Die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise bringen viele Akteure in der Lieferkette in Bedrängnis und führen dazu, dass Zulieferer die gestiegenen Kosten mittels (Preis-)Anpassungen an die Kunden weitergeben wollen. Dazu fordern Zulieferer ihre (zumeist OEM- oder Tier-1-)Kunden zu Vertragsnachverhandlungen auf. Solche Nachverhandlungen sind mit Risiken verbunden, wenn die Lieferanten im gleichen Zuge ankündigen, dass sie auf Liefer- oder Einkaufsschwierigkeiten zusteuern oder ihre Liquidität bedroht ist.
Die Risiken
Wenn Lieferanten ein Anpassungsbedürfnis kommunizieren und dies in Zusammenhang mit einem möglichen Lieferstopp stellen, sehen Gerichte darin zum Teil eine (konkludente) Drohung mit der Einstellung der Lieferungen. Tritt in einer solchen Situation eine gewisse Kurzfristigkeit hinzu, d.h., steht ein vermeintlicher Lieferstopp beispielsweise nur wenige Wochen bevor, verschärft sich das oben beschriebene Risiko enorm. Denn beantragt der Kunde den Erlass einer einstweiligen Verfügung, so können Gerichte im Eilverfahren einen Beschluss mit dem Tenor erlassen, der Zulieferer habe es zu unterlassen, seinen Kunden nicht (vertragsgemäß) zu beliefern. Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung könnten Gerichte bereits die Mitteilung eines Zulieferers ausreichen lassen, wonach die Liquidität und der Einkauf des eigenen Materials bei den gegenwärtigen Preisen nicht auf Dauer gesichert werden könne. Auch wenn gegen einstweilige Verfügungen der Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt werden kann, sollten Unternehmen dies nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn mit einem solchen Beschluss ist ein vollstreckbarer Titel in der Welt, der darüber hinaus die weiteren Vertragsverhandlungen blockieren kann – auf die der Zulieferer oftmals einen vertraglichen Anspruch hat und letztlich angewiesen ist.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Gerichte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren den betroffenen Zulieferer nicht anhören und dieser von dem Verfahren erst erfährt, nachdem ihm der Beschluss (der vollstreckbare Titel) zugestellt wird. Dies geschieht teilweise, obwohl das BVerfG klargestellt hat, dass nur in Ausnahmefällen von einer Anhörung abzusehen ist. Solche Konstellationen wird man nur annehmen können, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Einstellung der Lieferung vorliegen und nachweislich hohe Schäden drohen. Allerdings besteht gerade wegen der fehlenden Anhörung das Risiko, dass das Gericht aufgrund eines unzutreffend dargelegten Sachverhalts vorschnell einen Ausnahmefall annimmt.
Risikominimierung durch Einreichen einer Schutzschrift
Zwar kann im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Widerspruch gegen einen solchen Beschluss eingelegt werden. Ein Widerspruch ist allerdings, auch wenn das einstweilige Verfügungsverfahren beschleunigt vonstattengeht, mit Zeitaufwand verbunden, den man sich (auch mit Blick auf die ggf. blockierten Anpassungsverhandlungen) schlichtweg “nicht leisten kann”. Das gilt umso mehr, da ein eingelegter Widerspruch nicht (unmittelbar) den existierenden Titel beseitigt.
Als probates Mittel steht für solche Fälle die sog. Schutzschrift zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen vorbeugenden Verteidigungsschriftsatz gegen den Erlass einer einstweiligen Verfügung, der mit geringem Aufwand beim Schutzschriftenregister eingereicht werden kann. Schutzschriften müssen Gerichte vor ihrer Entscheidung auch bei besonderer Dringlichkeit berücksichtigen. So kann mindestens sichergestellt werden, dass die eigenen Argumente und insbesondere auch die eigene Sachverhaltsschilderung Berücksichtigung finden.
Was tun?
Bei Konflikten im Rahmen von Nachverhandlungen sollten Zulieferer auf ihre Kommunikation achten und sich vertragstreu verhalten. Sollte der Verdacht aufkommen, der Kunde könne ein einstweiliges Verfügungsverfahren anstreben, empfiehlt sich die Einreichung einer Schutzschrift. Ein Anlass für einen solchen Verdacht kann beispielsweise in der Ankündigung eines entsprechenden Antrages oder aber bereits bei mehrfacher Bitte an den Zulieferer, sich zur Lieferverpflichtung zu äußern, gesehen werden. Mittels einer eingereichten Schutzschrift lässt sich verhindern, dass ein vollstreckbarer Titel die eigene Verhandlungsposition schwächt, ohne dass das Gericht die eigenen Argumente überhaupt zur Kenntnis nimmt.
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