In gleich zwei Urteilen vom 10.06.2021 (Az. 9 Sa 1431/19 bzw. Az. 9 Sa 861/20) hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen mit dem datenschutzrechtlichen Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO auseinandergesetzt und dabei Umfang und Verfahren der Auskunftserteilung näher konkretisiert. Zudem äußert sich das LAG zum Rechtsmissbrauch des Auskunftsersuchens.
Umfang eines allgemein gehaltenen Auskunftsanspruchs
In den Entscheidungen hatte der Kläger, der frühere Arbeitnehmer des beklagten Unternehmens, dieses dazu aufgefordert, ihm Auskünfte nach Art. 15 DSGVO zu erteilen. Dem Kläger war nach der Aufnahme staatsanwaltlicher Ermittlungen wegen schweren bandenmäßigen Betrugs zulasten der Beklagten außerordentlich gekündigt worden. Die Beklagte kam dem schließlich auf dem Klageweg geltend gemachten Auskunftsersuchen des Klägers unter Verweis auf berechtigte Geheimhaltungsinteressen aufgrund des strafrechtlichen Verfahrens sowie aufgrund des aus ihrer Sicht rechtsmissbräuchlich geltend gemachten Anspruchs nicht nach.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage in beiden Fällen stattgegeben. In seiner Begründung stellt das Arbeitsgericht klar, dass das Recht auf Auskunft gem. § 34 Abs. 1 i. V. m. § 29 Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nur eingeschränkt werde, “soweit” durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Beklagte habe hier aber nur pauschal auf Geheimhaltungsinteressen verwiesen und es bleibe unklar, auf welche personenbezogenen Daten des Klägers sich die behaupteten schützenswerten Interessen beziehen würden. Zudem sei die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs auch nicht rechtsmissbräuchlich i. S. v. § 242 BGB.
Die Beklagte hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt und sich unter anderem darauf berufen, dass es dem Kläger obliege, die gewünschten Daten zu präzisieren. Zudem sei ihr nicht zuzumuten, die “ermittlungskritischen” von den “ermittlungsunkritischen” Daten zu differenzieren.
Das LAG hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen und dabei festgehalten, dass der Umfang der Auskunftspflicht, die bislang von der Beklagten überhaupt nicht erfüllt wurde, sich aus der DSGVO selbst ergebe und somit vom Kläger nicht zu verlangen sei, sein Auskunfts- und Informationsbegehren durch konkretere Formulierungen gegenüber den Vorgaben der Verordnung einzugrenzen. Der Detaillierungsgrad der mitzuteilenden Informationen habe sich dabei am Erwägungsgrund 63 der DSGVO zu orientieren. Dieser gebe vor, dass Zweck des Auskunftsanspruchs für die betroffene Person sei, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.
Dem LAG zufolge lasse sich hieraus eine abgestufte Erfüllungslast begründen: Es müsse nur das erfüllt werden, was auch verlangt wurde. Dies umfasse zunächst die „Stammdaten“ der auskunftsberechtigten Person. Bei einem allgemein gehaltenen Auskunftsanspruch – wie im vorliegenden Fall – seien auch nur die “folgenden Informationen” gem. Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO zu erteilen. Neben den sog. Stammdaten seien damit die übrigen von Art. 15 Abs. 1 DSGVO umfassten Informationen zu übermitteln, d. h., die Informationen gem. Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a bis h DSGVO kumulativ zu beauskunften.
Hohe Hürden für die Ablehnung eines Auskunftsanspruchs wegen Rechtsmissbrauchs
Das LAG hat sich darüber hinaus näher mit dem Missbrauch von Auskunftsersuchen und den Abwehrmöglichkeiten des Ersuchens befasst.
Der Kläger hatte seinen Auskunftsanspruch nämlich auch damit begründet, dass er die Daten gegebenenfalls zur Verteidigung in dem laufenden Ermittlungsverfahren sowie zur Abwehr und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche benötige.
Die Beklagte wandte hiergegen unter anderem ein, dass der Auskunftsanspruch missbräuchlich geltend gemacht worden sei. Das Auskunftsrecht diene ihrer Auffassung nach nicht dazu, zivilrechtliche Ansprüche durchsetzbarer zu machen und vorzubereiten, sondern die Datenverarbeitung transparent zu gestalten. Der Kläger suche im vorliegenden Fall lediglich einen Weg, um seinen ehemaligen Arbeitgeber zu schädigen.
Das LAG sah die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Auskunftsanspruchs wegen Rechtsmissbrauchs nicht gegeben: Eine Beschränkung des Auskunftsanspruchs für den Fall, dass die Information der betroffenen Person die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche des Verantwortlichen beeinträchtigen würde oder die Daten aus zivilrechtlichen Verträgen beinhalte und der Verhütung von Schäden durch Straftaten diene, sei nicht vorgesehen.
Das LAG Sachsen hatte hierzu zuletzt deutlich unternehmensfreundlicher entschieden.
Fazit
Die Entscheidungen zeigen erneut, dass datenschutzrechtliche Auskunftsersuchen – gerade auch im Verhältnis zu Arbeitnehmern – ein äußerst wichtiges Thema bleiben. Für Unternehmen ist es daher essenziell, ein Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten zu führen und die verarbeiteten Daten der Arbeitnehmer sorgfältig zu dokumentieren, um für eventuelle Auskunftsansprüche gewappnet zu sein.