktdaten sowie eine Serien- oder Chargennummer auf der Verpackung anbringen. In Bezug auf die EPR sieht der Kommissionsentwurf derzeit vor, dass die Mitgliedstaaten zusätzliche Kennzeichnungsvorschriften erlassen können, wenn die Verpackung an einem System zur Erfüllung der erweiterten Herstellerverantwortung (z. B. Registrierung, Datenmeldung) oder an einem Pfand- und Rücknahmesystem teilnimmt, was den Schluss zulässt, dass nationale Kennzeichnungsvorschriften wie der TRIMAN auch nach Erlass der neuen Verordnung möglich sein werden. Gleichzeitig stellt die Kommission in Artikel 4 jedoch klar, dass die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Verpackungen, die den Anforderungen der neuen Verordnung, aber möglicherweise nicht den nationalen Vorgaben eines Mitgliedstaats entsprechen, nicht verbieten oder behindern dürfen.
Fazit
Losgelöst vom Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens kann die gesetzliche Regelung zur Anbringung des TRIMAN-Logos nur vom französischen Gesetzgeber geändert werden, so dass die Anbringung dieser Kennzeichnung grundsätzlich so lange verpflichtend bleibt, wie die nationale Regelung nicht aufgehoben wird. Hiermit ist jedoch nicht ernsthaft zu rechnen. Soweit derzeit ersichtlich, wird die neue Verordnung nationale Alleingänge auch weiterhin nicht verhindern, da sie die Anbringung von auf nationaler Ebene vorgeschriebenen Kennzeichnungen im Bereich der erweiterten Produktverantwortung ermöglicht. Die Markt- und Zirkulationsfähigkeit von Verpackungen in der EU wird jedoch durch die neue Verordnung sichergestellt, ohne dass die Inverkehrbringer von Verpackungen die Inanspruchnahme durch die nationalen Marktüberwachungsbehörden befürchten müssen. Einziger Wermutstropfen ist, dass die konkreten Kennzeichnungsanforderungen erst noch von der Kommission in einem Durchführungsrechtsakt festgelegt werden müssen, der spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung veröffentlicht worden sein muss. Unternehmen können sich daher noch eine ganze Weile nicht operativ auf die neuen Kennzeichnungsanforderungen vorbereiten. Der Übergangszeitraum von 42 bzw. 48 Monaten ab Inkrafttreten der Verpackungsverordnung dürfte jedoch genügend Zeit bereitstellen, um die neuen Kennzeichnungsanforderungen umzusetzen. Wir haben das laufende Gesetzgebungsverfahren im Blick und werden berichten!
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