Umfang der Prüf­pflich­ten der Händ­ler von Medizinprodukten

Vor­la­ge­be­schluss zur Reich­wei­te der Prüf­pflicht von Medizinproduktehändlern

Am 21.12.2023 hat der Bun­des­ge­richts­hof einen Beschluss zur Vor­la­ge an den EuGH gem. Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV gefasst. Gleich fünf Fra­gen über die Aus­le­gung der Medi­zin­pro­duk­te­ver­ord­nung (Ver­ord­nung (EU) 2017/745, „MDR“) wer­den zur Beant­wor­tung gestellt.

Vor­la­ge­be­schluss und Vorlagefragen

Inhalt­lich betrifft der Vor­la­ge­be­schluss des BGH den Pflich­ten­kreis der Händ­ler von Medi­zin­pro­duk­ten vor dem Hin­ter­grund von Art. 14 MDR.

Zusam­men­ge­fasst ersucht der BGH um Ant­wor­ten auf fol­gen­de Fragen:

  • Ist ein Händ­ler gem. Art. 14 Abs. 1, 2 UAbs. 1 lit. a MDR ver­pflich­tet zu prü­fen, ob das von ihm auf dem Markt bereit­ge­stell­te Pro­dukt als Medi­zin­pro­dukt anzu­se­hen ist und des­halb eine CE-Kennzeichnung trägt und durch den Her­stel­ler eine EU-Konformitätserklärung für ein Medi­zin­pro­dukt aus­ge­stellt wor­den ist?
  • Muss ein Händ­ler auch prü­fen, ob das Pro­dukt in die Risi­koklas­se IIa fällt und des­halb mit einer vier­stel­li­gen Kenn­num­mer einer Benann­ten Stel­le ver­se­hen wor­den sein muss?
  • Kommt es für den „Grund zu der Annah­me“, dass ein durch den Händ­ler bereit­ge­stell­tes Pro­dukt nicht den Anfor­de­run­gen der MDR ent­spricht, dar­auf an, dass der Händ­ler im Wege der Abmah­nung durch einen Wett­be­wer­ber von einer sol­chen Rechts­an­sicht Kennt­nis erlangt?
  • Kommt es für die letz­te Fra­ge unter ande­rem dar­auf an, dass dem Händ­ler durch den Her­stel­ler oder eine Behör­de mit­ge­teilt wird, die Abmah­nung sei unbegründet?

Ten­denz des BGH

Die Ant­wor­ten des EuGH auf die gestell­ten Fra­gen ste­hen noch aus.

Sobald der EuGH die Fra­gen beant­wor­tet hat, wird jeden­falls der BGH erneut zu ent­schei­den haben. Klar ist bereits, wel­che Aus­le­gungs­er­geb­nis­se des EuGH der BGH sich erhofft:

  • Der Wort­laut des Art. 14 MDR ver­lan­ge zwar nicht, dass die Prüf­pflicht des Händ­lers im Sin­ne der MDR an die Ein­stu­fung des Pro­dukts durch den Her­stel­ler als Medi­zin­pro­dukt anknüp­fe. Aller­dings sei der Händ­ler zur Prü­fung nur im Rah­men sei­ner Tätig­kei­ten und nur zu gebüh­ren­der Sorg­falt ver­pflich­tet; für die ord­nungs­ge­mä­ße Kenn­zeich­nung sei in ers­ter Linie der Her­stel­ler verantwortlich.
  • Sinn und Zweck des Art. 14 MDR sprä­chen aller­dings dafür, dem Händ­ler eine Prü­fung unab­hän­gig davon abzu­ver­lan­gen, dass das Pro­dukt durch den Her­stel­ler als Medi­zin­pro­dukt ein­ge­stuft wur­de. Dies erge­be sich aus den Schutz­zwe­cken der MDR. Außer­dem kom­me dem Händ­ler nach dem „Blue Gui­de“ eine Schlüs­sel­rol­le zu.

Für Händ­ler wesent­lich ist hier­bei, dass nach Annah­me des BGH die Prü­fung auch dadurch wer­de erfol­gen kön­nen, dass die Zweck­be­stim­mun­gen der bereit­ge­stell­ten Unter­la­gen (Gebrauchs­an­wei­sung, Werbe- und Ver­kaufs­ma­te­ria­len) unter­sucht würden.

  • Der BGH nimmt außer­dem an, dass spä­tes­tens wenn ein Händ­ler durch die Abmah­nung eines Wett­be­wer­bers Kennt­nis von einer mög­li­chen Rechts­ver­let­zung erhält, „Grund zu der Annah­me“ im Sin­ne des Art. 14 MDR bestehe. Denn die­ser Begriff kön­ne jeden Gesichts­punkt umfas­sen, den ein ver­nünf­ti­ger, mit nor­ma­ler Umsicht han­deln­der Händ­ler, der unter Berück­sich­ti­gung der Umstän­de ange­mes­se­ne Anstren­gun­gen unter­neh­me, Scha­den von ande­ren abzu­wen­den, zum Anlass neh­men wer­de, die Fra­ge der Kenn­zeich­nung des Pro­dukts zu prü­fen. In die­sem Fall genü­ge die Anzei­ge an den Her­stel­ler oder eine Behör­de nicht; die Bereit­stel­lung sei erst dann wie­der erlaubt, wenn die Kon­for­mi­tät her­ge­stellt sei. Eine Pflicht zum Scha­dens­er­satz gegen­über dem Her­stel­ler wegen des unter­blei­ben­den Ver­triebs schei­de dann aus.
  • Der BGH erkennt in Art. 14 MDR weder nach sei­nem Wort­laut noch nach sei­nem Sinn und Zweck eine Pflicht zu prü­fen, ob eine Benann­te Stel­le anzu­ge­ben ist und ange­ge­ben wur­de. Jeden­falls hält er die Fra­ge für aus­le­gungs­be­dürf­tig, weil ihre Beant­wor­tung kom­ple­xe recht­li­che und tat­säch­li­che Erwä­gun­gen voraussetzt.

Fazit

Mit Art. 14 MDR wur­de der Pflich­ten­kreis für Händ­ler von Medi­zin­pro­duk­ten erst­mals umfas­send gesetz­lich nor­miert. Die Ver­let­zung die­ser gesetz­li­chen Pflich­ten kann Haf­tungs­an­sprü­che poten­zi­ell geschä­dig­ter Pro­dukt­nut­zer oder Pati­en­ten gegen­über den Händ­lern selbst begrün­den. Für die Händ­ler wird es von ent­schei­den­der Bedeu­tung sein, wie sich der EuGH ins­be­son­de­re zur Fra­ge der Prüf­pflicht der vom Her­stel­ler vor­ge­ge­be­nen Risi­koklas­se der Pro­duk­te posi­tio­nie­ren wird. Wird eine Prüf­pflicht bejaht, erwei­tert sich der Pflich­ten­kreis von Händ­lern deutlich.

Soll­ten Sie als Impor­teur und/oder Händ­ler von Medi­zin­pro­duk­ten Unter­stüt­zung bei der Iden­ti­fi­ka­ti­on Ihrer gesetz­li­chen Pflich­ten, aber auch deren Gren­zen benö­ti­gen, spre­chen Sie uns ger­ne an. Wir ste­hen auch bei der Ver­trags­ge­stal­tung mit Her­stel­lern, Han­dels­platt­for­men und Kun­den ger­ne zur Verfügung.

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