Manual on borderline and classification for medical devices – MDCG 09–2022
Die Qualifikation von Produkten als Medizinprodukt oder Nichtmedizinprodukt ist auch im Licht der MDR bzw. der IVDR nicht obsolet geworden. Im Gegenteil: die mit den „neuen“ europäischen Verordnungen in Form von MDR und IVDR gestiegenen regulatorischen Anforderungen an Medizinprodukte machen eine präzise Produktqualifikation erst recht erforderlich. Insbesondere die Abgrenzung von Medizinprodukten von Bioziden, persönlicher Schutzausrüstung, Kosmetik, Lebensmitteln oder Arzneimitteln stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Gleichzeitig ist die korrekte Qualifikation eines Produktes entscheidend für die heranzuziehende Regulatorik. Nur ein korrekt qualifiziertes Produkt kann auch entsprechend der für das Produkt geltenden Regelwerke beurteilt und in seiner Konformität bewertet werden.
Seit September 2022 wird von der MDCG eine neue Reihe des Manuals zur Abgrenzung und Klassifizierung gemäß MDR und IVDR initiiert. Das vorherige Manual, das unter der Richtlinie 93/42/EG über Medizinprodukte, der Richtlinie 90/385/EWG über aktive implantierbare medizinische Geräte und der Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika bestand, wird nicht mehr aktualisiert.
Das im September 2022 publizierte Manual gibt Herstellern Hilfestellung bei der Qualifikation von Produkten einerseits und der Klassifikation von Medizinprodukten, also der korrekten Zuordnung zu einer Risikoklasse, andererseits. Dabei werden Einzelfälle beurteilt und Produktgruppen zugeordnet, um Beispiele zu nennen:
- Substanz zur antiviralen Textilbehandlung = Biozid (kein Medizinprodukt)
- Rettungssack für Patiententransport = Medizinprodukt (keine PSA)
Im Hinblick auf die Klassifizierung von Medizinprodukten weist das Manual am Beispiel von Dermalfüllern darauf hin, dass diese sowohl als Medizinprodukt klassifiziert, ansonsten aber auch unter Anhang XIV der MDR gefasst werden können. Anhang XIV MDR betrifft Produkte, die –ohne per Definition Medizinprodukte zu sein – aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit „echten“ Medizinprodukten und ihrem damit einhergehenden Risikopotenzial MDR compliant sein müssen (siehe hierzu auch). Dermalfüller, die durch Injektion verabreicht werden, die als klinischer Eingriff betrachtet wird, erfüllen die Definition eines implantierbaren Produkts gemäß Artikel 2 Absatz 5 der MDR. Abhängig von der vorgesehenen Anwendungsdauer fallen sie sogar unter die Regeln 7 und 8 des Anhangs VIII der MDR und sind so der Risikoklasse IIa oder höher zuzuordnen.
Handlungsempfehlung
Die Zuordnung eines Produkts in die richtige Produktgruppe ist essenziell. Hier lohnt sich für Hersteller die Recherche im Vorfeld. Nur die korrekte Produktqualifikation gewährleistet die Anwendung und Beachtung der für das Produkt geltenden regulatorischen Anforderungen an Entwicklung und Produktion, aber auch Produktkennzeichnung, Gebrauchsinformation, Registrier- und Meldepflichten sowie Produktbeobachtung nach Inverkehrgabe. Die Compliance mit den produktspezifischen Regularien wiederum mindert Haftungsrisiken einerseits sowie das Risiko, als Hersteller Adressat von Abmahnungen durch Wettbewerber oder Marktmaßnahmen durch Aufsichtsbehörden zu werden.
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