Auswirkungen auf Betreiber von Produktionsanlagen und technischen Betriebsmitteln
Die Überarbeitung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL) (PDF) war in jedem Fall notwendig, viele der Neuerungen glätten mindestens die definitorischen Unebenheiten gegenüber den übrigen, neueren Regelwerken des New Legislative Framework. Ebenso war aus meiner Sicht eine Erweiterung des risikobasierten Ansatzes über die bisher in Anhang I der MRL enthaltenen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen hinaus in den Bereich der Digitalisierung und Vernetzung mehr als notwendig, um die im Markt immer mehr auftretenden rechtlichen Unsicherheiten in Bezug auf diese Elemente jeder modernen Fertigungsstruktur einzufassen. Diese Regelwerke zielen primär auf die Hersteller von Maschinen und den sonst unter die neue Verordnung fallenden Produkten ab. Details zu den Regelungen hatten wir bereits in unseren News dargestellt.
Überraschend selten findet dagegen eine Diskussion über die Auswirkungen der neuen Maschinenverordnung und – weil integraler Bestandteil über die Definition von Systemen künstlicher Intelligenz – der KI-Verordnung auf Betreiber statt. Es ist zu unterstellen, dass viele Unternehmen Maschinen in ihren Fertigungsstätten verwenden, in bereits bestehende Anlagen integrieren oder auch in Industrie‑4.0‑Netzwerken kollaborieren.
Diese Unternehmen sind regelmäßig kein Adressat der MRL und werden es auch nicht unter der neuen Maschinenverordnung sein. Allerdings wird dabei häufig ein Tatbestand übersehen, der schon in der aktuell geltenden Fassung eine lange Historie an Diskussionen zwischen Gesetzgeber, Unfallversicherungsträgern und Betreibern hatte; die Frage nach den wesentlichen Veränderungen einer Maschine hat in Deutschland alleine in den letzten 15 Jahren zwei verschiedene Interpretationspapiere durch das BMAS bzw. seine jeweiligen Vorgängerversionen erfahren. Zielsetzung war es, die Betreiber in die Lage zu versetzen, eine technische Änderung an einer Maschine zu bewerten; war diese danach derart gravierend, dass die ursprüngliche Konformitätsbewertung des Herstellers nicht mehr vollständig sein konnte, wurde der Betreiber zum Hersteller einer neuen Maschine mit allen daraus entstehenden Pflichten.
Diese Regelungen des BMAS-Interpretationspapiers von 2015 sind derzeit zumindest in Deutschland die Basis für die Entscheidung eines Betreibers, ob die von ihm initiierten Veränderungen an einer bestehenden Maschine zu einer neuerlichen Bewertung der Konformität des Produktes führen müssen.
Die neue Maschinenverordnung definiert die wesentliche Veränderung im derzeit nur in der englischen Originalsprache vorhandenen Entwurfstext:
“ ‘substantial modification’ means a modification of a machinery product, by physical or digital means after that machinery product has been placed on the market or put into service, which is not foreseen by the manufacturer and as a result of which the compliance of the machinery product with the relevant essential health and safety requirements may be affected?“
Bevor man sich die Auswirkungen dieser Definition anschaut, sollte aus meiner Sicht ein Blick in die Definition von Systemen künstlicher Intelligenz geworfen werden. Die Definition ist breit und nennt drei Möglichkeiten, wie eine Software als System künstlicher Intelligenz verstanden werden kann:
- Jede Art von maschinellem Lernen
- Logikstrukturen
- Statistische Verfahren
Wenn man sich die derzeitige Produktionslandschaft anschaut, wird man an den meisten dort genutzten Maschinen mindestens die beiden letzteren Definitionen vorfinden. Führen wir dann die Definition der wesentlichen Veränderung und die der Systeme künstlicher Intelligenz zusammen, wird sehr schnell klar, dass jede Nutzung von Überwachungssystemen an Maschinen, Sensorik und BDE als Bestandteil von Predictive Maintenance, automatische Sortierung von schadhaften Teilen, Fehlererkennung auf Basis optischer Prüfsysteme – alles eine wesentliche Veränderung und alles ein System künstlicher Intelligenz darstellt.
Die Folge ist also regelmäßig ein erneut notwendiger Konformitätsbewertungsprozess, aber nicht durch den Hersteller, sondern den Betreiber. Letzterer wird diese Bewertung im Regelfall bereits für die Maschine selbst nicht vornehmen können, für die hinzugekommene Software – die in der KI-Verordnung als künstliche Intelligenz eingestuft wird – im Regelfall erst recht nicht.
Ob unter diesen Umständen Betreiber sinnstiftende Systeme wie die oben genannten noch ohne großen Aufwand einsetzen können, halte ich zumindest für unwahrscheinlicher als bisher.
Ob die Zielsetzung der Maschinenverordnung wirklich ein solcher Effekt ist, darf bezweifelt werden. Die Verhandlungen über die Maschinenverordnung sind ebenso im Gange wie zu dem Entwurf der KI-Verordnung, dem Umstand der weiten Definition der wesentlichen Veränderung sollte ebenso Aufmerksamkeit geschenkt werden wie dem der weiten Definition eines Systems künstlicher Intelligenz.