OVG Schleswig-Holstein zum Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­recht gegen­über der Datenschutzaufsicht

Mit dem Beschluss vom 25.05.2021 (Az. 4 MB 14/21) hat sich das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Schleswig-Holstein zum Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­recht von Unter­neh­men auf Fra­gen der Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­den bei Daten­schutz­prü­fun­gen (§ 58 Abs. 1 lit. b DSGVO) geäu­ßert. Lesen Sie im Fol­gen­den unse­re Zusam­men­fas­sung und Ana­ly­se die­ser brand­ak­tu­el­len und für Unter­neh­men – auch ange­sichts der aktu­el­len Fra­ge­bö­gen zu “Schrems II” und Dritt­lands­über­mitt­lun­gen – hoch rele­van­ten Entscheidung.

Zum Sach­ver­halt

Dem Beschluss lag ein Rechts­streit zwi­schen einem Online-Versand (Antrag­stel­le­rin) und der zustän­di­gen Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­de (Antrags­geg­ner) über ein Aus­kunfts­er­su­chen zur Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten zugrun­de. Auf­grund meh­re­rer Beschwer­den – wonach das Unter­neh­men per­sön­li­che Wer­be­an­spra­chen bei Betrof­fe­nen durch­füh­re – ord­ne­te die Auf­sichts­be­hör­de die Aus­kunfts­er­tei­lung zu fünf Fra­gen an und droh­te mit der Fest­set­zung eines Zwangs­gel­des für jede nicht beant­wor­te­te Fra­ge. Zudem wies sie auf ein ggfs. bestehen­des Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG hin. Die Antrag­stel­le­rin ver­wei­ger­te die Aus­kunft und erhob gegen die Zwangs­geld­fest­set­zung Anfech­tungs­kla­ge vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt (VG) und stell­te einen Antrag auf Anord­nung der auf­schie­ben­den Wir­kung, der durch das VG abge­lehnt wurde.

Inhalt der Entscheidung

Das OVG sah die dar­auf­hin erho­be­ne Beschwer­de als teil­wei­se begrün­det an und hat sich aus­gie­big mit der Fra­ge beschäf­tigt, ob dem Unter­neh­men ein Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­recht zustand. Dabei ver­tritt das OVG die Auf­fas­sung § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG berech­ti­ge nur zur Aus­kunfts­ver­wei­ge­rung auf Fra­gen, durch deren Beant­wor­tung die Gefahr einer straf­ge­richt­li­chen Ver­fol­gung oder eines Ver­fah­rens nach dem Gesetz über Ord­nungs­wid­rig­kei­ten (OWiG) bestün­de. Dies erfor­de­re eine bestimm­te Gefahrenlage.

Das Aus­kunfts­be­geh­ren ste­he vor­lie­gend in Ver­bin­dung mit einer Daten­schutz­prü­fung (Art. 58 Abs. 1 lit. b DSGVO) wobei zwi­schen den ein­zel­nen Fra­gen und des damit ver­bun­de­nen Risi­kos zu dif­fe­ren­zie­ren sei.

Die ein­zel­nen Fra­gen las­sen sich mit­hil­fe der Ent­schei­dung grob wie folgt zusammenfassen:

  • Wel­che Ver­ant­wort­li­chen und Auf­trags­ver­ar­bei­ter erhe­ben per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten und ver­ar­bei­ten sie zu Werbezwecken?
  • Wel­che per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten wer­den erhoben?
  • Wur­den die Vor­ga­ben von Art. 24 und Art. 32 DSGVO eingehalten?
  • Wie vie­le Per­so­nen sind betroffen?
  • Wur­den die Infor­ma­ti­ons­pflich­ten aus Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO eingehalten?

Die Bewer­tung des OVG führt zu dem Ergeb­nis, dass durch eine Aus­kunft zu den Fra­gen 1, 2 und 4 ohne wei­te­re Umstän­de, wie das Feh­len einer Ein­wil­li­gung, nicht auf eine rechts­wid­ri­ge Ver­ar­bei­tung geschlos­sen wer­den kann. Es bestehe kei­ne Gefah­ren­la­ge und damit auch kein Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­recht. Im Gegen­satz dazu zie­len die Fra­gen 3 und 5 auf ein Ver­fah­ren nach dem OWiG ab, denn Ver­stö­ße gegen die genann­ten Ver­pflich­tun­gen kön­nen zu Geld­bu­ßen nach Art. 83 DSGVO füh­ren und begrün­den daher ein Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­recht.

Das OVG geht des Wei­te­ren davon aus, dass ver­wal­tungs­recht­li­che Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­rech­te nicht nur der Durch­set­zung, son­dern auch dem Aus­kunfts­be­geh­ren selbst ent­ge­gen­ste­hen. Ihnen wohnt der Grund­satz der Selbst­be­las­tungs­frei­heit inne. Da die­ser aus dem all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­recht her­ge­lei­tet wird und damit auf natür­li­che Per­so­nen zuge­schnit­ten ist, erscheint es frag­lich, ob sich juris­ti­sche Per­so­nen auf Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­rech­te beru­fen kön­nen. Vor dem Hin­ter­grund, dass der Grund­satz auch aus dem Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 3 GGArt. 6 Abs. 1 EMRK) her­ge­lei­tet wird, erscheint dies aus Sicht des OVG jedoch nicht gänz­lich aus­ge­schlos­sen.

Wei­ter­hin stellt das Gericht fest: “Ein Ein­griff in die Selbst­be­las­tungs­frei­heit eines Aus­kunfts­pflich­ti­gen kann sowohl dar­in lie­gen, dass er durch einen Ver­wal­tungs­akt rechts­ver­bind­lich zur Selbst­be­zich­ti­gung auf­ge­for­dert wird, als auch in der Durch­set­zung einer sol­chen Pflicht mit­tels Ver­wal­tungs­zwang begrün­det sein. […] Vor dem Hin­ter­grund der genann­ten offe­nen, teils grund­le­gen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen, lässt sich die vom Ver­wal­tungs­ge­richt ange­nom­me­ne und aus­schließ­lich mit dem Ver­weis dar­auf, dass das Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG als Ein­wen­dung gegen den Grund­ver­wal­tungs­akt im Voll­zugs­ver­fah­ren nicht gel­tend gemacht wer­den kön­ne (vgl. § 248 Abs. 2 LVwG) begrün­de­te Recht­mä­ßig­keit der Zwangs­geld­fest­set­zung nicht ohne Wei­te­res mit der erfor­der­li­chen Sicher­heit feststellen.”

Ein­ord­nung der Entscheidung

Vor dem Hin­ter­grund der koor­di­nier­ten Prü­fun­gen eini­ger Auf­sichts­be­hör­den mit­tels Fra­ge­bö­gen – aus­ge­hend von der “Schrems II”-Entscheidung des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes (EuGH) – kommt dem Beschluss eine beson­ders hohe Rele­vanz für die Pra­xis zu.  Unter­neh­men kön­nen sich aus­weis­lich des Beschlus­ses gegen­über den Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­den auf Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­rech­te beru­fen, wenn sie sich ansons­ten der Gefahr eines wei­te­ren Ver­fah­rens aus­set­zen wür­den. Zu berück­sich­tig­ten ist jedoch, dass es sich bei der Ent­schei­dung des OVG Schleswig-Holstein um eine sum­ma­ri­sche Prü­fung im Wege des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes han­delt und das OVG am Ende eine Inter­es­sen­ab­wä­gung zu tref­fen hat.

Pra­xis­hin­wei­se

Aus­ge­hend von unse­ren Erfah­run­gen beim Umgang mit behörd­li­chen Prüf­ver­fah­ren raten wir betrof­fe­nen Unter­neh­men grund­sätz­lich Folgendes:

  • Ent­hält das behörd­li­che Schrei­ben kei­ne Rechts­mit­tel­be­leh­rung han­delt es sich nur um eine Bit­te zur Aus­kunft. Somit liegt kein Ver­wal­tungs­akt vor. Eine Ver­pflich­tung zur Beant­wor­tung unter dem Druck von Sank­tio­nen gibt es nicht.
  • Aus­kunfts­er­su­chen soll­ten vor dem Hin­ter­grund anknüp­fen­der Maß­nah­men stets mit Bedacht behan­delt werden.
  • Las­sen Sie sich in jedem Fall anwalt­lich unter­stüt­zen, wenn Sie sich unsi­cher im Umgang mit der Auf­sichts­be­hör­de füh­len. Dies gilt – wie der aktu­el­le Beschluss zeigt – ins­be­son­de­re für die Beru­fung auf Aus­kunfts­ver­wei­ge­rungs­rech­te. Wir ver­fü­gen über umfang­rei­che Erfah­rung im Umgang mit den deut­schen und euro­päi­schen Auf­sichts­be­hör­den und unter­stüt­zen Sie gerne.
  • Auch Unter­neh­men, die bis­lang nicht von Auf­sichts­be­hör­den kon­tak­tiert wur­den, sind wegen des aktu­ell hohen Risi­kos gut bera­ten, umge­hend ihre bestehen­den Dritt­lands­über­mitt­lun­gen zu überprüfen

Soll­ten Sie mit einem behörd­li­chen Aus­kunfts­er­su­chen kon­fron­tiert sein oder recht­li­che Unter­stüt­zung bei der Bewer­tung von Dritt­lands­über­mitt­lun­gen benö­ti­gen, neh­men Sie ger­ne Kon­takt mit dem Co-Head unse­rer Digi­tal Busi­ness Unit, Rechts­an­walt Ste­fan Hes­sel, auf.

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