Nur noch ein Jahr bis zum Geltungsbeginn der MDR
Der 25. Mai 2017 bescherte der Medizinproduktebranche mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2017/745, MDR, umfassend neue regulatorische Rahmenbedingungen. Auch nach Ablauf von zwei Dritteln der dreijährigen Übergangsfrist bis zum Geltungsbeginn der MDR am 26. Mai 2020 bleiben viele Fragen offen. Bisher veröffentlichte „Corrigenda“ zum Normtext der MDR tragen wenig zur Klärung zentraler Fragen bei.
Die Hersteller allein sind nicht die Herren des Verfahrens. Sie sind angewiesen darauf, dass von der MDR vorgesehene Strukturen zuverlässig implementiert sind, um sich selbst und ihre Produkte MDR-compliant aufstellen zu können. Hieran hakt es nach wie vor erheblich.
Bislang wurden von der Europäischen Kommission gerade einmal 11 Benannte Stellen nach MDR akkreditiert (Stand Februar 2020). Gleichzeitig bedeuten die neuen Klassifizierungsregeln der MDR, dass eine deutlich größere Anzahl von Produkten als bisher ein von den Benannten Stellen zu begleitendes Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen muss. Für diese neuen Produkte ist der 26. Mai 2020 ein hartes Datum. Für sie greift nicht einmal die als „Abverkaufsregel“ bezeichnete Kulanzfrist, unter der MDD-konforme Produkte auch noch nach Geltungsbeginn weiter in Verkehr gebracht werden dürfen. Für eine Vielzahl von Herstellern steht daher bereits heute fest, dass für etliche Produkte eine erfolgreiche, „stichtagsgerechte“ MDR-Zertifizierung nicht gelingen kann.
Strategien für Hersteller
Einen Einfluss auf die äußeren Gegebenheiten, insbesondere die Frage, wie schnell die Kooperation mit einer MDR-akkreditierten Benannten Stelle realisiert werden kann, haben Hersteller nicht. Sofern noch nicht geschehen, gilt es für Hersteller daher, die letzten zwölf Monate bis zum Geltungsbeginn intern möglichst effektiv zu nutzen und den für die MDR so wesentlichen Aspekt des Produktlebenszyklus zu beachten. Sind Produkte oder Produktfamilien entsprechend MDR korrekt klassifiziert? Können hinreichend klinische Daten generiert werden? Stehen die Prozesse für klinische Bewertungen und Prüfungen, die nach MDR detaillierter geregelt sind, als dies bislang der Fall war? Wie weit ist die Planung von UDI- und Label-Vorgaben, die mit Geltungsbeginn der MDR zu beachten sind, gediehen?
Wesentlich auch: die Implementierung oder mindestens Überprüfung des bestehenden Risikomanagementsystems im Einklang mit den Anforderungen der MDR. Neben der zentralen Herstellerpflicht nach Art. 10 Absatz 1 MDR, Medizinprodukte künftig im Einklang MDR-compliant herzustellen und in Verkehr zu geben, ist bereits in Art. 10 Absatz 2 MDR das Risikomanagement erstmals gesetzlich normiert. Die verbleibende Übergangsfrist sollte also auch dazu genutzt werden, das Qualitätsmanagementsystem dahingehend anzupassen, dass es MDR-konform klare Prozesse für das Risikomanagement beinhaltet und sichergestellt ist, dass dessen Planung, Implementierung und Bewertung dokumentiert und belegt wird. Die Qualitätssicherung der Produkte kann nur in Kooperation mit Lieferanten und Vertriebspartnern gelingen. Das mit der MDR explizit verfolgte Ziel, mit Medizinprodukten einhergehende Risiken für Patienten und Anwender zu minimieren, fordert von den Herstellern sowohl ein optimiertes Lieferantenmanagement als auch die engere Kooperation mit Distributoren. Es gilt, den gesamten Lebenszyklus der Produkte in die Lieferkette hinein bis hin zum Entwicklungsdienstleister einerseits und bis zum Endanwender andererseits nachvollziehen zu können, so dass nicht zuletzt eine enge vertragliche Regelung für das Zusammenwirken der Wirtschaftsakteure nottut. Im Rahmen der Überprüfung des eigenen Qualitätsmanagementsystems sollten somit auch die Frage nach einer adäquaten Lieferanten- und Vertriebspartnerbewertung beantwortet werden sowie bestehende Vertragsmuster, insbesondere Qualitätssicherungsvereinbarungen, auf Informations- und Kooperationspflichten der Vertragspartner im Kontext Rückverfolgbarkeit der Produkte beleuchtet werden.
Mit Geltungsbeginn der MDR sind Hersteller (Ausnahme Klein- und Kleinstunternehmen) nach Artikel 15 MDR verpflichtet, in ihrer Organisation über mindestens eine für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person zu verfügen. Es sollte daher bis zum Stichtag auch geprüft werden, ob eine solche Position unternehmensintern vergeben werden kann, gegebenenfalls Schulungsbedarfe bestehen oder eine externe Ausschreibung lanciert werden sollte.
Fazit
Letztlich sind Hersteller gut beraten, sich innerhalb der noch verbleibenden Übergangsfrist pragmatisch mit der Umsetzung der mit der MDR formulierten Anforderungen zu befassen. Stand heute ist offen, wie einzelne Anforderungen im Detail oder ihrer Dimension letztlich in der Praxis „gelebt“ werden oder bestimmte Klauseln von Benannten Stellen oder Behörden „ausgelegt“ werden. Für Hersteller empfiehlt es sich daher, in Zweifelfällen den eingeschlagenen Weg fundiert begründen zu können und die gewählte Herangehensweise strukturiert und nachvollziehbar zu dokumentieren.
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