Dem Urteil vom 16.10.2019 (Az. 29 Ca 5451/19) lag die Klage eines Arbeitnehmers auf Entfernung mehrerer Abmahnungen aus seiner Personalakte zugrunde. Diese hatte der Arbeitgeber ausgesprochen, weil der Arbeitnehmer sich nach der Einführung eines Zeiterfassungssystems mit Fingerabdruckerkennung geweigert hatte, dieses zu verwenden. Eine Einwilligung in die Nutzung hatte er ebenfalls nicht erteilt.
Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, das Zeiterfassungssystem zu nutzen, besteht aus Sicht des ArbG Berlin jedoch nicht. Es sieht vielmehr die Voraussetzungen für eine Entfernung der Abmahnungen, die ein Arbeitnehmer nach §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen kann, als erfüllt an und verpflichtet den Arbeitgeber zur Entfernung der Abmahnungen.
Das Gericht führt zur Begründung des Urteils zunächst aus, dass es sich bei den im Zeiterfassungssystem gespeicherten Daten um biometrische Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO (PDF) und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 26 Abs. 3 BDSG handelt. Dies ergibt sich für das Gericht aus der Funktionsweise des Zeiterfassungssystems. Das System speichert zwar nicht den vollständigen Fingerabdruck des Mitarbeiters, jedoch die sog. Minutien. Dabei handelt es sich um individuelle, nicht vererbbare Fingerlinienverzweigungen, die einen eindeutigen Abgleich mit dem Fingerabdruck erlauben.
Als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung scheiden im vorliegenden Fall sowohl die Einwilligung – eine solche hatte der Arbeitnehmer ja gerade nicht erteilt – als auch eine Kollektivvereinbarung aus. Das Gericht prüft daher, ob eine Rechtfertigung auf § 26 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann. Im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Abwägung mit schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers kommt es dann zu dem Ergebnis, dass die Arbeitszeiterfassung mittels Fingerabdruck erheblich in die Grundrechte und Grundfreiheiten der Betroffenen eingreift. Ein Interesse des Arbeitsgebers an einer Verhinderung von Missbrauch tritt dahinter jedenfalls ohne konkrete Anhaltspunkte für einen solchen in der Vergangenheit oder die Darlegung von bestehenden Lücken in einem anderen Zeiterfassungssystem ohne Speicherung biometrischer Daten zurück. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber zu derartigen Ausnahmen jedoch nichts vorgetragen und wurde folglich verurteilt.
Die Entscheidung des ArbG Berlin knüpft damit, wenig überraschend, auch bei Zeiterfassungssystemen hohe Anforderungen an die Verarbeitung von biometrischen Daten. Es hält biometrische Zeiterfassungssysteme jedoch nicht per se für unzulässig, sondern verlangt für deren Einsatz triftige Gründe, wie z. B. den Missbrauch bestehender Systeme. Vor diesem Hintergrund ist Unternehmen, die entsprechende Systeme zur Zeiterfassung verwenden, zu raten, die Rechtsgrundlage für deren Einsatz genau zu prüfen. In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, ob ausreichende technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten, die bei biometrischen Informationen besonders hoch sind, umgesetzt wurden.
Update vom 27.08.2020
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 04.06.2020 in zweiter Instanz über den Einsatz von biometrischen Zeiterfassungssystemen entschieden. Das LAG hat sich dabei der Auffassung des Berliner Arbeitsgerichts im Wesentlichen angeschlossen. Der Einsatz von biometrischen Zeiterfassungssystemen unterliegt damit auch aus Sicht der zweiten Instanz hohen Hürden. So ist zunächst notwendig, dass eine Erforderlichkeit zum Einsatz des Systems im Sinne von § 26 BDSG vorliegt. Hierbei sind die Interessen des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung und das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten gegeneinander abzuwägen und in Ausgleich zu bringen. Darüber hinaus dürfen keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Im vorliegenden Fall war es dem Arbeitgeber jedoch bereits nicht gelungen eine Erforderlichkeit des Systems nachzuweisen.
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