Die nationale Umsetzung der am 20.05.2019 verabschiedeten Richtlinie (EU) 2019/771 (im Folgenden: Warenkaufrichtlinie) führt zu weitreichenden Änderungen für Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden.
Obwohl eines der Hauptziele der Warenkaufrichtlinie ein erhöhtes Verbraucherschutzniveau bildet, hat deren Umsetzung in das deutsche BGB ebenso Auswirkungen für den unternehmerischen Geschäftsverkehr. So erfolgte nämlich nicht nur eine Anpassung der Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB), sondern auch eine des allgemeinen Kaufrechts. Für Unternehmen besonders relevant sind dabei zwei Themenkomplexe: der Mangelbegriff sowie der Verkäuferregress.
Der kaufrechtliche Mangelbegriff
In Umsetzung von Art. 5 der Warenkaufrichtlinie werden die Anforderungen an die Sachmangelfreiheit der Kaufsache neu geregelt. Bisher sah die Definition des Sachmangels vorrangig subjektive Kriterien (vereinbarte Beschaffenheit, vertraglich vorausgesetzte Verwendung) und nachrangig objektive Kriterien (Eignung zur gewöhnlichen Verwendung) in einem Stufenverhältnis vor, nun stehen diese Anforderungen kumulativ nebeneinander.
Das stellt den Verkäufer insbesondere im unternehmerischen Verkehr vor folgendes Problem: Obwohl die Beschaffenheit der Kaufsache zwischen Käufer und Verkäufer regelmäßig mittels Spezifikationen oder sonstiger Vereinbarungen konkret festgelegt wird und der Verkäufer diese einhält, können die gesetzlichen Gewährleistungsrechte ausgelöst werden, weil auch objektive Erwartungen maßgebend sind.
Dieses Dilemma muss angegangen werden, da andernfalls Risiken aus dem Gewährleistungsbereich drohen. Der Weg dorthin können nur klare und abschließende Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien sein, z. B. über negative Beschaffenheitsvereinbarungen. Dies war schon immer ratsam, da subjektive Vorstellungen naturgemäß eine im Zweifel auszulegende Grauzone darstellen. Durch die neue Struktur des BGB ist es nun unumgänglich. Diesbezüglich sollten auch unbedingt Standardbedingungen wie AGB und Musterverträge überprüft und ggfs. angepasst werden. Das gilt auch für Fragen zum Regress und der Verjährung im Fall von Gewährleistungsansprüchen.
Der Verkäuferregress gem. §§ 445 a/b BGB
Zwar enthält die Warenkaufrichtlinie mit Art. 18 nur wenige Regelungen über den Regress des Verkäufers gegenüber seinem Lieferanten. Jedoch hat der nationale Gesetzgeber auch die §§ 445 a, b BGB angepasst. Dabei wird eine Veränderung erhebliche Folgen für die Lieferketten haben: die Abschaffung der Höchstgrenze der Verjährungsablaufhemmung in § 445b Abs. 2, S. 2 BGB a.F.
§ 445b Abs. 2 BGB normiert eine Verjährungsablaufhemmung sowohl für den Regress nach § 445a Abs. 1 BGB als auch für die allgemeinen Gewährleistungsansprüche in § 437 BGB. Danach tritt Verjährung der Regressansprüche des Verkäufers gegen den (seinen) Lieferanten frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem der Verkäufer die Gewährleistungsansprüche seines Käufers erfüllt.
§ 445b Abs. 2 S. 2 a.F. sah für die Durchsetzung der Regressansprüche eine zeitliche Höchstgrenze der Ablaufhemmung von fünf Jahren ab Ablieferung vom Lieferanten an seinen Kunden vor. Diese Höchstfrist wurde mit Umsetzung der Warenkaufrichtlinie nun ersatzlos gestrichen. Für die Akteure in der Lieferkette geht das mit Rechtunsicherheit und dem erheblichen Risiko einher, Gewährleistungsansprüchen ohne diese Höchstgrenze ausgesetzt zu sein. Ein Risiko, das bislang schon nur wenigen bekannt war, wurde nun nochmals verschärft.
Fazit
Der deutsche Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie für eine Anwendung der käuferfreundlichen Regelungen auch auf Verträge im rein unternehmerischen Geschäftsverkehr entschieden. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der gezeigten Anpassungen des Kaufrechts müssen Lieferanten wie Hersteller die eigenen Produkte auf Vereinbarkeit mit dem neuen Mangelbegriff prüfen, die Regressmöglichkeiten entlang der Lieferkette (vertraglich) absichern sowie Vertragsmuster und AGB den neuen Strukturen anpassen.
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