Force majeu­re im UN-Kaufrecht

Durch die COVID-19-Pandemie und nicht zuletzt auch vor dem Hin­ter­grund des Hoch­was­sers in West- und Mit­tel­eu­ro­pa im Juli die­ses Jah­res gewinnt ein Urteil des OLG Düs­sel­dorf aus 2019 (Urteil vom 04.07.2019, Az: 6 U 2/19) neue Rele­vanz. Inhalt­lich ging es in dem betref­fen­den Fall maß­geb­lich um die Fra­ge der Haf­tung im Fal­le “höhe­rer Gewalt” (“force majeu­re”) bei Anwen­dung des Über­ein­kom­mens der Ver­ein­ten Natio­nen über Ver­trä­ge über den inter­na­tio­na­len Waren­kauf (CISG), auch “UN-Kaufrecht” genannt.

Sach­ver­halt

Dem Urteil lag die Bestel­lung eines Käu­fers über eine Mil­li­on Blu­men­zwie­beln zur Züch­tung von vier­blätt­ri­gem Glücks­klee zugrun­de. Der Ver­käu­fer hat­te die Blu­men­zwie­beln bei sei­nem Lie­fe­ran­ten gekauft, jedoch wur­de die Ware noch vor der Lie­fe­rung an den Ver­käu­fer durch einen Brand beim Lie­fe­ran­ten zu ca. 90 % zer­stört. Eine Ersatz­be­schaf­fung war auf dem gesam­ten Welt­markt nicht mög­lich, wes­halb ledig­lich eine Lie­fe­rung von 60.000 Blu­men­zwie­beln an den Käu­fer erfolgte.

Im Rah­men des Ver­fah­rens begehr­te der Käu­fer vom Ver­käu­fer Scha­dens­er­satz in Höhe von 30.469,10 Euro für die nicht erfolg­te Lie­fe­rung. Die Kla­ge des Käu­fers wur­de in ers­ter Instanz vom LG Düs­sel­dorf abgewiesen.

Ent­schei­dung des OLG

Das OLG Düs­sel­dorf wies die Beru­fung des Käu­fers als unbe­grün­det zurück. Basis für die Ent­schei­dung des OLG war das auf den Ver­trag anwend­ba­re CISG.

Im Detail führ­te das Gericht aus, dass der Ver­käu­fer gemäß Arti­kel 79 Abs. 1 CISG kei­nen Scha­dens­er­satz zu leis­ten hat. Nach der Ansicht des Gerichts sind die dies­be­züg­lich erfor­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen erfüllt, da der Brand ein Hin­de­rungs­grund für die Lie­fe­rung dar­stellt, der für den Ver­käu­fer weder ver­meid­bar noch über­wind­bar war.

Rechts­la­ge CISG

Gemäß Arti­kel 74 CISG trifft den Ver­käu­fer infol­ge einer Ver­trags­ver­let­zung (z. B. Nicht­lie­fe­rung) eine Schadensersatzpflicht.

Der Ver­käu­fer ist jedoch gemäß Arti­kel 79 CISG von der Scha­dens­er­satz­pflicht befreit, wenn er nach­wei­sen kann, dass der Hin­de­rungs­grund außer­halb sei­nes Ein­fluss­be­reichs liegt und bei Ver­trags­schluss nicht vor­her­seh­bar war (sog. “höhe­re Gewalt”).

Ins­be­son­de­re Natur­er­eig­nis­se, wie Über­flu­tun­gen oder Brän­de, sind hier­bei in der Regel als Hin­de­rungs­grün­de im Sin­ne der Norm anzu­se­hen, wenn­gleich eine Prü­fung im Ein­zel­fall erfor­der­lich ist. Auch Epi­de­mien und Pan­de­mien sowie staat­li­che Maß­nah­men kön­nen dies­be­züg­lich Hin­de­rungs­grün­de darstellen.

Wei­ter­hin erfor­dert Arti­kel 79 CISG die Unüber­wind­bar­keit, was sich nicht auf den Hin­de­rungs­grund, son­dern auf die eigent­li­che Ver­trags­ver­let­zung bezieht. Da der Ver­käu­fer einer Ware auch im Fal­le der höhe­ren Gewalt das Beschaf­fungs­ri­si­ko trägt, erschwert dies den Ent­las­tungs­nach­weis. Der betrof­fe­ne Schuld­ner (hier der Ver­käu­fer) hat Maß­nah­men zu tref­fen, um sei­ner Ver­trags­pflicht den­noch nach­zu­kom­men. Das Beschaf­fungs­ri­si­ko bei einer Gat­tungs­schuld ist jedoch über­schrit­ten, wenn die Ware am Markt nicht oder nur zu unver­hält­nis­mä­ßig hohen Kos­ten ver­füg­bar ist. Der Schuld­ner muss des­halb nach­wei­sen kön­nen, dass er alle in Betracht kom­men­den Maß­nah­men aus­ge­schöpft hat und eine Erfül­lung sei­ner Ver­trags­pflicht den­noch nicht mög­lich ist.

Zu beach­ten ist, dass gemäß Arti­kel 79 CISG ledig­lich die Scha­dens­er­satz­pflicht ent­fällt. Der Leis­tungs­an­spruch sowie die übri­gen Rech­te des Käu­fers, wie etwa die Auf­he­bung des Ver­tra­ges (Arti­kel 49 CISG) und die Her­ab­set­zung des Prei­ses (Arti­kel 50 CISG), bestehen grund­sätz­lich weiterhin.

Fazit

Im Gegen­satz zu den rein natio­na­len Bestim­mun­gen im deut­schen Recht (u. a. BGB/HGB) kennt das CISG mit Arti­kel 79 eine spe­zi­fi­sche Rege­lung für den Fall der höhe­ren Gewalt, die einen Schuld­ner von der Pflicht zum Scha­dens­er­satz befrei­en kann. Damit dies einem Schuld­ner im Ein­zel­fall jedoch behilf­lich ist, setzt dies neben den zuvor auf­ge­zeig­ten Vor­aus­set­zun­gen vor­aus, dass das CISG auf das jewei­li­ge Ver­trags­ver­hält­nis anwend­bar ist.

Noch immer wird das CISG jedoch in vie­len Ver­trä­gen aus­ge­schlos­sen. Nicht zuletzt vor dem Hin­ter­grund der mit die­sem Urteil auf­ge­zeig­ten Vor­tei­le soll­te die­se Pra­xis hin­ter­fragt wer­den. Das der Anwen­dung des CISG häu­fig ent­ge­gen­ge­brach­te Argu­ment der mit dem CISG ein­her­ge­hen­den Nach­tei­le kann dadurch begeg­net wer­den, dass sol­che Nach­tei­le mehr­heit­lich durch ver­trag­li­che Rege­lun­gen abge­mil­dert oder sogar aus­ge­schlos­sen wer­den können.

Im Hin­blick auf Arti­kel 79 CISG betrifft dies auch die erfor­der­li­chen, aber durch­aus stren­gen Vor­aus­set­zun­gen zur Befrei­ung von der Schadensersatzpflicht.

Zur Über­sicht über die Rechts­la­ge in den rein natio­na­len Bestim­mun­gen des deut­schen Rechts ver­wei­sen wir auf unse­re dazu bereits ver­öf­fent­lich­ten News.

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