Län­ger lebe die Beweis­last­um­kehr – was Ver­käu­fer wis­sen sollten

Ent­spre­chend den Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2019/771/EU über bestimm­te ver­trags­recht­li­che Aspek­te des Waren­kaufs wird die Frist für die Beweis­last­um­kehr gemäß § 477 BGB im Rah­men von Ver­brauch­gü­ter­käu­fen in abseh­ba­rer Zeit um ein Jahr ver­län­gert. Das hat spür­ba­re Fol­gen für Käu­fer und Verkäufer.

Die Beweis­last­um­kehr

Ist eine Sache man­gel­haft, kann der Käu­fer in Deutsch­land theo­re­tisch zwei Jah­re lang nach Über­ga­be der Kauf­sa­che von sei­nen Gewähr­leis­tungs­rech­ten Gebrauch machen, also ins­be­son­de­re Nach­er­fül­lung ver­lan­gen. Dies setzt jedoch vor­aus, dass er bewei­sen kann, dass die Sache bei Gefahr­über­gang man­gel­haft war.

Eine Beson­der­heit gilt, wenn der Käu­fer ein Ver­brau­cher ist, da § 477 BGB für die Fäl­le eines Ver­brauchs­gü­ter­kaufs eine sechs­mo­na­ti­ge Beweis­last­um­kehr regelt. Dies bedeu­tet, dass der Käu­fer einer ver­meint­lich man­gel­haf­ten Sache inner­halb der ers­ten sechs Mona­te nicht bewei­sen muss, dass die Sache bei Über­ga­be an ihn man­gel­haft war, son­dern dies wird von Geset­zes wegen ver­mu­tet. Der Ver­käu­fer kann die­se gesetz­li­che Ver­mu­tung grund­sätz­lich widerlegen.

Spä­tes­tens seit der Ent­schei­dung des BGH aus dem Jahr 2016 steht auch fest, dass die­se Ver­mu­tungs­wir­kung sehr weit zu ver­ste­hen ist und sich über das Vor­lie­gen eines Grund­man­gels zum Zeit­punkt des Gefahren­über­gangs hin­aus auch auf die Kau­sa­li­tät des Grund­man­gels für einen Fol­ge­man­gel erstreckt, der inner­halb der ers­ten sechs Mona­te nach Gefahren­über­gang in Erschei­nung tritt. Zu den­ken ist hier an ein Auto, das einen Mate­ri­al­feh­ler (Grund­man­gel) hat, infol­ge des­sen es zu einem Kurz­schluss kommt und das Auto voll­stän­dig aus­brennt (Fol­ge­man­gel).

Nach Ablauf der sechs­mo­na­ti­gen Frist muss der Käu­fer wie­der­um bewei­sen, dass die Sache bereits bei Gefahr­über­gang man­gel­haft war. Dies stellt den Käu­fer in der Pra­xis aber regel­mä­ßig vor erheb­li­che Beweis­schwie­rig­kei­ten, etwa, weil die Ver­käu­fer pau­schal behaup­ten, der Käu­fer habe den Man­gel nach Über­ga­be durch unsach­ge­mä­ße Hand­ha­bung oder Pfle­ge selbst ver­ur­sacht. Nicht zuletzt aus wirt­schaft­li­chen Grün­den neh­men Käu­fer daher in der Regel von der Durch­set­zung ihrer Ansprü­che nach Ablauf der sechs Mona­te Abstand.

Die Pro­ble­ma­tik wird nun wei­ter ent­schärft: Die bereits in Kraft getre­te­ne Richt­li­nie (EU) 2019/771 über bestimm­te ver­trags­recht­li­che Aspek­te des Waren­kaufs sieht vor, dass die Beweis­last­um­kehr zuguns­ten der Ver­brau­cher auf min­des­tens ein Jahr ver­län­gert wird. Grund­sätz­lich steht es den Mit­glied­staa­ten dar­über hin­aus frei, die Beweis­last sogar für die Dau­er von zwei Jah­re umzukehren.

Der deut­sche Gesetz­ge­ber ist nun gehal­ten, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie – ver­mut­lich im Rah­men des § 477 BGB – in natio­na­les Recht umzu­set­zen. Die Umset­zungs­frist endet mit Ablauf des 1. Juli 2021 und somit noch in die­ser Legislaturperiode. 

Pra­xis­tipps

Händ­ler soll­ten sich auf die bevor­ste­hen­de Geset­zes­än­de­rung vor­be­rei­ten. Da mit einem deut­li­chen Wachs­tum von man­gel­be­ding­ten Rekla­ma­tio­nen zu rech­nen ist, soll­ten früh­zei­ti­ge Über­le­gun­gen getrof­fen und die hier­durch ent­ste­hen­den Mehr­kos­ten in die Kal­ku­la­ti­on ein­ge­stellt wer­den. Dar­über hin­aus soll­ten ver­trag­li­che Rege­lun­gen recht­zei­tig auf den Prüf­stand gestellt wer­den, da ins­be­son­de­re im B2C-Warenverkehr nicht ohne wei­te­res von den gesetz­li­chen Vor­ga­ben abge­wi­chen wer­den kann.

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