Geleakter Entwurf sieht Beweislastumkehr für Schadensersatz vor
Mit der KI-Haftungsrichtlinie („AI Liability Directive“) möchte die EU-Kommission neue Haftungsregeln für künstliche Intelligenz (KI) schaffen und die geplante KI-Verordnung ergänzen. Uns liegt eine geleakte Fassung der geplanten Richtlinie vor, über die auch EURACTIV und der Tagesspiegel berichteten. Offiziell soll die geplante Richtlinie erst am 28. September 2022 veröffentlicht werden. Wir stellen Ihnen schon heute den Inhalt und die Auswirkungen der KI-Haftungsrichtlinie auf Unternehmen vor und geben Tipps zur Vermeidung von rechtlichen Risiken.
Was ist das Ziel der KI-Haftungsrichtlinie?
Die KI-Haftungsrichtlinie dient der Anpassung bestehender Haftungsregeln an das digitale Zeitalter und an die Entwicklungen im Bereich KI. Bei digitalen Produkten ist nicht klar, in welchem Umfang sie dem Haftungsregime der Produkthaftungsrichtlinie unterfallen. Darüber hinaus sieht die Produkthaftungsrichtlinie nur Kompensationen für physische oder materielle Schäden vor. Die Vernetzung und neue Technologien aber bringen es mit sich, dass auch Daten und die Privatsphäre durch unsichere Produkte beschädigt werden können. Außerdem macht es die Komplexität digitaler Produkte für Geschädigte schwierig, den verantwortlichen Produzenten zu identifizieren.
Der Entwurf im Überblick
Der Entwurf der KI-Haftungsrichtlinie sieht die Harmonisierung nationaler nichtvertraglicher Haftungsregelungen für Schäden durch KI vor. Wer durch KI einen Schaden erleidet, soll diesen ebenso einfach geltend machen können, wie einen Schaden, der ohne die Beteiligung von KI entstanden ist. Gem. Art. 1 Abs. 2 der KI-Haftungsrichtlinie werden daher die Offenlegungspflichten für Hochrisiko-KI nach der KI-Verordnung und die Beweislast bei nichtvertraglichen verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen vereinheitlicht. Ausdrücklich unberührt davon bleiben europäische Haftungsregelungen für das Transportwesen.
Offenlegungspflichten
Nach Art. 3 Abs. 1 der KI-Haftungsrichtlinie sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass Geschädigte vom Betreiber, Hersteller oder Nutzer von Hochrisiko-KI die Offenlegung von Informationen verlangen können. Entsprechende Ansprüche bestehen auch gegen Vertreiber oder sonstige Dritte, die durch die KI-Verordnung verpflichtet sind. Herausverlangt werden können Trainings- und Validierungsdaten, Informationen aus der technischen Dokumentation und den Aufzeichnungspflichten sowie aus dem Qualitätsmanagementsystem und über ergriffene Korrekturmaßnahmen. Die Herausgabe darf nur erfolgen, soweit sie notwendig und angemessen ist, um den Anspruch zu verfolgen. Wird sie unrechtmäßig verweigert, greift die Vermutung, dass die verlangten Informationen den Anspruch begründet hätten. Zur Durchsetzung und Kontrolle müssen die Mitgliedsstaaten geeignete gerichtliche Zuständigkeiten schaffen.
Beweislastumkehr
Um Geschädigten die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Unternehmen zu erleichtern, sieht die KI-Haftungsrichtlinie unter folgenden Voraussetzungen eine Beweislastumkehr vor:
- Der Geschädigte hat bestimmte Verstöße des Unternehmens gegen die KI-Verordnung dargelegt; und
- die Pflicht, gegen die das Unternehmen verstoßen hat, soll gerade vor dem eingetretenen Schaden schützen; und
- nach dem nationalen Recht ist ein Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht als Verschulden des Unternehmens festgestellt worden; und
- es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden.
Greift die Beweislastumkehr, muss das Unternehmen beweisen, dass es für den entstandenen Schaden nicht verantwortlich ist.
Fazit
Noch befindet sich der Entwurf für eine KI-Haftungsrichtlinie in einem frühen Stadium. Schon jetzt ist allerdings klar, dass die prozessualen Folgen einer Richtline in dieser Form gravierend wären. Neben einem Verlust von geistigem Eigentum durch eine überbordende Offenlegungspflicht werden Unternehmen durch die Beweislastumkehr von vorneherein in die Defensive gedrängt. Auch wenn bis zur Verabschiedung der KI-Haftungsrichtlinie und ihrer Umsetzung in das nationale Recht noch einige Zeit vergehen mag, sollten Unternehmen, die KI einsetzen oder dies zukünftig beabsichtigen, schon heute Maßnahmen zur Haftungsreduzierung ergreifen und ihrer Produktverantwortung nachkommen. Weitere Informationen dazu finden Sie in unserem kostenlosen reuschlaw Whitepaper zu Updatepflichten aus zivil- und öffentlich-rechtlicher Produktverantwortung.
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