Der Ver­si­che­rungs­fall in der Kfz-Rückrufkostenversicherung

Urteil des OLG Bam­berg vom 16.12.2021 – 1 U 79/20

Sach­ver­halt

In dem Ver­fah­ren vor dem OLG Bam­berg war zwi­schen dem Kfz-Zulieferer und des­sen Ver­si­che­rern strei­tig, ob ein Ver­si­che­rungs­fall aus den geschlos­se­nen Haft­pflicht­ver­si­che­rungs­ver­trä­gen (ins­be­son­de­re dem Kfz-Rückrufkostenversicherungsbaustein) inner­halb des ver­si­cher­ten Zeit­raums oder erst danach ein­ge­tre­ten ist. Zwi­schen dem Lie­fe­ran­ten und dem Ver­si­che­rer war Ver­si­che­rungs­schutz ver­ein­bart bis zum 1. Janu­ar 2015 (12:00 Uhr MEZ).

Im Jahr 2014 belie­fer­te der Lie­fe­rant sei­nen Kun­den (einen Kfz-Hersteller) mit man­gel­haf­ten Nocken­wel­len­ver­stel­lern, die in Moto­ren ein­ge­baut wur­den. Nach­dem ers­te Nocken­wel­len­ver­stel­ler zu Stö­run­gen bei End­kun­den geführt hat­ten, beschloss der Pro­dukt­si­cher­heits­aus­schuss des Kun­den 2014 deren Aus­tausch und ord­ne­te eine Lebens­dau­er­un­ter­su­chung an. Ab März 2015 erfolg­ten „Rück­ruf“- und Werkstattaktionen.

Durch das Gericht zu klä­ren war ins­be­son­de­re, ob und in wel­chem Zeit­punkt der Ver­si­che­rungs­fall im Hin­blick auf die Kfz-Rückrufkostenversicherung ein­ge­tre­ten war. Laut den zugrun­de lie­gen­den Bedin­gun­gen waren neben dem  „Rück­ruf“ auch „inner­be­trieb­li­che Wei­sun­gen“ vom Ver­si­che­rungs­schutz erfasst.

Ent­schei­dungs­grün­de

Das Gericht lehn­te den Anspruch des Zulie­fe­rers auf Ver­si­che­rungs­leis­tung gegen den Ver­si­che­rer ab, da kein Ver­si­che­rungs­fall im ver­si­cher­ten Zeit­raum vorlag.

Zwar sei ein Rück­ruf im Sin­ne der maß­geb­li­chen Bedin­gun­gen im März 2015 erfolgt, so das OLG. Die­ser Rück­ruf sei aber nach Ablauf des ver­si­cher­ten Zeit­rau­mes (bis zum 1. Janu­ar 2015) erfolgt und damit nicht versichert. 

Nach Ansicht des Gerichts war außer­dem weder auf­grund der Ent­schei­dung des Pro­dukt­si­cher­heits­aus­schus­ses noch auf­grund der Anord­nung der Lebens­dau­er­un­ter­su­chung bereits 2014 ein Ver­si­che­rungs­fall eingetreten:

Ein Rück­ruf im Sin­ne der Bedin­gun­gen liegt laut dem OLG nicht vor, wenn sich der Sach­ver­halt beschränkt auf  „inter­ne Ent­schei­dungs­pro­zes­se und die inter­ne Beschluss­fas­sung im Her­stel­ler­be­trieb“. Es brau­che viel­mehr eine Auf­for­de­rung an die Kfz-Halter nach außen.

Auch einen (ver­si­cher­ten) Fall der inner­be­trieb­li­chen Wei­sung lehn­te das Gericht ab. Der Ver­si­che­rungs­fall einer inner­be­trieb­li­chen Wei­sung kann bei „Maß­nah­men und Kos­ten im Vor­feld der Gefah­ren­ab­wehr“ und bei „Aus- und Ein­bau­kos­ten außer­halb der Gefah­ren­ab­wehr“ ange­nom­men wer­den. „Maß­nah­men im Vor­feld der Gefah­ren­ab­wehr“ im Sin­ne der Bedin­gun­gen sind, so das OLG, jedoch­nur anzu­neh­men, wenn „der Feh­ler des Pro­duk­tes des Zulie­fe­rers noch vor Aus­lie­fe­rung des End­pro­dukts (Kfz) aus dem Werk des Kfz-Herstellers bemerkt wird“. Der Feh­ler wur­de aller­dings erst nach Aus­lie­fe­rung an die End­kun­den fest­ge­stellt. Eine Ein­tritts­pflicht des Ver­si­che­rers kommt nach Ansicht des Gerichts auch nicht wegen „Aus- und Ein­bau­kos­ten außer­halb der Gefah­ren­ab­wehr“ in Betracht, da die­se nach dem ein­deu­ti­gen Wort­laut der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen nur dann ersetzt wer­den, wenn im Anschluss kein Rück­ruf erfolgt. Die Nocken­wel­len­ver­stel­ler wur­den aller­dings im März 2015 zurückgerufen.

Kon­se­quen­zen für die Praxis

Das Urteil zeigt ein­mal mehr, wie wich­tig eine Beob­ach­tung und Über­prü­fung der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen und ‑ver­trä­ge nicht nur in sach­li­cher, son­dern gera­de auch in zeit­li­cher Hin­sicht ist. Das gilt umso mehr, wenn das betrof­fe­ne Unter­neh­men einen Ver­si­cher­er­wech­sel plant oder vor­ge­nom­men hat. Ohne eine detail­lier­te Über­prü­fung der Kon­se­quen­zen und Ver­trä­ge sowohl im Deckungs- als auch im Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis kann es zu uner­war­te­ten Deckungs­lü­cken kom­men, wie der vor­lie­gen­de Fall zeigt. Die viel­fäl­ti­gen Haftungs- und Kos­ten­ri­si­ken kön­nen durch sorg­fäl­ti­ge und vor­aus­schau­en­de Ver­trags­ge­stal­tung ver­mie­den wer­den. Eine sorg­fäl­ti­ge Über­prü­fung sowohl der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen als auch der (Kunden-)Verträge ist daher grund­sätz­lich zu empfehlen.

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