Ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen des Leitfadens für die Umsetzung der EU-Produktvorschriften
Die EU-Kommission hat am 29. Juni 2022 die bereits lang erwartete neue Fassung des Blue Guides veröffentlicht. Dieser bereits bekannte Leitfaden für die Umsetzung der EU-Produktvorschriften ist zwar nicht verbindlich, stellt aber eine Auslegungshilfe für die einheitliche Anwendung der EU-Harmonisierungsvorschriften dar. Die Revision des Blue Guides baut auf den früheren Fassungen auf, berücksichtigt jedoch insbesondere die Entwicklungen in der Gesetzgebung und die Vorschriften der neuen Marktüberwachungsverordnung 2019/1020 (PDF) sowie den Vertrieb von Produkten über den Onlinehandel.
Der Geltungsbereich des Blue Guides 2022 wurde um die seit 2016 reformierten bzw. neu hinzugetretenen Rechtsakte erweitert (wie u.a. die Verordnung 2019/945 über unbemannte Luftfahrzeuge (Drohnen)). Explizit ausgenommen hingegen sind nun neben den Vorschriften der Produktsicherheitsrichtlinie die Vorschriften des Lebensmittelrechts.
Die Ausführungen zu den vom Blue Guide “erfassten Erzeugnissen” wurden zur besseren Übersichtlichkeit in die Abschnitte Produktdefinition sowie Reparaturen und Änderungen an Produkten unterteilt und um weitere Erläuterungen wie die einer eindeutigeren Definition der “wesentlichen Änderung” ergänzt. Hinzu tritt außerdem ein Abschnitt bezüglich Datenverarbeitungsprogrammen (Software). In diesem Zusammenhang werden auch Software-Updates erläutert, die Instandhaltungsarbeiten gleichgesetzt werden können, solange durch sie keine wesentliche Änderung (die abermals definiert wird) erfolgt.
Da der Blue Guide 2022 einen stärkeren Fokus auf die Besonderheiten des Fernabsatzes und Online-Verkäufe legt, enthält er detaillierte Ausführungen zu dem Inverkehrbringen von Produkten unter Nutzung dieser Vertriebsmethoden, auch wenn an diesem ein Fulfilment-Dienstleister beteiligt ist. Dieser wurde von der Marktüberwachungsverordnung eingefügt und erweitert seitdem den Kreis der greifbaren Wirtschaftsakteure innerhalb der EU, was einen höheren Schutz sicherstellen soll.
Da sich darüber hinaus weitere Folgen und Besonderheiten aus der Marktüberwachungsverordnung 2019/1020 ergeben, wird diesen in einer umfassenderen Revision des Kapitels 7 Rechnung getragen. Überarbeitet bzw. ergänzt wurden unter Bezugnahme der entsprechenden Vorschriften u.a. der Anwendungsbereich der Verordnung, die Organisation der Marktüberwachung, die durch sie durchgeführten Kontrollen sowie der Umgang mit Produkten aus Drittländern, die von den Grenzbehörden als nichtkonform betrachtet werden.
Schließlich werden auch die Auswirkungen des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs aufgegriffen. Die dort ansässigen Hersteller oder Importeure gelten ab dem 01.01. 2022 nicht mehr als in der EU ansässige Wirtschaftsakteure. Da britische Stellen ihren Status als notifizierte Stellen verloren haben, sind auch die von ihnen im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahren ausgestellten Bescheinigungen für Produkte, die ab dem 01.01.21 in der EU in Verkehr gebracht werden, nicht mehr gültig. Erforderlich ist nun die Bescheinigung einer notifizierten EU-Stelle.
Fazit
Der überarbeitete Blue Guide 2022 enthält nun Erläuterungen zum Fernabsatz und zu Online-Verkäufen sowie weitere Auslegungshilfen für die Besonderheiten von Software und Software-Updates. Dies war lange überfällig, da diese Formen des Vertriebs mittlerweile integraler Bestandteil des Wirtschaftsverkehrs geworden sind. Den beteiligten Wirtschaftsakteuren muss daher ein Leitfaden zur Verfügung gestellt werden, auf den sie zum besseren Verständnis ihrer Pflichten zurückgreifen können. Es wird sich jedoch erst auf lange Sicht zeigen, ob der Blue Guide 2022 auch den Großteil der in der Praxis auftretenden Fragestellungen beantworten kann.
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