Brexit: Ver­trags­pflich­ten und ‑risi­ken nach unge­re­gel­tem Austritt?

Nach­dem das bri­ti­sche Par­la­ment den zwi­schen der Euro­päi­schen Uni­on (EU) und der bri­ti­schen Regie­rung aus­ge­han­del­ten Tren­nungs­ver­trag („With­dra­wal Agree­ment“) im Janu­ar 2019 abge­lehnt hat, wird ein unge­re­gel­ter Aus­tritt des Ver­ei­nig­ten König­reichs (UK) immer wahr­schein­li­cher (sog. „har­ter Brexit“). Soll­te es am 29. März 2019 zu einem har­ten Brexit kom­men, sind erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf lau­fen­de Ver­trags­be­zie­hun­gen zwi­schen deut­schen Unter­neh­men und ihren Ver­trags­part­nern im Ver­ei­nig­ten König­reich (UK) zu erwarten.

Aus­wir­kun­gen auf bestehen­de Verträge

Die durch einen har­ten Brexit ver­ur­sach­te Wie­der­ein­füh­rung von Zöl­len und Steu­ern auf Im- und Expor­te wür­de wohl eine der größ­ten finan­zi­el­len Belas­tun­gen hin­sicht­lich bestehen­der Ver­trä­ge dar­stel­len. Die­se inner­halb der EU abge­schaff­ten Abga­ben wür­den für Impor­te aus dem UK, das nach dem Aus­tritt als Dritt­land zu behan­deln ist, durch den soge­nann­ten Uni­ons­zoll­ko­dex (UZK) wie­der auf­le­ben. Bei Impor­ten nach Deutsch­land wür­den aus die­sem Grund Zöl­le und Ein­fuhr­um­satz­steu­er anfal­len. Umge­kehrt wür­den dann auch für Impor­te in das UK wie­der Zöl­le anfal­len, da anstel­le der Rege­lun­gen der EU die Rege­lun­gen der World Trade Orga­niza­ti­on (WTO) tre­ten, deren Mit­glie­der das UK und Deutsch­land sind. Die­se Kos­ten kön­nen erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Kal­ku­la­ti­on und Ren­ta­bi­li­tät ein­zel­ner Geschäfts­be­zie­hun­gen haben. Wer die Kos­ten im Ein­zel­fall zu tra­gen hat, bestimmt sich dabei maß­geb­lich nach den Ver­ein­ba­run­gen der Par­tei­en – z.B. den Inco­terms.
Soll­ten die infol­ge eines har­ten Brexits ent­ste­hen­den Belas­tun­gen einer Par­tei nicht zumut­bar sein, sehen sowohl das deut­sche Recht als auch das Recht von Eng­land und Wales Kon­struk­te vor, die eine Ände­rung, den Rück­tritt oder gar die Kün­di­gung von Ver­trä­gen bei Vor­lie­gen ent­spre­chen­der Vor­aus­set­zun­gen zumin­dest in den Bereich des Mög­li­chen rücken.

Rech­te der Vertragsparteien

Soll­te auf einen Ver­trag deut­sches Recht anzu­wen­den sein, käme § 313 BGB in Betracht. Dem­nach kann eine Par­tei die Anpas­sung des Ver­tra­ges ver­lan­gen, wenn sich Umstän­de, die Grund­la­ge des Ver­tra­ges gewor­den sind, schwer­wie­gend geän­dert haben und der Par­tei ein Fest­hal­ten am Ver­trag unter die­sen Bedin­gun­gen nicht mehr zuzu­mu­ten ist. Ist eine sol­che Anpas­sung nicht mög­lich oder dem ande­ren Ver­trags­part­ner nicht zumut­bar, so besteht auch die Mög­lich­keit eines Rück­tritts vom Ver­trag. Bei Dau­er­schuld­ver­hält­nis­sen käme dar­über hin­aus die Mög­lich­keit der Kün­di­gung des Ver­tra­ges aus wich­ti­gem Grund in Betracht (§ 314 BGB). Frag­lich und im Ein­zel­fall zu prü­fen ist, ob ein har­ter Brexit einen wich­ti­gen Grund dar­stellt. Ein sol­cher liegt nur dann vor, wenn einer Ver­trags­par­tei die Fort­füh­rung des Ver­tra­ges unter Berück­sich­ti­gung aller Umstän­de nicht zuge­mu­tet wer­den kann.

Bei der Anwen­dung des Rechts von Eng­land und Wales ist ein Recht zur Ände­rung und/oder Kün­di­gung maß­geb­lich von den ver­trag­li­chen Rege­lun­gen zwi­schen den Par­tei­en abhän­gig. So kann ein Änderungs- und/oder Kün­di­gungs­recht einer Ver­trags­par­tei etwa dann bestehen, wenn der Ver­trag hier­zu eine aus­drück­li­che Rege­lung ent­hält (z.B. Force-majeure- oder Hardship-Klauseln).

Dane­ben hat sich in der eng­li­schen Recht­spre­chung die soge­nann­te „Doc­tri­ne of Frus­tra­ti­on“ ent­wi­ckelt. Die­se greift ein, wenn ein bei Ver­trags­schluss unvor­her­seh­ba­res Ereig­nis ein­tritt und es auf­grund des­sen unmög­lich ist, den Ver­trag durch­zu­füh­ren, und/oder sich dadurch Ver­trags­pflich­ten radi­kal ändern. Lie­gen die­se Vor­aus­set­zun­gen vor, gilt der Ver­trag als been­det und die Par­tei­en wer­den von ihren Ver­trags­pflich­ten befreit. Ob die (wirt­schaft­li­chen) Aus­wir­kun­gen eines har­ten Brexits als ein sol­ches Ereig­nis ein­zu­stu­fen sind, wur­de noch nicht abschlie­ßend ent­schie­den und ist aktu­ell Gegen­stand eines Gerichts­ver­fah­rens in Eng­land (Cana­ry Wharf (BP4) T1 Ltd. and others v Euro­pean Medi­ci­nes Agen­cy), des­sen Haupt­ver­hand­lung für den März 2019 ter­mi­niert ist. Deren Aus­gang wird mit Span­nung erwar­tet und wird hof­fent­lich mehr Klar­heit schaffen.

Pra­xis­tipp

Neben der Auf­nah­me aus­drück­li­cher Rege­lun­gen zu den Aus­wir­kun­gen eines Brexits bei aktu­ell zu ver­han­deln­den Ver­trä­gen emp­feh­len wir, bestehen­de Ver­trä­ge zu prü­fen. Dies ins­be­son­de­re im Hin­blick auf etwa­ige Anpas­sungs­klau­seln sowie sol­che, die Rege­lun­gen zu Lie­fer­zei­ten regeln. Dies kann hel­fen zu beur­tei­len, ob ein Ver­zug von Lie­fe­run­gen, der durch die Aus­wir­kun­gen des Brexit ver­ur­sacht wur­de (z.B. durch über­las­te­te Zoll­be­hör­den), Scha­dens­er­satz­an­sprü­che oder sogar Kün­di­gungs­rech­te des Ver­trags­part­ners begrün­den kann. Dar­über hin­aus muss geklärt wer­den, wel­ches Recht das maß­geb­li­che ist und – nicht zuletzt um etwa­ige Pro­zess­ri­si­ken bewer­ten zu kön­nen – ob und wel­che Gerichts- oder Schieds­ge­richts­ab­re­den getrof­fen wur­den. Wie sagt man so schön: bet­ter safe than sorry.

zurück

Bleiben Sie
up to date

Wir verwenden Ihre E-Mail-Adresse ausschließlich für den Versand unseres Newsletters. Sie können Ihre Einwilligung hierfür jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung.