Gene­ral­an­walt am EuGH: Kei­ne Pro­dukt­haf­tung für feh­ler­haf­te Informationen

Nach Ansicht des Gene­ral­an­walts Hogan am Euro­päi­schen Gerichts­hof (EuGH) ist die Pro­dukt­haf­tungs­richt­li­nie 85/374/EWG (ProdHaft-RL) (PDF) nicht auf Schä­den anwend­bar, die durch feh­ler­haf­te Infor­ma­ti­on in einer Zei­tung entstehen.

Hin­ter­grund ist die wöchent­li­che Kolum­ne “Kräu­ter­pfar­rer Bene­dikt” einer öster­rei­chi­schen Zei­tung. Hier­in emp­fahl der Kräu­ter­pfar­rer eine Auf­la­ge aus gerie­be­nem Kren (Meer­ret­tich) zur Lin­de­rung von Rheu­maschmer­zen. Statt einer Anwen­dungs­dau­er von 2–5 Minu­ten, wie es rich­tig gewe­sen wäre, war in der Zei­tung von 2–5 Stun­den zu lesen. Eine Lese­rin befolg­te die­se fal­schen Anwei­sun­gen und erlitt bei der Anwen­dung eine durch die schar­fen Senf­öle aus­ge­lös­te toxi­sche Kon­takt­re­ak­ti­on. Der öster­rei­chi­sche Obers­te Gerichts­hof ersuch­te den EuGH (Az.: C‑65/20) um Klä­rung, ob in einem sol­chen Fall eine ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­ge Haf­tung nach der ProdHaft-RL in Betracht komme.

Der Gene­ral­an­walt ver­neint die­se Fra­ge in sei­nen Schluss­an­trä­gen. Dem­nach han­de­le es sich bei der Zei­tung zwar grund­sätz­lich um ein Pro­dukt im Sin­ne des Art. 2 ProdHaft-RL. Eine Haf­tung gemäß Art. 1 ProdHaft-RL erfor­de­re aber einen Feh­ler, der aus der Ver­kör­pe­rung des Pro­dukts her­rührt. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sei­en nicht erfüllt, da sich der Feh­ler aus den hier­in ent­hal­te­nen Infor­ma­tio­nen erge­be und damit viel­mehr eine feh­ler­haf­te Dienst­leis­tung vor­lie­ge. Hier­für sei der Anwen­dungs­be­reich der ProdHaft-RL nicht eröffnet.

Mit den Schluss­an­trä­gen des Gene­ral­an­walts kommt neu­er Schwung in die Dis­kus­si­on um das Erfor­der­nis der Ver­kör­pe­rung eines Pro­dukts im Pro­dukt­haf­tungs­recht. Dies könn­te auch die Haf­tung für Soft­ware betref­fen. Zuletzt waren immer mehr Ver­tre­ter in der Lite­ra­tur der Ansicht, eine Anwen­dung der ProdHaft-RL kön­ne nicht dar­an schei­tern, dass das Pro­dukt nicht ver­kör­pert ist. Der Wort­laut von Art. 2 ProdHaft-RL ist dabei eigent­lich ein­deu­tig. Dem­nach ist ein Pro­dukt als beweg­li­che Sache und damit als kör­per­li­cher Gegen­stand defi­niert. Eine Haf­tung für unver­kör­per­te Pro­duk­te ist nach dem Wort­laut also nicht vor­ge­se­hen. Den­noch beja­hen vie­le Stim­men in der Lite­ra­tur eine Haf­tung, ins­be­son­de­re weil die aus dem Jahr 1985 stam­men­de ProdHaft-RL unver­kör­per­te Pro­duk­te wie z.B. Soft­ware ver­ständ­li­cher­wei­se nicht in dem heu­te erfor­der­li­chen Maße berück­sich­tigt. Eine Ein­be­zie­hung unver­kör­per­ter Pro­duk­te kann nach Ansicht des Gene­ral­an­walts aber nicht im Wege der Rechts­fort­bil­dung erfol­gen, der somit an dem Erfor­der­nis der Ver­kör­pe­rung eines Pro­dukts fest­hält. Für eine ande­re recht­li­che Wer­tung sei viel­mehr eine Geset­zes­än­de­rung erforderlich.

Zwar liegt noch kein Urteil des EuGH vor. Aller­dings ent­spricht das Gericht regel­mä­ßig den Schluss­an­trä­gen des Gene­ral­an­walts, der in sei­ner von den Par­tei­en unab­hän­gi­gen Stel­lung die Ent­schei­dung des Gerichts vor­be­rei­tet und in den Schluss­an­trä­gen einen Ent­schei­dungs­vor­schlag abgibt. Eine von den Schluss­an­trä­gen des Gene­ral­an­walts abwei­chen­de Ent­schei­dung des Gerichts ist den­noch nicht aus­zu­schlie­ßen. Wir wer­den berichten.

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