Hohe Rückrufquoten unter schwierigen Marktbedingungen
Die aktuelle (Welt-)Marktlage stellt die Automobilindustrie, insbesondere die Zuliefererbetriebe, vor viele Herausforderungen. Die Lieferketten werden durch Pandemiemaßnahmen, Rohstoff-/Material-/Energiemangel und damit einhergehende Teuerungen belastet. Hinzu kommt, dass die Anzahl der Rückrufe in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen und die Anzahl der neu zugelassenen Fahrzeuge parallel dazu gesunken ist. Diese Entwicklungen führen zu steigenden Rückrufquoten. Für Zulieferer ist diese Situation (auch) aus Versicherungsperspektive problematisch und droht sich noch weiter zu verschärfen.
Die Rückrufkostenversicherung als Teil eines umfassenden Risikoschutzes
Eine Rückrufaktion kann schnell Kosten in Millionenhöhe verursachen. In der Regel deckt aber weder die „Allgemeine Produkthaftpflichtversicherung“ noch die „Allgemeine Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung“ den durch einen Rückruf entstandenen Schaden ab. Das ergibt sich bereits aus den jeweils zugrundeliegenden (Allgemeinen) Versicherungsbedingungen, soweit die individuellen Vereinbarungen mit dem Versicherer nichts anderes regeln. Das Interesse zur Absicherung von Rückrufrisiken wird deshalb durch die sog. Rückrufkostenversicherung bedient, für die der Gesamtverband der Versicherer (GDV) (unverbindliche) Musterbedingungen zur Verfügung stellt („Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) A5 Rückrufkostenrisiko für Kfz-Teile-Zulieferer“).
Herausforderungen für Zulieferer
Besondere Herausforderungen für Zulieferer erwachsen daraus, dass diese sich häufig in einer zweifach geschwächten Position befinden: Einerseits wälzen OEM die mit einem Rückruf einhergehenden Kosten durch vertragliche Haftungserweiterungen auf die Zulieferer ab. Von den Zulieferern werden solche Haftungserweiterungen oft in Kauf genommen, auch wenn sie über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinausgehen. Andererseits schließt die Rückrufkostenversicherung gerade solche Ansprüche aus, soweit sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinausgehen (vgl. Ziff. A5‑3.3 AVB BHV). Die konkrete Auswirkung solcher einzelner Vereinbarungen zwischen Zulieferern und OEM auf den Versicherungsschutz (insbesondere auf etwaige Risikoausschlüsse) sind dabei einer Einzelfallprüfung vorbehalten.
Die gestiegenen Rückrufquoten und die schwierige Marktsituation verschärfen dieses Dilemma noch weiter. Sie führen gemeinsam mit hohen und nur schwer kalkulierbaren Schadensvolumina beim Rückrufkostenversicherungsschutz dazu, dass Versicherer zum Teil nur unter engen Voraussetzungen überhaupt Versicherungsschutz anbieten. Solche Voraussetzungen sind beispielsweise erhöhte Prämien, hohe Selbstbehalte der Zulieferer oder erweiterte Risikoausschlüsse. Dabei lässt sich der Trend erkennen, wonach es für Zulieferer umso schwieriger und risikoreicher wird, je weiter „oben“ sie in der Lieferkette bzw. je „näher“ sie dem OEM stehen (insbesondere also für Tier-1-Zulieferer).
Fazit
Für Zulieferer wird es zunehmend schwierig, rentablen Versicherungsschutz zu guten Bedingungen zu erhalten. Den genannten Haftungs- und Kostenrisiken kann nur durch sorgfältige und vorausschauende Vertragsgestaltung gegenüber dem OEM und/oder dem Einsatz optionaler Versicherungserweiterung begegnet werden. Letzteres ist allerdings mit erhöhten Kosten verbunden.
zurück