(Kei­ne) Haf­tung von Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rern für Kundenvorgaben

Mit sei­nem Urteil vom 9. Okto­ber 2019 (Az. 10 O 193/13) hat das Land­ge­richt Stutt­gart die Kla­ge eines deut­schen Fahr­zeug­her­stel­lers (OEM) gegen sei­nen Zulie­fe­rer abge­wie­sen. Der OEM hat­te mit der Kla­ge Kos­ten in drei­stel­li­ger Mil­lio­nen­hö­he (inkl. Zin­sen) für umfang­rei­che Feld­maß­nah­men infol­ge eines man­gel­haf­ten Teils des betref­fen­den Zulie­fe­rers gel­tend gemacht. Die voll­stän­di­ge Abwei­sung der Kla­ge begrün­de­te das Gericht damit, dass zwar eine Man­gel­haf­tig­keit vor­liegt, die­se aber auf die Vor­ga­ben des OEM zurück­zu­füh­ren sei, für die auch ein spe­zia­li­sier­ter Zulie­fe­rer grund­sätz­lich kei­ne Haf­tung trägt.

Hin­ter­grund

Der betref­fen­de Zulie­fe­rer wur­de, wie in der Auto­mo­bil­in­dus­trie üblich, zunächst erfolg­reich mit der Ent­wick­lung und im Anschluss dann auch mit der Seri­en­be­lie­fe­rung eines Fahr­zeug­teils für den OEM beauf­tragt. Im Detail ging es hier­bei um einen Kühl­was­ser­aus­lauf­stut­zen, der mit­hil­fe von Flan­schen und zwei Schrau­ben an der Lade­luft­ver­tei­ler­lei­tung befes­tigt und in den Fahr­zeu­gen des OEM so dann auch seri­en­mä­ßig ein­ge­setzt wurde.

Die Dich­tig­keit die­ser Kon­struk­ti­on ver­sag­te im Anschluss jedoch nach eini­ger Betriebs­zeit der Fahr­zeu­ge, sodass Kühl­was­ser aus­trat, was zu Aus­fäl­len der Moto­ren im Feld führ­te. Hier­zu wur­de im gericht­li­chen Ver­fah­ren gut­ach­ter­lich fest­ge­stellt, dass die feh­len­de Dich­tig­keit auf die Art der Kon­struk­ti­on (insb. Zwei- statt Drei­loch­ver­schrau­bung) zurück­zu­füh­ren ist.

Bewer­tung des Gerichts

Das Gericht führ­te zwei­er­lei Punk­te aus:

  1. Zwar eig­ne sich die vom Zulie­fe­rer ent­wi­ckel­te Kon­struk­ti­on nicht für die vor­ge­se­he­ne Ver­wen­dung, da sie nicht die erfor­der­li­che Dich­tig­keit auf­wei­se und sei damit man­gel­haft. Aller­dings beruh­te die­se Unvoll­kom­men­heit auf den Vor­ga­ben des OEM. Die­ser hat­te ins­be­son­de­re eine Zwei- statt Drei­loch­ver­schrau­bung ver­bind­lich vor­ge­ge­ben. Das Gericht über­nahm inso­fern die Argu­men­ta­ti­on des Sach­ver­stän­di­gen, dass die Vor­ga­ben des OEM ein unzu­läng­li­ches Gesamt­kon­zept dar­stel­len. In der Fol­ge wand­te das Gericht den aus dem Werk­ver­trags­recht stam­men­den Grund­satz an, dass der aus­füh­ren­de Unter­neh­mer nicht für Män­gel haf­tet, die auf feh­ler­haf­te Anwei­sun­gen oder Vor­ga­ben des Auf­trag­ge­bers zurück­zu­füh­ren sind (§ 645 Abs. 1 BGB).
  2. Der Zulie­fe­rer hat nach Ansicht des Gerichts auch nicht gegen sei­ne Prüf- und Mit­tei­lungs­pflich­ten ver­sto­ßen, indem er den OEM nicht auf die feh­ler­haf­ten Vor­ga­ben vor­ab hin­ge­wie­sen hat­te. Zwar oblie­gen dem aus­füh­ren­den Unter­neh­mer gemäß § 645 Abs. 1 BGB sol­che Prüf- und Mit­tei­lungs­pflich­ten, aller­dings setzt eine Ver­let­zung die­ser Pflich­ten vor­aus, dass die feh­ler­haf­ten Vor­ga­ben für den aus­füh­ren­den Unter­neh­mer über­haupt erkenn­bar sind. Dies ist je nach Ein­zel­fall zu beur­tei­len. Hier­bei gilt der Grund­satz: Je höher die Fach­kennt­nis des Kun­den, des­to mehr kann der aus­füh­ren­de Unter­neh­mer auf die Feh­ler­frei­heit der Vor­ga­ben vertrauen.

Nach Ansicht des Gerichts hat der Zulie­fe­rer sich in die­sem Fall trotz sei­ner Spe­zi­al­kennt­nis für die eige­nen Pro­duk­te auf die Vor­ga­ben des OEM als Kun­de mit hoher Fach­kennt­nis ver­las­sen kön­nen und des­halb nur offen­kun­di­ge Män­gel prü­fen und anzei­gen müs­sen. Die Zwei­loch­ver­schrau­bung stuf­te das Gericht inso­fern nicht als offen­kun­di­gen Man­gel ein, da sich eine geeig­ne­te­re Art der Ver­schrau­bung ins­be­son­de­re weder aus einer DIN-Norm noch aus dem sons­ti­gen Stand der Tech­nik ergab.

Pra­xis­fol­gen

Das bereits rechts­kräf­ti­ge Urteil des LG Stutt­gart ist eines der ers­ten Urtei­le in der Auto­mo­bil­in­dus­trie, das sich mit der Fra­ge der Haf­tung für Kun­den­vor­ga­ben in die­ser Art beschäf­tigt und ist aus Zulie­fe­rer­per­spek­ti­ve zu begrü­ßen. So ist es doch gän­gi­ge Pra­xis, dass selbst bei Ent­wick­lun­gen durch hoch spe­zia­li­sier­te Zulie­fe­rer detail­lier­te Vor­ga­ben der OEM ein­zu­hal­ten sind, deren Anpas­sung, wenn über­haupt nur durch einen auf­wen­di­gen Geneh­mi­gungs­pro­zess erfol­gen kann. Hin­zu kommt, dass dem Zulie­fe­rer häu­fig auch nicht alle Daten vor­lie­gen, um die Vor­ga­ben über­haupt voll­um­fäng­lich beur­tei­len zu können.

Nicht zuletzt auch für die in der Auto­mo­bil­in­dus­trie häu­fi­ge Kon­stel­la­ti­on, in der Zulie­fe­rer Lie­fe­ran­ten ein­zu­set­zen haben, die vom OEM bereits vor­ab aus­ge­wählt und vor­ge­schrie­ben wer­den (sog. Setz­teil­lie­fe­ran­ten), kommt dem Urteil Bedeu­tung zu. So könn­te etwa auch die Beauf­tra­gung eines Setz­teil­lie­fe­ran­ten und der Ein­satz des­sen Pro­duk­te durch den Zulie­fe­rer als Vor­ga­be des OEM ange­se­hen wer­den. In der Fol­ge käme unter Umstän­den in Betracht, dass Zulie­fe­rer eine Haf­tung für sol­che Fäl­le ableh­nen könn­ten, die auf man­gel­haf­te Kon­struk­ti­on und/oder Pro­duk­te von Setz­teil­lie­fe­ran­ten als Kun­den­vor­ga­be zurück­zu­füh­ren sind.

[Mai 2021]

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